Leitsatz (amtlich)
a) Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Zahlung durch eine Gegenleistung ausgeglichen wird. Die Regeln des Bargeschäfts nach § 142 InsO a.F. sind insoweit nicht entsprechend anwendbar.
b) Die in die Masse gelangende Gegenleistung muss für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein. Das sind Arbeits- oder Dienstleistungen in der Regel nicht.
c) Wenn die Gesellschaft insolvenzreif und eine Liquidation zugrunde zu legen ist, ist die in die Masse gelangende Gegenleistung grundsätzlich nach Liquidationswerten zu bemessen.
Normenkette
GmbHG § 64
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 1.10.2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers entschieden ist.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Düsseldorf vom 1.7.2014 wie folgt teilweise abgeändert und neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 53.940,25 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.9.2010 zzgl. Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. insgesamt 1.746,38 EUR zu zahlen.
Dem Beklagten bleibt vorbehalten, nach der Zahlung von 14.065,69 EUR nebst den ausgeurteilten Zinsen an die Masse seine Rechte in Höhe des Betrages, den die begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger zu verfolgen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen werden die Berufung des Beklagten und die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. S. (im Folgenden: Schuldnerin), einer private company limited by shares nach englischem Recht, die eine Niederlassung in Deutschland hatte. Der Beklagte war deren Director. Geschäftsgegenstand der Schuldnerin war die Vermarktung von Anteilen einer englischen Gesellschaft. Einnahmen erzielte sie vornehmlich aus Provisionszahlungen für von ihr vorgenommene Vermittlungstätigkeiten. Zwischen dem 14.9.2009 und dem 9.12.2009 zahlte die Schuldnerin vom Geschäftskonto und aus der Barkasse an die Stadtwerke D. AG, die V. GmbH, T. GmbH, Q. AG, T. AG und U. GmbH zusammen 6.508,27 EUR und an Angestellte 9.208,51 EUR für Gehälter für Juni 2009, insgesamt 15.716,78 EUR.
Rz. 2
Der Kläger hat mit der Behauptung, die Schuldnerin sei spätestens seit dem 1.9.2009 zahlungsunfähig gewesen, vom Beklagten die Zahlung von insgesamt 53.940,95 EUR nebst Zinsen und außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten verlangt.
Rz. 3
Das LG hat den Beklagten zur Zahlung von 53.940,25 EUR nebst Zinsen und außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht ihn zur Zahlung von 39.874,56 EUR wegen eines erstmals im Berufungsrechtszug geltend gemachten Altgläubigerquotenschadens verurteilt und die Klage im Übrigen - wegen in der Zeit vom 14.9.2009 bis zum 9.12.2009 aus der Barkasse bzw. vom Geschäftskonto geleisteter Zahlungen - abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Zurückweisung der Berufung des Beklagten im vollen Umfang erstrebt.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des Urteils des LG unter Aufnahme eines Vorbehalts zugunsten des Beklagten, nach Zahlung von 14.065,69 EUR nebst Zinsen seine Rechte in Höhe des Betrages, den die begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger zu verfolgen.
Rz. 5
I. Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, NZI 2016, 642) hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, ausgeführt, die Schuldnerin sei am 7.9.2009 zahlungsunfähig gewesen. Den Beklagten treffe gleichwohl keine Verpflichtung, gem. § 64 Satz 1 GmbHG dem Kläger die Mittel zu ersetzen, die der Schuldnerin durch Zahlungen aus der Barkasse bzw. vom Geschäftskonto in der Zeit vom 14.9.2009 bis zum 9.12.2009 entzogen worden seien. Eine masseschmälernde Zahlung i.S.v. § 64 Satz 1 GmbHG liege dann nicht vor, wenn und sobald im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Zahlung ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen endgültig gelangt sei, der die mit der Zahlung bewirkte Masseschmälerung ausgleiche. Dazu sei auf die Wertungen des Anfechtungsrechts zurückzugreifen und seien als eine Fallgruppe des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung Bargeschäfte entsprechend § 142 InsO anzuerkennen.
Rz. 6
Die Zahlungen der Schuldnerin an die S. AG, die V. GmbH, T. GmbH, Q. AG, T. AG und U. GmbH i.H.v. 6.508,27 EUR seien danach nicht ausgleichspflichtig, weil bei lebensnaher Betrachtungsweise die dadurch bewirkten Masseschmälerungen unmittelbar durch den gleichwertigen Bezug von Energie, Wasser und Kaffeeautomatenservice sowie Dienstleistungen der Telekommunikation, des Internets und des Kabelfernsehens ausgeglichen worden seien. Die am 14.9.2009 erbrachten verspäteten Gehaltszahlungen für Juni 2009 seien ebenfalls nicht ausgleichspflichtig. Nach der Rechtsprechung des BAG seien die im Rahmen von Arbeitsverhältnissen verspätet erbrachten Entgeltzahlungen als Bargeschäft anzusehen, wenn sie - wie hier - den Kriterien für einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Entgeltzahlung und Arbeitsleistung genügten.
Rz. 7
II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 8
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht auf den Beklagten als Director einer private company limited by shares nach englischem Recht § 64 Satz 1 GmbHG entsprechend angewandt (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2016 - II ZR 119/14, ZIP 2016, 821 Rz. 14).
Rz. 9
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht auf den Ausgleich einer masseschmälernden Zahlung nach § 64 Satz 1 GmbHG die zu § 142 InsO in der bis 4.4.2017 geltenden Fassung gefundenen Wertungen entsprechend angewandt.
Rz. 10
a) Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 18.11.2014 - II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rz. 9 f.) entfällt die Ersatzpflicht des Geschäftsführers für Zahlungen nach Insolvenzreife gem. § 64 Satz 1 GmbHG, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt auch in diesen Fällen zunächst eine zur Ersatzpflicht führende Zahlung vor. Durch den Ausgleich entfällt vielmehr der aufgrund der Zahlung bestehende Anspruch gegen den Geschäftsführer. Grund hierfür ist, dass der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife nicht nur Insolvenzantrag zu stellen hat (§ 15a InsO), sondern im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger die noch verbliebene Masse zu erhalten hat. Wenn er dennoch die Masse durch Zahlungen oder andere Leistungen schmälert, wird er nach § 64 Satz 1 GmbHG ersatzpflichtig. Soweit und sobald eine solche Masseschmälerung mit oder ohne Zutun des Geschäftsführers ausgeglichen wird, ist der Zweck von § 64 Satz 1 GmbHG, im Interesse der Gläubiger die Masse zu erhalten, erreicht. Eine nochmalige Erstattung durch den Geschäftsführer würde die Masse über ihre bloße Erhaltung hinaus anreichern und über den mit dem sog. Zahlungsverbot des § 64 Satz 1 GmbHG verbundenen Zweck hinausgehen.
Rz. 11
Da der die Erstattungspflicht auslösende Vorgang in der Schmälerung der Masse durch die einzelne Zahlung besteht, ist nicht jeder beliebige weitere Massezufluss als Ausgleich dieser Masseschmälerung zu berücksichtigen. Vielmehr ist ein unmittelbarer wirtschaftlicher, nicht notwendig zeitlicher Zusammenhang mit der Zahlung erforderlich, damit der Massezufluss der an und für sich erstattungspflichtigen Masseschmälerung zugeordnet werden kann. Auf eine Zuordnung nach wirtschaftlicher Betrachtung zur einzelnen masseschmälernden Zahlung kann nicht verzichtet werden, da der Ersatzanspruch nicht auf Erstattung eines Quotenschadens gerichtet ist (BGH, Urt. v. 18.11.2014 - II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rz. 10 m.w.N.). Unter der Voraussetzung, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, kommt als Massezufluss, der die Masseschmälerung ausgleicht, auch in Betracht, dass für die Zahlung ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist (BGH, Urt. v. 18.11.2014 - II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rz. 9).
Rz. 12
b) Die Regeln des Bargeschäfts nach § 142 InsO a.F. sind insoweit aber nicht entsprechend anwendbar (Fölsing, KSI 2015, 70, 72; Altmeppen, ZIP 2015, 949, 950; Casper, ZIP 2016, 793, 795; a.A. Habersack/Foerster, ZHR 178 [2014], 387, 403 ff.; Habersack/Foerster, ZGR 2016, 153, 180 f.; Gehrlein, ZHR 181 [2017], 482, 506 ff.; Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, 21. Aufl., § 64 Rz. 71; einschränkend H.-F. Müller, DB 2015, 723, 725). Zwar legt der Wortlaut von § 142 InsO a.F., nach dem eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar ist, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO vorliegen, wegen der Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung eine entsprechende Anwendung nahe. Für eine Analogie fehlt es aber an einer vergleichbaren Interessenlage. Die Ersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 64 Satz 1 GmbHG und die Insolvenzanfechtung haben unterschiedliche Voraussetzungen. Damit, dass bei Vorliegen eines Bargeschäfts nach § 142 InsO a.F. eine Anfechtung ausscheidet, wird ein anderer Zweck verfolgt als durch das Entfallen der Ersatzpflicht des Geschäftsführers bei einem Ausgleich der Masseschmälerung.
Rz. 13
aa) Das Anfechtungsrecht schützt vor einer Gläubigerbenachteiligung durch die Verminderung der Aktivmasse und durch die Vermehrung der Schuldenmasse (BGH, Urt. v. 15.9.2016 - IX ZR 250/15, ZIP 2016, 2329 Rz. 13 m.w.N.; Urt. v. 28.1.2016 - IX ZR 185/13, ZIP 2016, 426 Rz. 24 m.w.N.). § 64 Satz 1 GmbHG schützt die Gläubiger zwar auch vor einer Benachteiligung, aber nur vor einer Benachteiligung durch eine Verminderung der Aktivmasse. Durch die Anordnung einer Ersatzpflicht bei einer Masseschmälerung wird der Geschäftsführer dazu angehalten, nach Insolvenzreife die vorhandene Aktivmasse zu erhalten. Dementsprechend führt die Begründung von Verbindlichkeiten nicht zu einer Haftung des Geschäftsführers nach § 64 Satz 1 GmbHG (BGH, Urt. v. 18.11.2014 - II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rz. 17). Bei der Zahlung von einem debitorischen Konto liegt lediglich ein Gläubigertausch, aber keine Masseschmälerung vor (BGH, Urt. v. 26.1.2016 - II ZR 394/13, ZIP 2016, 1119 Rz. 38; Urt. v. 8.12.2015 - II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 Rz. 26; Urt. v. 23.6.2015 - II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rz. 32; Urt. v. 3.6.2014 - II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rz. 15; Urt. v. 25.1.2011 - II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 Rz. 26), während anfechtungsrechtlich darin eine Gläubigerbenachteiligung zu sehen sein kann (vgl. BGH, Urt. v. 10.1.2007 - IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276 Rz. 12).
Rz. 14
bb) Mit § 142 InsO werden einzelne Gläubiger, die einem Schuldner eine Vorleistung erbringen, ungeachtet der Anfechtungstatbestände und jenseits der Vorsatzanfechtung in ihrem Vertrauen geschützt, die Gegenleistung des Schuldners behalten zu dürfen. Die Vorschrift dient daher dem Schutz des Geschäftsgegners (Altmeppen, ZIP 2015, 949, 950; Fölsing, KSI 2015, 70, 72). § 64 GmbHG bezweckt aber nicht einen Schutz des Geschäftsgegners, sondern der Gläubiger der insolvenzreifen Gesellschaft. Mit der Zulassung eines Masseausgleichs wird auch kein Vertrauen des Geschäftsführers in Handlungsbefugnisse geschützt oder belohnt. Der Ausgleich lässt den an und für sich bestehenden Ersatzanspruch lediglich - insoweit ähnlich einem schadensersatzrechtlichen Vorteilsausgleich - entfallen, um eine Massebereicherung durch die Erstattungspflicht des Geschäftsführers zu vermeiden.
Rz. 15
§ 142 InsO liegt der wirtschaftliche Gesichtspunkt zugrunde, dass ein Schuldner, der sich in der Krise befindet, praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen würde, unterlägen selbst von ihm abgeschlossene wertäquivalente Bargeschäfte der Anfechtung (Begründung zu § 161 Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, 167; BGH, Urt. v. 13.4.2006 - IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 Rz. 30). Anders als § 142 InsO soll der Wegfall der Erstattungspflicht bei einer ausgleichenden Gegenleistung nach einer Zahlung i.S.d. § 64 Satz 1 GmbHG dagegen nicht eine weitere Teilnahme der Schuldnerin am Geschäftsverkehr ermöglichen. Ab Insolvenzreife darf der Geschäftsführer - abgesehen von der Ausnahme nach § 64 Satz 2 GmbHG - keine Zahlungen mehr leisten, sondern hat Insolvenzantrag zu stellen. Die GmbH soll, jedenfalls unter der Verantwortung der bisherigen Geschäftsleitung, gerade nicht weiter am Geschäftsverkehr teilnehmen. Mit dem Masseausgleich werden dem Geschäftsführer daher auch keine Handlungsbefugnisse gegeben.
Rz. 16
Da es lediglich auf einen wirtschaftlich zuzuordnenden, in die Masse gelangenden Gegenwert ankommt, ist auch - anders als beim Bargeschäft - kein zeitlicher Zusammenhang erforderlich. So kann etwa eine erfolgreiche Anfechtung durch den Insolvenzverwalter auch nach längerer Zeit die Haftung des Geschäftsführers entfallen lassen.
Rz. 17
3. Das Urteil erweist sich auch nicht deshalb als richtig, weil ohne entsprechende Anwendung von § 142 InsO von einem Ausgleich der Zahlungen durch einen Massezufluss auszugehen ist.
Rz. 18
a) Der Zahlung von Gehältern i.H.v. 9.208,51 EUR für Juni 2009 steht kein Massezufluss gegenüber. Mit einer Zahlung entgegen § 64 Satz 1 GmbHG wird die ab Insolvenzreife den Gläubigern zur Verwertung zur Verfügung stehende Masse verkürzt. Um diese Masseverkürzung ausgleichen zu können, muss auch die in die Masse gelangende Gegenleistung für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein. Zwar ist für die Bewertung der Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird, und nicht der Zeitpunkt der tatsächlichen Insolvenzeröffnung (BGH, Urt. v. 18.11.2014 - II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rz. 11). Die Bewertung selbst hat aber schon aufgrund der Insolvenzreife der Gesellschaft danach zu erfolgen, ob die Insolvenzgläubiger die Gegenleistung verwerten könnten, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt das Verfahren eröffnet wäre. Das ist bei Arbeits- oder Dienstleistungen regelmäßig, so auch hier, nicht der Fall. Dienstleistungen führen nicht zu einer Erhöhung der Aktivmasse und sind damit kein Ausgleich des Masseabflusses (Fölsing, KSI 2015, 70, 73).
Rz. 19
b) Den Zahlungen der Schuldnerin an die S. AG, die V. GmbH, T. GmbH, Q. AG, T. AG und U. GmbH i.H.v. 6.508,27 EUR steht ebenfalls kein Massezufluss gegenüber. Soweit es sich um Energieversorgungs- und Telekommunikationsdienstleistungen, Entgelt für Internet und Kabelfernsehen, gehandelt hat, gilt wie für Arbeits- und andere Dienstleistungen, dass sie die für die Gläubiger verwertbare Aktivmasse nicht erhöhen und damit kein Ausgleich der Masseschmälerung durch die Zahlung sind.
Rz. 20
Aber auch soweit mit diesen Gegenleistungen - was allenfalls beim "Coffee Service" denkbar ist - Materiallieferungen verbunden waren, führt dies nicht zu einem Wegfall der Erstattungspflicht. Wenn die Gesellschaft insolvenzreif und eine Liquidation zugrunde zu legen ist, ist die in die Masse gelangende Gegenleistung grundsätzlich nach Liquidationswerten zu bemessen (Casper, ZIP 2016, 793, 797). Ob ausnahmsweise Fortführungswerte in Ansatz gebracht werden können, wenn eine Fortführung gesichert erscheint, kann hier offenbleiben, weil für eine Fortführungsfähigkeit kein Anhaltspunkt besteht. Die Bewertung hat aufgrund der Insolvenzreife der Gesellschaft danach zu erfolgen, ob die Insolvenzgläubiger die Gegenleistung verwerten könnten, wenn zum Bewertungszeitpunkt das Verfahren eröffnet wäre. Auch eine Bewertung einer Gegenleistung nach Liquidationswerten setzt aber voraus, dass die als Gegenleistung zur Masse gelangten Gegenstände für die Insolvenzgläubiger verwertbar wären. Dass mit dem "Coffee Service" solche verwertbaren Gegenstände zur Masse gelangten, ist weder vorgetragen noch festgestellt. Bei im Rahmen eines "Coffee Service" etwa geliefertem Kaffee als geringwertigem, typischerweise zum alsbaldigen Verbrauch bestimmten Gut liegt das auch fern. Aus diesem Grund sind geringwertige Verbrauchsgüter regelmäßig nicht für einen Ausgleich geeignet (a.A. Casper ZIP 2016, 793, 796). Jedenfalls bei fehlender Verwertbarkeit ist für eine Vermutung, dass der gezahlte Preis dem Wert der Gegenleistung entspricht, um die Bewertung handhabbar zu machen, von vorneherein kein Raum (a.A. Altmeppen, ZIP 2015, 949, 951 f.; H.-F. Müller DB 2015, 723, 725).
Rz. 21
Dass die Bezahlung der Energieversorgungs- und Telekommunikationsdienstleistungen durch die Schuldnerin erforderlich war, um einen sofortigen Zusammenbruch eines auch in der Insolvenz sanierungsfähigen Unternehmens zu verhindern, und die Zahlung daher nach § 64 Satz 2 GmbHG zur Abwendung eines größeren Schadens für die Gläubiger entschuldigt wäre (vgl. BGH, Urt. v. 23.6.2015 - II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rz. 24; Beschl. v. 5.11.2007 - II ZR 262/06, ZIP 2008, 72 Rz. 6; Urt. v. 8.1.2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 274 f.), ist nicht festgestellt und nicht ersichtlich.
Rz. 22
4. Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden. Der Beklagte war zur Erstattung der Zahlungen nach Insolvenzreife zu verurteilen. Da dem Kläger erstinstanzlich insgesamt 53.940,25 EUR zugesprochen worden sind und das Berufungsgericht den Beklagten unter Abänderung des Ersturteils zur Zahlung von 39.874,56 EUR verurteilt hat, beträgt die Summe dieses Erstattungsanspruchs, die ihm zuzuerkennen ist, noch 14.065,69 EUR. Insoweit war das Urteil des LG um den Vorbehalt zugunsten des Beklagten zu ergänzen, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 8.1.2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 279; Urt. v. 16.3.2009 - II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 Rz. 24).
Fundstellen
Haufe-Index 11196450 |
BB 2017, 1921 |
BB 2017, 2130 |
DB 2017, 1959 |
DB 2017, 7 |
DStR 2017, 2060 |