Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. September 2001 aufgehoben.
Der Beklagten wird wegen Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Beschwerdewert: 16.835,04 EUR.
Gründe
I.
Die Beklagte hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Diese lief am 13. Juli 2001 ab. Die Berufungsschrift ging erst am 17. August 2001 beim Oberlandesgericht ein.
Die Beklagte hat im wesentlichen vorgetragen: Ihre erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten hätten am 11. Juli 2001 den Auftrag zur Berufungseinlegung durch eine zuverlässige Mitarbeiterin per Telefax an die beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwälte A. & A. übermitteln lassen. Diesen Rechtsanwälten würden seit Jahren die Berufungsmandate übertragen. Die gelungene Übermittlung sei durch einen „OK”-Vermerk im Sendeprotokoll bestätigt worden. Das Telefax sei jedoch bei den Rechtsanwälten A. & A. nicht eingegangen. Die Mitarbeiterin habe wegen Arbeitsüberlastung vergessen, entsprechend einer allgemein erteilten Anweisung sich den Eingang telefonisch bestätigen zu lassen.
Das Berufungsgericht hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Dagegen richtet sich die fristgerechte sofortige Beschwerde der Beklagten.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg. Der angefochtene Beschluß ist aufzuheben und der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie hat glaubhaft gemacht, daß die Versäumung der Berufungsfrist nicht auf einem Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten beruht, das sie sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müßte.
1. a) Der Rechtsanwalt, der einen anderen mit der Einlegung einer Berufung beauftragt, darf sich grundsätzlich darauf verlassen, daß der rechtzeitig abgesandte Auftrag diesen rechtzeitig erreicht und daß er von ihm ausgeführt wird, wenn zwischen beiden im Einzelfall oder allgemein die Absprache besteht, daß der Rechtsmittelanwalt derartige Aufträge annehmen, prüfen und ausführen werde. Für den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten besteht dann kein Grund mehr, von sich aus den Ablauf der Berufungsfrist zu überwachen (BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 1991 – VII ZB 18/90, NJW 1991, 3035 = BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 15, vom 12. Juli 2000 – XII ZB 120/97, NJW-RR 2001, 426 und vom 19. Juni 2001 – VI ZB 22/01, NJW 2001, 3195, 3196). Wird der Auftrag per Telefax erteilt, genügt für eine Ausgangskontrolle, daß ein vom Faxgerät des Absenders ausgedruckter Einzelnachweis die ordnungsgemäße Übermittlung belegt und vor Fristablauf zur Kenntnis genommen wird. Dann kann die Berufungsfrist im Fristenkalender gelöscht werden (BGH, Beschlüsse vom 28. September 1989 – VII ZB 9/89, NJW 1990, 187 = BGHR ZPO § 233 Rechtsmitteleinlegung 3 und vom 17. November 1992 – X ZB 20/92, NJW 1993, 732).
b) Nach diesen Grundsätzen kann den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten kein Fehlverhalten angelastet werden.
aa) Die Beklagte hat glaubhaft gemacht, daß der Auftrag zur Berufungseinlegung rechtzeitig per Telefax abgesandt und daß die ordnungsgemäße Übermittlung durch einen „OK”-Vermerk des Faxgerätes bestätigt wurde.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat sie auch glaubhaft gemacht, daß zwischen ihren erst- und zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten die allgemeine Absprache besteht, daß Aufträge zur Einlegung von Berufungen angenommen, geprüft und ausgeführt werden. In dem Wiedereinsetzungsantrag ist ausgeführt, daß Berufungsmandate stets an die Rechtsanwälte A. & A. übertragen würden und somit eine über Jahre hinweg enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Kanzleien bestehe. Dieser Vortrag enthält, wenn auch nicht ausdrücklich erwähnt, die vom Berufungsgericht vermißte Absprache, daß die Rechtsmittelaufträge auch angenommen und ausgeführt werden. Für eine derartige Praxis spricht auch der Wortlaut des Auftragsschreibens. Dort heißt es: „… übertragen wir Ihnen hiermit ein neues Berufungsmandat zum OLG zu den zwischen unseren Kanzleien geübten Bedingungen und bitten Berufung einzulegen …”. Damit hat die Beklagte die überwiegende Wahrscheinlichkeit für das von ihr Vorgetragene dargetan (vgl. BGH, Beschluß vom 4. Mai 2001 – V ZR 434/00, NJW 2001, 2336).
bb) Die erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten waren, nachdem der Rechtsmittelauftrag abgesandt und der „OK”-Vermerk ausgedruckt worden war, somit nicht gehalten, die Berufungsfrist selbständig zu überwachen und sich den Eingang des Auftrags bestätigen zu lassen. Der Verstoß ihrer Büroangestellten gegen die allgemein erteilte Anweisung, eine Bestätigung einzuholen, konnte eine weitergehende Pflicht nicht begründen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 1991 – VII ZB 18/90 und vom 12. Juli 2000 – XII ZB 120/97 je aaO).
2. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob glaubhaft gemacht worden ist, daß der Auftrag nicht bei den Rechtsanwälten A. & A. eingegangen ist; hätte er sie erreicht, träfe sie ein Verschulden, entweder weil sie ihm nicht entsprochen oder weil sie ihn nicht sofort abgelehnt hätten.
Die Beklagte hat glaubhaft gemacht, daß der Rechtsmittelauftrag nicht eingegangen ist. Nach der eidesstattlichen Versicherung der Büroangestellten der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten hat diese von der Kanzlei A. & A. die Auskunft erhalten, das Telefax sei zu keinem Zeitpunkt eingegangen. Der Beweiswert dieser eidesstattlichen Versicherung wird durch den „OK”-Vermerk im Sendeprotokoll nicht entscheidend erschüttert. Diesem kommt im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der Frage der wirksamen Ausgangskontrolle Bedeutung zu. Hinsichtlich des Zugangs ist er jedoch lediglich ein Indiz (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1994 – VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665 = BGHR BGB § 130 Abs. 1 Satz 1 Zugang 3).
Unterschriften
Ullmann, Thode, Haß, Wiebel, Bauner
Fundstellen
Haufe-Index 708253 |
NJW 2002, 2473 |
NJW-RR 2002, 999 |
JurBüro 2002, 558 |
KammerForum 2002, 387 |