Leitsatz (amtlich)
Eine Schadensteilung wegen Mitverschuldens des Versenders unter dem Gesichtspunkt unterlassener Wertdeklaration kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn der Frachtführer bei einer Nachnahmesendung auf Grund des einzuziehenden Betrags vom Wert des Gutes Kenntnis hat.
Normenkette
HGB §§ 422, 425 Abs. 2, § 435
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 02.10.2002; Aktenzeichen 18 U 75/01) |
LG Düsseldorf |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 2.10.2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Transportversicherer der P. Vertriebs-GmbH (im Folgenden: P.). Sie nimmt die Beklagte, die einen Paket-Beförderungsdienst betreibt, wegen des im Jahr 1999 in drei Fällen aufgetretenen Verlusts von Transportgut aus übergegangenem und abgetretenem Recht auf Leistung von Schadensersatz i.H.v. 68.081 DM nebst Zinsen in Anspruch. Bei allen Sendungen war der Warenwert bei den Empfängern im Wege der Nachnahme einzuziehen.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung ist im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Vergebens rügt die Revision, der Beklagten könne nicht der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens i.S.d. § 435 HGB gemacht werden. Nach den verfahrensrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts führt die Beklagte keine ausreichenden Ein- und Ausgangskontrollen durch. Das begründet den Vorwurf leichtfertigen Verhaltens (BGH v. 25.3.2004 - I ZR 205/01, BGHZ 158, 322 [327 ff.] = MDR 2004, 1068 = BGHReport 2004, 1277; Urt. v. 17.6.2004 - I ZR 263/01, BGHReport 2004, 1621 = MDR 2005, 100 = TranspR 2004, 399 [401]; Urt. v. 11.11.2004 - I ZR 120/02, Umdr. S. 11-14).
II. Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse sich im Streitfall das Unterlassen der Wertdeklaration bei den in Verlust geratenen Sendungen nicht als Mitverschulden der Versicherungsnehmerin bzw. der Versenderin anrechnen lassen.
1. Nach der verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellung des Berufungsgerichts hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass bei ihr für wertdeklarierte Sendungen ein Kontrollsystem besteht, das den Vorwurf leichtfertiger Vorgehensweise ausschließt. Es kann sonach nicht davon ausgegangen werden, dass die unterlassene Wertdeklaration auf die Schadensfälle tatsächlich Auswirkungen hatte (BGH v. 15.11.2001 - I ZR 158/99, BGHZ 149, 337 [355] = BGHReport 2002, 633 = MDR 2002, 956; Urt. v. 8.5.2003 - I ZR 234/02, MDR 2003, 1361 = BGHReport 2003, 946 = TranspR 2003, 317 [318]). Voraussetzung hierfür wäre, dass die Beklagte bei richtiger Wertangabe ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllt hätte und es dann zumindest zu einer Verringerung des Verlustrisikos gekommen wäre (BGH, Urt. v. 8.5.2003 - I ZR 234/02, MDR 2003, 1361 = BGHReport 2003, 946 = TranspR 2003, 317 [318]).
2. Das Berufungsgericht hat im Streitfall den Vorwurf des Mitverschuldens der Versender zudem mit der Erwägung verneint, es habe sich um Nachnahmesendungen gehandelt, so dass der Wert des transportierten Gutes der Beklagten bekannt gewesen sei. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Bei der vom Berufungsgericht festgestellten Kenntnis der Beklagten vom Wert der Sendungen kann eine Mithaftung der Versender nicht auf den Vorwurf gestützt werden, nicht auf einen ungewöhnlich hohen Schaden hingewiesen zu haben (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB). Eine Minderung der Schadenshaftung des leichtfertig handelnden Schädigers, der in einem solchen Fall bewusst das Risiko unzureichend gesicherter Beförderung übernimmt, widerspräche auch dem Grundsatz von Treu und Glauben, der in § 254 BGB eine konkrete gesetzliche Ausprägung erfahren hat (BGH v. 15.11.2001 - I ZR 158/99, BGHZ 149, 337 [355] = BGHReport 2002, 633 = MDR 2002, 956). Ein nach § 425 Abs. 2 HGB beachtlicher und damit zu einer Mithaftung führender Selbstwiderspruch liegt i.d.R. vor, wenn der Versender den erheblichen Wert der Sendung dem Frachtführer erstmals nach dem Verlust des Transportguts zur Kenntnis bringt. Ein widersprüchliches Verhalten des Versenders ist dagegen nicht festzustellen, wenn das Gut gemäß einer zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung (§ 422 Abs. 1 HGB) oder einer vom Versender nach Abschluss des Frachtvertrags gegebenen Weisung (Koller, Transportrecht, 5. Aufl., § 422 HGB Rz. 13) nur gegen Einziehung eines Nachnahmebetrags an den Empfänger abgeliefert werden darf. Vergebens beruft sich die Revision insoweit darauf, eine in diesem Zusammenhang gemachte Wertangabe diene nicht dazu, den Frachtführer auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen. Sie berücksichtigt dabei nicht genügend, dass die Bestimmung einer Nachnahme grundsätzlich eine entsprechende vertragliche Vereinbarung voraussetzt (vgl. § 422 Abs. 1 HGB; Koller, Transportrecht, 5. Aufl., § 422 HGB Rz. 11-13) und zudem gem. § 422 Abs. 3 HGB in jedem Fall für den Umfang der Haftung des Frachtführers von maßgeblicher Bedeutung ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen