Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung der Annahmeerklärung eines Komplementärs bei Beitritt eines weiteren Kommanditisten zu einer Publikumsgesellschaft. Reichweite der Prospekthaftung im weiteren Sinn
Leitsatz (amtlich)
Wird die Beitrittserklärung eines Kommanditisten zu einer Publikumskommanditgesellschaft von der persönlich haftenden Gesellschafterin zwar im Namen der Gesellschaft angenommen, ist die persönlich haftende Gesellschafterin in dem im Prospekt abgedruckten Gesellschaftsvertrag aber nur bevollmächtigt worden, Aufnahmeverträge im Namen der Mitgesellschafter abzuschließen, spricht das für eine Auslegung der Annahmeerklärung dahin, dass sie im Namen der Mitgesellschafter abgegeben wird.
Normenkette
BGB § 133; HGB § 161
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 16.12.2009; Aktenzeichen 9 U 29/09) |
LG Lüneburg (Urteil vom 18.02.2009; Aktenzeichen 5 O 425/07) |
Tenor
Auf die Revisionen der Kläger zu 1), 3), 4), 13), 25), 27), 30), 37), 39), 46), 51), 53), 55), 61), 68), 70), 73), 79), 82), 83), 88), 92), 94), 95), 96), 104), 108), 111), 115), 118), 122), 123), 130), 137), 138) und 155) wird das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Celle vom 16.12.2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht hinsichtlich der gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Anträge Ziff. 1, 2, 3 und 5 zum Nachteil dieser Kläger erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagte zu 1) war Initiatorin, der Beklagte zu 2) Gründungskommanditist der Windpark T. GmbH und Co. KG C. und Geschäftsführer ihrer Komplementärin. Die Beklagten zu 3) und 4) waren mit der Werbung von Anlegern beauftragt. Die Kläger sind der Gesellschaft im Jahr 2001 als Kommanditisten beigetreten. Sie verlangen die Rückabwicklung ihrer Kapitalanlagen mit der Begründung, der Prospekt weise verschiedene Fehler auf. Im September 2007 wurde der Windpark veräußert. Der Veräußerungserlös i.H.v. 44 % der Kommanditeinlagen wurde den Klägern nach Anhängigkeit der Klage ausbezahlt. Daraufhin haben sie den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.
Rz. 2
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Nach der zunächst uneingeschränkt eingelegten Revision greifen die Kläger das Urteil zuletzt nur noch insoweit an, als ihren Ansprüchen gegen den Beklagten zu 2) auf Zahlung in unterschiedlicher Höhe gegen Rückübertragung der Beteiligung (Anträge Ziff. 1 und 2), Feststellung künftigen Schadensersatzes (Antrag Ziff. 3) und Feststellung der teilweisen Hauptsacheerledigung (Antrag Ziff. 5) der Erfolg versagt geblieben ist. Im Übrigen haben sie die Revisionen zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revisionen haben Erfolg und führen unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 4
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 5
Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne seien verjährt. Solche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne schieden aus, weil kein Vertrag zwischen dem Beklagten zu 2) als Gründungsgesellschafter und den Klägern als neu eintretenden Kommanditisten zustande gekommen sei. Der Gesellschaftsvertrag bestimme in § 5 Abs. 3, dass die persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft die Beitrittserklärung annehme. Im Zeichnungsschein habe die Komplementärin die Beitrittserklärung ausdrücklich als Vertreterin der Kommanditgesellschaft angenommen. Der Beklagte zu 2) sei demnach nicht Vertragspartner der Kläger geworden.
Rz. 6
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt ein Anspruch der Kläger gegen den Beklagten zu 2) als Gründungsgesellschafter aus Prospekthaftung im weiteren Sinne in Betracht.
Rz. 7
1. Die Prospekthaftung im weiteren Sinne knüpft als Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB an die (vor-)vertraglichen Beziehungen zu dem Anleger an. In einer Kommanditgesellschaft - auch in der Publikumskommanditgesellschaft - wird die Kommanditistenstellung grundsätzlich durch den Abschluss eines Aufnahmevertrages mit den übrigen der Gesellschaft bereits angehörenden Gesellschaftern erlangt (vgl. BGH, Urt. v. 1.10.1984 - II ZR 158/84, ZIP 1984, 1473, 1474; Urt. v. 3.2.2003 - II ZR 233/01, DStR 2003, 1494, 1495; Urt. v. 14.7.2003 - II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651, 1652). Im Rahmen der Beitrittsverhandlungen haftet der Gründungsgesellschafter für die schuldhafte Verletzung von Aufklärungspflichten. Dabei kommt auch die Haftung für Prospektfehler in Betracht, wenn der Prospekt bei den Beitrittsverhandlungen verwendet wurde (BGH, Urt. v. 14.1.1985 - II ZR 41/84, WM 1985, 533, 534; Urt. v. 3.2.2003 - II ZR 233/01, DStR 2003, 1494, 1495; Urt. v. 7.7.2003 - II ZR 18/01, ZIP 2003, 1536, 1537; Urt. v. 14.7.2003 - II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651, 1652 f.; Urt. v. 20.3.2006 - II ZR 326/04, ZIP 2006, 849, 850). Der Gründungsgesellschafter haftet über § 278 BGB auch für das Fehlverhalten von Personen, die er zum Abschluss des Beitrittsvertrages bevollmächtigt hat (BGH, Urt. v. 1.10.1984 - II ZR 158/84, ZIP 1984, 1473, 1474; Urt. v. 14.1.1985 - II ZR 41/84, WM 1985, 533, 534; Urt. v. 3.2.2003 - II ZR 233/01, DStR 2003, 1494, 1495; Urt. v. 14.7.2003 - II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651, 1652).
Rz. 8
2. Es kann dahinstehen, ob entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Prospekthaftung im weiteren Sinne den Gründungskommanditisten auch dann trifft, wenn der Vertreter den Aufnahmevertrag nicht im Namen aller bisherigen Gesellschafter abschließt, sondern im Namen der Kommanditgesellschaft. Denn die Auslegung der Willenserklärungen ergibt hier, dass die Komplementärin die Vertragserklärungen der Beitrittswilligen im Namen aller Gesellschafter und somit auch im Namen des Beklagten zu 2) als Gründungskommanditisten angenommen hat. Das kann der Senat selbst feststellen, da es sich bei dem Fonds um eine Publikumsgesellschaft handelt (vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2011 - II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rz. 12).
Rz. 9
a) Der Eintritt in eine Personengesellschaft bedarf grundsätzlich eines Vertragsschlusses mit allen bisherigen Gesellschaftern. Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch die Aufnahme neuer Gesellschafter erleichtern. Bei Publikumsgesellschaften wird regelmäßig die persönlich haftende Gesellschafterin bevollmächtigt, nach ihrer Wahl mit weiteren Kommanditisten deren Beitritt zur Gesellschaft zu vereinbaren. Das erforderliche Einverständnis der übrigen Gesellschafter mit dem Eintritt neuer Gesellschafter kann in einem solchen Fall im Voraus in dem Gesellschaftsvertrag erteilt werden. Der Abschluss des Aufnahmevertrags mit den übrigen Gesellschaftern kommt dann im Regelfall dadurch zustande, dass sich die persönlich haftende Gesellschafterin im Rahmen der gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen mit dem neu eintretenden Gesellschafter auch im Namen der übrigen Gesellschafter über die Aufnahme einigt (BGH, Urt. v. 17.11.1975 - II ZR 120/74, WM 1976, 15, 16; Urt. v. 14.11.1977 - II ZR 95/76, WM 1978, 136, 137).
Rz. 10
b) So war es auch hier. Die Annahme der Beitrittserklärungen der Kläger durch die Komplementärin erfolgte im Zeichnungsschein zwar durch Leistung der Unterschrift räumlich über der Firma der Fondsgesellschaft nebst dem Zusatz "vertreten durch die E. GmbH". Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der unterzeichnende Vertreter die Beitrittserklärung im Namen der Kommanditgesellschaft angenommen hat. Das Berufungsgericht haftet mit seiner gegenteiligen Auffassung an dem buchstäblichen Sinn der Erklärung und verletzt damit die §§ 133, 164 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die zuletzt genannte Norm ist nicht nur bei der Beurteilung der Frage heranzuziehen, ob im Namen eines anderen gehandelt wurde, sondern auch bei der Beantwortung der Frage, für wen gehandelt worden ist.
Rz. 11
Schließt der Komplementär den Aufnahmevertrag "namens der Publikumskommanditgesellschaft" ab, kann das nach dem objektiven Erklärungswert als ein Handeln sowohl im Namen der Kommanditgesellschaft als auch im Namen der Altgesellschafter verstanden werden (Henze in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 177a Anh. B Rz. 11 f.). Bei der Beurteilung der Frage, in welchem Namen der Vertreter einen Vertrag abschließt, kommt es - wie stets im Rechtsverkehr bei der Auslegung von Willenserklärungen - auf den objektiven Inhalt der Erklärung des Vertreters an, also darauf, wie sich die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte für einen objektiven Betrachter in der Lage des Erklärungsgegners darstellt (§§ 133, 157 BGB). Hierbei sind die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insb. auch die dem Rechtsverhältnis zugrunde liegenden Lebensverhältnisse, die Interessenlage, der Geschäftsbereich, dem der Erklärungsgegenstand zugehört, und die typischen Verhaltensweisen. Der Inhalt des vorliegenden Beitrittsvertrages (Zeichnungsscheins), vor allem die ausdrückliche Bezugnahme auf den Gesellschaftsvertrag und der zum Ausdruck kommende übereinstimmende Wille der Vertragschließenden, auf dieser Grundlage die Kommanditistenstellung begründen zu wollen, lassen erkennen, dass der jeweilige Beitrittsantrag der Kläger nach seinem objektiven Erklärungsinhalt gegenüber den Gesellschaftern der Fondsgesellschaft als den richtigen Adressaten abgegeben werden sollte und der Vertreter den Antrag im Namen der Gesellschafter für diese angenommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 17.11.1975 - II ZR 120/74, WM 1976, 15, 16). Hierfür spricht vor allem, dass nur diese Vorgehensweise durch die der persönlich haftenden Gesellschafterin im Gesellschaftsvertrag erteilte Vollmacht gedeckt ist. Der in dem Prospekt abgedruckte Gesellschaftsvertrag bestimmt in dem vom Berufungsgericht nur unvollständig wiedergegebenen § 5 Abs. 3 Satz 2: "Die persönlich haftende Gesellschafterin ist zur Annahme der Beitrittserklärungen namens aller Gesellschafter unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB bevollmächtigt." Zu einer Annahme der Beitrittserklärungen im Namen der Fondsgesellschaft war die Komplementärin gerade nicht befugt.
Rz. 12
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
Rz. 13
Ob die gerügten Prospektfehler vorliegen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, so dass sie für das Revisionsverfahren zu unterstellen sind. Auf dieser Grundlage lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob ein Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss - wie das LG angenommen hat - verjährt ist. Die Ausführungen des LG zur Kenntnis der Prospektfehler und damit zum Beginn der Verjährung nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB beruhen auf einer Verkennung der Rechtsprechung des BGH. Wenn mehrere voneinander abgrenzbare Prospektfehler vorliegen, führt dies zu einer Differenzierung hinsichtlich des Verjährungsbeginns. Die kenntnisabhängige Verjährungsfrist berechnet sich für jeden Fehler und für jeden Anleger gesondert (BGH, Urt. v. 9.11.2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89; Urt. v. 23.6.2009 - XI ZR 171/08, BKR 2009, 372, 373).
Rz. 14
III. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 2672048 |
BB 2011, 1025 |
DB 2011, 6 |
DB 2011, 986 |
DStR 2011, 871 |
WPg 2011, 644 |
NJW 2011, 1666 |
NJW 2011, 6 |
EBE/BGH 2011 |
NZG 2011, 551 |
WM 2011, 792 |
ZIP 2011, 957 |
MDR 2011, 676 |
GWR 2011, 259 |
StBW 2011, 423 |
ZNotP 2011, 233 |