Leitsatz (amtlich)
Haben mehrere Aktionäre sowohl Nichtigkeits- als auch Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluß erhoben, ist ein Teilurteil, das sich auf die Nichtigkeitsklage bzw. die Anfechtungsklage oder auf einen Teil der Kläger beschränkt, unzulässig (Klarstellung von BGH, Urteil vom 17. Februar 1997 - II ZR 41/96, ZIP 1997, 732, 733).
Normenkette
AktG §§ 248-249; ZPO §§ 61-62, 301
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Aktenzeichen 6 U 746/95) |
LG Koblenz (Aktenzeichen 1 HO 135/94) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger zu 2-4 wird das Teilurteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. Oktober 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Kläger, Aktionäre der Beklagten, wenden sich mit den von ihnen erhobenen Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen gegen den zu TOP 4 gefaßten Beschluß der Hauptversammlung vom 22. Juni 1994, mit dem diese dem zwischen der Beklagten und der Privatbrauerei D. GmbH & Co. KG am 3./4. Mai 1994 geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der erforderlichen Mehrheit zugestimmt hat. Sie haben eine Reihe von Gründen vorgetragen, aus denen sie die Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit des Beschlusses herleiten. Die Kläger zu 2-7 berufen sich in erster Linie auf die Nichtigkeit und nur hilfsweise auf die Anfechtbarkeit des Beschlusses. Der Kläger zu 1 macht in erster Linie die Anfechtbarkeit, die Nichtigkeit jedoch nur hilfsweise geltend; er war im mündlichen Verhandlungstermin vor dem Oberlandesgericht nicht vertreten.
Das Landgericht hat den Beschluß für nichtig erklärt. Das Berufungsgericht hat die Klage durch Teilurteil insoweit abgewiesen, als die Kläger zu 2-7 die Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses beantragt haben. Mit der Revision streben die Kläger zu 2-4 die Wiederherstellung des Landgerichtsurteils an.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger zu 2-4 führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Das vom Berufungsgericht gefällte Teilurteil ist unzulässig. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 301 ZPO ein Teilurteil ergehen kann, liegen nicht vor.
I. Ein Teilurteil kann nach § 301 Abs. 1 ZPO u.a. dann erlassen werden, wenn nur ein Teil eines Anspruchs zur Endentscheidung reif ist. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn von einem Streitgegenstand ein Teilanspruch derart individualisiert und abgegrenzt werden kann, daß in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine Entscheidung darüber unabhängig vom Restanspruch möglich ist (MünchKomm.-ZPO/Musielak, § 301 Rdn. 4; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 301 Rdn. 7 m.w.N. in Fn. 18-20; Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 301 Rdn. 3; Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl., § 301 Rdn. 3). Davon kann im vorliegenden Rechtsstreit, der die Feststellung der Nichtigkeit und die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses zum Gegenstand hat, nicht ausgegangen werden. Die Entscheidung dieser Frage ist von dem rechtlichen Verhältnis, in dem Nichtigkeits- und Anfechtungsklage stehen, und dem Umfang der Rechtskraft des darauf ergehenden Urteils abhängig.
1. Der Senat hat im Urteil vom 17. Februar 1997 (II ZR 41/96, ZIP 1997, 732, 733) ausgeführt, daß beide Klagen dasselbe materielle Ziel, nämlich die richterliche Klärung der Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses mit Wirkung für und gegen jedermann, verfolgen. Zu Recht ist im Schrifttum darauf hingewiesen worden, daß die verschiedenen Wege, auf denen dieses Ziel erreicht werden kann – durch die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit oder durch die Anfechtung des vorerst wirksamen, jedoch vernichtbaren Gesellschafterbeschlusses -, nicht entscheidend sind. Sie beruhen auf gesetzlichen Vorgaben, die das Ergebnis – Wirksamkeit oder Nichtigkeit des Beschlusses – nicht beeinflussen (vgl. GroßKomm./K. Schmidt, AktG, 4. Aufl., § 246 Rdn. 61; K. Schmidt, JZ 1977, 770, 771; Hüffer in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 246 Rdn. 23; Hüffer, AktG, 3. Aufl., § 246 Rdn. 14). Im Hinblick auf die Identität des mit der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage verfolgten Rechtsschutzzieles ist es als eine vom Gericht durch Subsumtion zu beantwortende, revisionsgerichtlicher Entscheidung zugängliche Rechtsfrage anzusehen, ob die Vorschrift des § 248 oder die des § 249 AktG Anwendung findet. Daraus ist die Schlußfolgerung zu ziehen, daß der Tatrichter den angegriffenen Beschluß anhand des gesamten von der Klägerseite vorgetragenen Sachverhalts auf seine Nichtigkeit hin zu überprüfen hat, unabhängig davon, ob die Klägerseite die Gründe unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit vorgetragen hat (vgl. Hüffer, AktG aaO § 246 Rdn. 14). Eine Teilung des Streitgegenstandes danach, ob der Sachvortrag die Voraussetzungen der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit erfüllt, scheidet daher aus.
Das Ergebnis der vorstehenden Überlegungen steht im Einklang mit den Rechtskraftwirkungen des auf eine Nichtigkeits- und/oder Anfechtungsklage hin ergehenden Urteils. Wird einer solchen Klage stattgegeben und wird das Urteil rechtskräftig, ist die Erhebung einer weiteren Klage – gleichgültig in welcher Form – ausgeschlossen. Wird sie rechtskräftig als unbegründet abgewiesen, kommt diesem Urteil mit dem ihm zugrundeliegenden Sachverhalt Rechtskraftwirkung zu. Die Erhebung einer weiteren Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage mit identischem Sachverhalt ist unzulässig (Sen.Urt. v. 17. Februar 1997 aaO S. 733).
II. Darüber hinaus ergibt sich die Unzulässigkeit eines Teilurteils auch aus nachfolgenden Gründen:
Der Erlaß eines solchen Urteils wird über den Wortlaut des § 301 ZPO hinaus zwar auch bei subjektiver Klagenhäufung im Sinne der §§ 59 f. ZPO grundsätzlich als zulässig angesehen (vgl. u.a. Zöller/Vollkommer aaO § 301 Rdn. 3; Thomas/Putzo aaO § 301 Rdn. 2; Stein/Jonas/Leipold aaO § 301 Rdn. 4). Voraussetzung ist jedoch, daß gegenüber den Streitgenossen keine einheitliche Entscheidung getroffen werden muß. Das ist nur bei einfacher Streitgenossenschaft (§ 61 ZPO) der Fall. Kann hingegen das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden (notwendige Streitgenossenschaft, § 62 Abs. 1 Altern. 1 ZPO), darf ein Teilurteil grundsätzlich nur für oder gegen alle, nicht aber für oder gegen bestimmte einzelne Streitgenossen ergehen (Thomas/Putzo aaO § 301 Rdn. 3; Zöller/Volllkommer aaO § 301 Rdn. 3, 4; Stein/Jonas/Leipold aaO § 301 Rdn. 10). Wie der Senat bereits entschieden hat, besteht zwischen Aktionären, die eine Anfechtungsklage nach § 246 AktG erhoben haben, mit Rücksicht auf die Wirkungen des der Anfechtungsklage stattgebenden Urteils (vgl. § 248 Abs. 1 AktG) eine notwendige Streitgenossenschaft (BGHZ 122, 211, 240). Das gilt auch für Kläger, die eine Nichtigkeitsklage nach § 241 AktG erhoben haben, weil ein auf die Nichtigkeitsklage hin ergehendes Urteil ebenfalls die Wirkungen des § 248 Abs. 1 AktG herbeiführt (§ 249 Abs. 1 AktG).
Die Kläger haben sowohl Nichtigkeits- als auch Anfechtungsklagen erhoben. Sie sind daher notwendige Streitgenossen im Sinne des § 62 Abs. 1 Altern. 1 ZPO. Das Urteil durfte somit auch nicht auf die Kläger zu 2-7 beschränkt werden. Da der im Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht nicht vertretene Kläger zu 1 als durch die Kläger zu 2-7 vertreten anzusehen ist (§ 62 Abs. 1 ZPO), hätte er in das Urteil des Berufungsgerichts einbezogen werden müssen.
III. Da das Berufungsurteil auf der Verletzung dieser Grundsätze beruht, war es aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Henze, Goette, Kurzwelly
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 01.03.1999 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538674 |
DB 1999, 890 |
DStR 1999, 643 |
NJW 1999, 1638 |
BGHR |
NZG 1999, 496 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 730 |
WuB 1999, 825 |
WuB 1999, 897 |
ZIP 1999, 580 |
AG 1999, 375 |
MDR 1999, 686 |