Leitsatz (amtlich)
Übernimmt in einer von mehreren Erben zur Fortsetzung des Handelsgeschäfts des Erblassers gegründeten Kommanditgesellschaft einer von ihnen die Rechtsstellung des persönlich haftenden, geschäftsfuhrenden Gesellschafters allein, ohne daß er kapital- oder gewinnmäßig bevorzugt wird, so steht ihm im Zweifel, auch wenn ihm zunächst nur eine Geschäftsführervergütung in bestimmter Höhe zugebilligt wurde, eine „angemessene” Vergütung zu; die Gesellschafter sind daher bei wesentlicher Veränderung der Verhältnisse zu einer Anpassung nach „billigem Ermessen” verpflichtet.
Normenkette
HGB § 114
Verfahrensgang
LG Darmstadt |
OLG Frankfurt am Main |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 24. März 1976 insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Klage wegen der Erhöhung der Tätigkeitsvergütung des Klägers auf jährlich 72.000 DM abgewiesen und dem Kläger mehr als 10/17 der Kosten des ersten Rechtszuges sowie Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt hat.
In diesem Umfange wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Geschwister. Sie und ihre – an dem Revisionsverfahren nicht mehr beteiligte – Mutter haben unter dem 11. März 1948 eine Kommanditgesellschaft zur Fortführung der von ihrem Vater bzw. Ehemann ererbten graphischen Kunstanstalt und Klischeefabrik errichtet. Für das Revisionsverfahren interessiert nur noch folgender Sachverhalt:
Die Parteien waren zunächst die Kommanditisten, ihre Mutter war die persönlich haftende Gesellschafterin. Mit Wirkung zum 1. Januar 1951 wurde jedoch auch die Mutter Kommanditistin und der Kläger der persönlich haftende Gesellschafter. Ihm oblag seitdem die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft. Für seine Tätigkeit erhielt er gemäß § 5 des damals geänderten Gesellschaftsvertrages für das Jahr 1951 eine Vergütung von 6.000 DM. Diese wurde durch wiederholte Änderung von § 5 zunächst mehrfach erhöht, und zwar für 1952 auf 12.000 DM, für 1953 auf 18.000 DM, ab 1954 auf 24.000 DM, ab 1958 auf 30.000 DM und ab 1963 auf 48.000 DM. Weitere Erhöhungswünsche des Klägers scheiterten am Widerstand der Beklagten. Deshalb hat der Kläger in den Vorinstanzen im Einverständnis mit seiner Mutter die Zustimmung der Beklagten zur Erhöhung seiner Vergütung auf jährlich 96.000 DM ab 1. Januar 1972 verlangt. Er hat behauptet, bereits bei seinem Eintritt als persönlich haftender Gesellschafter habe Einigkeit darüber bestanden, daß seine Tätigkeit angemessen zu vergüten sei. Eine Vergütung von nur 48.000 DM sei aber schon längst unangemessen niedrig.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, einer Erhöhung der jährlichen Vergütung auf 96.000 DM ab 1. Januar 1972 zuzustimmen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Erhöhung noch auf jährlich 72.000 DM.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der Wortlaut des Gesellschaftsvertrages keine automatische Anpassung der Tätigkeitsvergütung an geänderte Verhältnisse vorsieht. Des weiteren führt es aus: Auch aus dem Sinn des Vertrages ergebe sich kein Anpassungsanspruch des Klägers. Das gelte selbst dann, wenn – wie der Kläger behaupte – bei seinem Eintritt als Geschäftsführer Einigkeit darüber bestanden habe, daß er für seine Tätigkeit angemessen bezahlt werde. Die Gesellschafter hätten sich damals auf einen bestimmten Betrag geeinigt. Von einer Regelung, ob und wie dieser an eine etwaige Änderung der Verhältnisse anzupassen sei, hätten sie dagegen abgesehen, obwohl solche Änderungen voraussehbar gewesen seien. Auch bei den in den folgenden Jahren vereinbarten Erhöhungen hätten sie darauf verzichtet, Anpassungsgrundsätze für die Zukunft in den Vertrag aufzunehmen. Aus dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treupflicht lasse sich der Anspruch des Klägers gleichfalls nicht rechtfertigen. Die Angriffe der Revision gegen diese Darlegungen sind im Ergebnis begründet.
Allerdings ist ein Gesellschafter unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treupflicht im allgemeinen nur dann gehalten, der Erhöhung einer Tätigkeitsvergütung zuzustimmen, wenn deren Anpassung an veränderte Verhältnisse für eine verständige Weiterführung des Gesellschaftszwecks dringend geboten ist (vgl. die SenUrt. II ZR 6/63 v. 10. 6. 65 = BGHZ 44, 40, 41 f; II ZR 18/65 v. 6. 7. 67 = WM 1967, 1099 unter II 2 und II ZR 140/72 v. 7. 2. 74 = WM 1974, 375 unter 2 a; ferner Fischer in LM HGB § 114 Nr. 3 sowie Hueck in JR 1965, 386 und in ZGR 1972, 248 unter 4). Das gilt entgegen der Ansicht der Revision auch für Kommanditgesellschaften und ohne Rücksicht darauf, wie im Einzelfall die Geschäftsführungsaufgaben verteilt und die Beteiligungs- und Haftungsverhältnisse geregelt sind. Entgegen der von Ulmer in BB 1976, 950 unter I 2 geäußerten Meinung ist der Senat auch in seinem Urteil II ZR 180/74 vom 10. Mai 1976 = WM 1976, 661 von dieser Rechtsprechung nicht stillschweigend abgerückt. Sie ausdrücklich zu erwähnen, bestand, weil dort besondere Umstände vorlagen, kein Anlaß. – Auch mag mit dem Berufungsgericht davon auszugehen sein, daß allein die gesellschaftliche Treupflicht der Beklagten noch nicht gebieten würde, hier der Erhöhung der Tätigkeitsvergütung zuzustimmen.
Der Anspruch des Klägers kann sich jedoch schon aus den Umständen ergeben, unter denen der Gesellschaftsvertrag in seiner heutigen Form geschlossen worden ist, also – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – aus einer Auslegung des Gesellschaftsvertrages unter Anwendung des § 157 BGB.
Wie dem Auseinandersetzungs- und Gesellschaftsvertrag vom 11. März 1948 zu entnehmen ist, haben sich die Mutter der Parteien und diese selbst damals entschlossen, das von dem Ehemann und Vater ererbte Handelsgeschäft in der Weise in der Form einer Kommanditgesellschaft fortzusetzen, daß zunächst die Mutter mit einem Viertelanteil die persönliche Haftung und Geschäftsführung übernahm, während die beiden Kinder in Höhe ihrer Erbteile – nämlich je zu 3/8 –, also ohne zusätzliche Einlagen oder sonstige Leistungen aus eigenem Vermögen, kapital- und gewinnmäßig beteiligt wurden. An dieser Parität der beiden Geschwister änderte sich auch nichts, als zum 1. Januar 1951 der Kläger anstelle der Mutter die Position des persönlich haftenden, geschäftsführenden Gesellschafters übernahm. Damit trat zwischen den Geschwistern eine höchst ungleiche Rollenverteilung ein: Während die Beklagte weiterhin nur kapitalmäßig beteiligt blieb, war der Kläger nunmehr verpflichtet, dem Unternehmen seine Arbeitskraft zu widmen und zusätzlich das persönliche Risiko zu tragen. Dafür haben die Gesellschafter keinen kapitalmäßigen oder auch nur gewinnmäßigen Ausgleich geschaffen, so daß nicht ohne weiteres mit dem Berufungsgericht unter Hinweis auf BGHZ 44, 41 gesagt werden kann, der Kläger finde, wie andere persönlich haftende, geschäftsführende Gesellschafter in seiner Gewinnbeteiligung neben der Verzinsung seines Kapitals auch ein Entgelt für das übernommene Risiko und für seine Arbeit. Die Beklagte erhält den gleichen Gewinn bloß dafür, daß sie ihren ererbten Kapitalanteil zur Verfügung stellt. DieMehrleistungen des Klägers werden allein durch die ihm gewährte Tätigkeitsvergütung abgegolten.
Mangels weiterer Anhaltspunkte rechtfertigt dieser Umstand es zwar nicht, den Gesellschaftsvertrag dahin auszulegen, daß die in bestimmter Höhe zugebilligte Tätigkeitsvergütung jeweils automatisch der Höhe der Lebenshaltungskosten oder dem Gehalt eines leitenden Angestellten anzupassen sei. Andererseits kann aber nach Treu und Glauben nicht angenommen werden, eine etwaige Erhöhung der Tätigkeitsvergütung stehe hier völlig imfreien Ermessen der Mitgesellschafter. Vielmehr ist in einem solchen Falle im Zweifel davon auszugehen, sie solle stets einangemessener Ausgleich dafür seinund bleiben, daß der Kläger persönlich haftet und seine gesamte Arbeitskraft in den Dienst des gemeinschaftlichen Unternehmens stellt. Deshalb sind die Mitgesellschafter verpflichtet, die Angemessenheit der Vergütung von Zeit zu Zeit zu überprüfen und sie, wenn sie infolge einer Änderung der Verhältnisse nicht mehr besteht, nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) wiederherzustellen. Weigert sich ein Gesellschafter, an einer solchen Überprüfung mitzuwirken, oder entspricht seine Entscheidung nicht der Billigkeit, so ist sie gemäß § 315 Abs. 3 BGB durch Urteil zu treffen.
Da das Berufungsgericht die Notwendigkeit, die Vergütung auf ihre Angemessenheit zu überprüfen und notfalls eine Billigkeitsentscheidung nach § 315 Abs. 3 BGB zu treffen, nicht gesehen hat, muß das angefochtene Urteil, soweit der Kläger es anficht, also soweit das Berufungsgericht auch eine Erhöhung um 24.000 auf 72.000 DM jährlich abgelehnt hat, aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Dieses hat in anderem Zusammenhang zwar ausgeführt, die Gesellschaft habe im Jahre 1974 einen erheblichen Verlust erlitten, so daß schon aus diesem Grunde die Weigerung der Beklagten, einer Erhöhung zuzustimmen, nicht treuwidrig sei. Das ist jedoch allein nicht entscheidend. Ist auch im Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung die Geschäftsentwicklung in den letzten Jahren vor 1972 und die Zukunftserwartung mit zu berücksichtigen, so wird es doch auch wesentlich auf die seit der letzten Anpassung im Jahre 1963 eingetretene Erhöhung der Lebenshaltungskosten und der an leitende Angestellte gezahlten Gehälter sowie auf die Arbeitslast des Klägers ankommen; daß die Vergütung nicht etwa gewinnabhängig war, ergibt sich schon aus der ursprünglichen Vereinbarung.
Unterschriften
Stimpel, Dr. Schulze, Die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bauer und Bundschuh können urlaubshalber nicht unterschreiben. Stimpel, Dr. Skibbe
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.07.1977 durch Kaufmann, Justizobersekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
NJW 1977, 2362 |
Nachschlagewerk BGH |