Leitsatz (amtlich)

Ein vom Aufsichtsratsvorsitzer ohne Aufsichtsratsbeschluß abgeschlossener und damit fehlerhafter Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds ist für die Dauer der Beschäftigung des Betroffenen so zu behandeln, als wäre der Vertrag wirksam.

 

Normenkette

AktG §§ 75, 97

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main

LG Frankfurt am Main

 

Tenor

Der Beklagte war ab 1. Januar 1949 Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft (G.). Die G. befindet sich im Konkurse. Der Kläger ist der Konkursverwalter über ihr Vermögen.

Ende 1950 schloß die G. einen Lebensversicherungsvertrag über 300.000 DM ab, in dem sie selbst als Versicherungsnehmerin und der Beklagte als Versicherter bezeichnet war. Die G. zahlte die Prämien. Im Jahre 1952 leistete der Versicherer an die G. Vorauszahlungen auf die Versicherungssumme von insgesamt 52.000 DM. Hierfür war ein Zusatzbeitrag zu entrichten. Ihn zahlte der Beklagte. Die G. gab die 52.000 DM an den Beklagten weiter und buchte die Zahlungen als Darlehen. Der Kläger hat den gesamten Betrag zum 31. Dezember 1957 gekündigt und verlangt davon mit der Klage einen Teilbetrag von 10.000 DM.

Der Beklagte will die 52.000 DM nicht als Darlehen, sondern deshalb erhalten haben, weil in Wirklichkeit er und nicht die G. der Versicherungsnehmer gewesen sei. Nach seinem Anstellungsvertrag sollte er außer einem monatlichen Gehalt von 2.000 DM eine Tantieme von ⅓% des Umsatzes der G. und ihrer Tochtergesellschaften erhalten. Weil sich danach eine Tantieme ergab, die der G. zu hoch war, und weil dem Beklagten bei der damaligen Progression der Einkommensteuersätze ein großer Teil seines Einkommens weggesteuert zu werden drohte, wurde eine Umstellung der Vergütung des Beklagten auf eine Kombination von Gehalt, Versicherungsprämie und Tantieme ins Auge gefaßt. Durch Vertrag vom 21. Dezember 1950 wurde der Anstellungsvertrag dahin geändert, daß der Beklagte ein Gehalt von 5.000 DM im Monat und eine Tantieme von 1/6 % des Umsatzes der G. und ihrer Tochterunternehmen erhalten sollte. Außerdem sollte der Beklagte Anspruch auf eine bestimmte Altersversorgung haben. Er behauptet u.a.: Der Versicherungsvertrag sei zwecks Sicherung dieser Altersversorgung geschlossen worden. Er habe auch dazu gedient, ihm einen Ausgleich dafür zu verschaffen, daß er auf einen Teil seiner Tantieme verzichtet habe. Die G. habe aus dem Versicherungsvertrag keinerlei Rechte erwerben sollen und sei nur aus steuerlichen Gründen als Versicherungsnehmerin bezeichnet worden. Sie habe die Vorauszahlungen des Versicherers nur als Treuhänderin für den Beklagten in Empfang genommen und als durchlaufendes Geld behandeln können. Für die Verbuchung als Darlehen seien ebenfalls steuerliche Gründe maßgebend gewesen.

Der Kläger hält alle Vereinbarungen der G. mit dem Beklagten über sein Anstellungsverhältnis, die Altersversorgung, die Lebensversicherung und jene 52.000 DM für unwirksam, weil diese Abmachungen nicht vom Aufsichtsrat, sondern allein vom Aufsichtsratsvorsitzenden getroffen worden seien.

Der Beklagte war vom 1. Januar 1951 an von der G. beurlaubt, erhielt aber seine Bezüge weiter. Er übte eine andere Tätigkeit aus, beriet jedoch die G. noch in Einzelfragen. Mit Wirkung vom 30. September 1954 schied er durch Aufsichtsratsbeschluß vom gleichen Tage bei der G. aus.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Seine Revision führte zur Abweisung der Klage.

 

Gründe

I. Die Klage ist nicht schon aus Darlehen begründet. (Wird ausgeführt.)

II. Das Berufungsgericht stellt fest, der Beklagte habe der Versicherungsnehmer und Inhaber aller Rechte aus dem Versicherungsverhältnis sein sollen, die G. sei nur aus steuerlichen Gründen als Versicherungsnehmerin aufgetreten, sie habe nur eine treuhänderische Rechtsstellung innegehabt und verpflichtet sein sollen, alle auf Grund des Versicherungsverhältnisses an sie gelangenden Beträge dem Beklagten zukommen zu lassen. Es nimmt jedoch an, daß alle das Anstellungsverhältnis betreffenden Abreden unwirksam seien, da die G. dabei nicht ordnungsmäßig vertreten gewesen sei; der Aufsichtsratsvorsitzende habe sämtliche Abmachungen mit dem Beklagten über seine Anstellung, Besoldung und Altersversorgung allein getroffen, ohne daß hierzu ein Beschluß des Aufsichtsrats ergangen wäre. Zwar habe der Beklagte behauptet, der Aufsichtsrat habe den getroffenen Anstellungsvereinbarungen stillschweigend zugestimmt. Eine solche Zustimmung sei jedoch nicht ausreichend. Einen ausdrücklichen Aufsichtsratsbeschluß habe der Beklagte nicht behauptet. Mangels wirksamer Vereinbarungen habe er die 52.000 DM ohne rechtlichen Grund erhalten.

Die Revision ist begründet.

1. Alle das Anstellungsverhältnis des Beklagten betreffenden Vereinbarungen sind allerdings unwirksam.

a) Die G. war bei Abschluß und Ausgestaltung des Anstellungsvertrages des Beklagten nicht ordnungsmäßig vertreten.

Nach § 75 Abs. 1 Satz 4 AktG gelten die Vorschriften über die Bestellung des Vorstands auch für den Anstellungsvertrag. Deshalb sind die Entscheidung über den Anstellungsvertrag und die Vertretung der Gesellschaft bei dessen Abschluß oder Änderung ausschließlich Sache des Aufsichtsrats (BGHZ 12, 327, 333; BGH WM 1960, 544; 1957, 846), während die Gesellschaft bei anderen Geschäften mit einem Vorstandsmitglied auch durch andere Vorstandsmitglieder sowie Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte vertreten werden kann (BGH LM § 75 AktG Nr. 5). Der Aufsichtsrat kann die Beschlußfassung über den Anstellungsvertrag nur selbst vornehmen oder (§ 92 Abs. 4 AktG) einem aus seiner Mitte gebildeten Ausschuß übertragen. Einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied kann diese Aufgabe nicht überlassen werden. Bei Abschluß und Änderung des Anstellungsvertrages handelt der Aufsichtsrat als gesetzlicher Vertreter der Aktiengesellschaft (§ 97 AktG). Hierzu kann er sowohl einen aus seiner Mitte gebildeten Ausschuß als auch ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied, etwa den Aufsichtsratsvorsitzer, ermächtigen. Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, hat der Aufsichtsrat der G. weder einen ausdrücklichen Beschluß zum Anstellungsvertrag des Beklagten gefaßt noch den Aufsichtsratsvorsitzer zum Abschluß eines solchen Vertrages ermächtigt. Fehlt es an einer Vertretungsermächtigung, so wird die Aktiengesellschaft vom Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit vertreten (BGH LM § 75 AktG Nr. 11). Durch die vom Aufsichtsratsvorsitzenden allein abgeschlossenen Verträge zum Anstellungsverhältnis des Beklagten wurde daher sowohl die ausschließliche Entscheidungsbefugnis als auch die bei Abschluß und Änderung des Anstellungsvertrages gegebene ausschließliche Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats verletzt.

b) In die Zuständigkeit des Aufsichtsrats fallende Vereinbarungen können vom Aufsichtsrat nicht stillschweigend oder durch schlüssiges Verhalten genehmigt werden.

Nur der in einem Beschluß zum Ausdruck gekommene einheitliche Wille der abstimmenden Aufsichtsratsmitglieder stellt den Willen des Aufsichtsrats dar; was nicht in einem Beschluß seinen Niederschlag gefunden hat, kann nicht als eine Stellungnahme des Aufsichtsrats angesehen werden. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Januar 1959 – II ZR 206/57 – (AG 1959, 286) ausgesprochen.

Des weiteren hat der Senat bereits mehrfach den Standpunkt vertreten (BHGZ 10, 187, 194; WM 1960, 803, 805; 1961, 569, 574), daß Aufsichtsratsbeschlüsse nicht stillschweigend gefaßt werden können, weil es bei stillschweigender Beschlußfassung unmöglich wäre, die für eine Abstimmung unerläßlichen Feststellungen darüber zu treffen, inwieweit Beschlußfähigkeit. Zustimmung und Ablehnung gegeben und Stimmenthaltungen vorgekommen sind. Hieran muß aus Gründen der Rechtssicherheit und wegen der Verantwortung des Aufsichtsrats festgehalten werden.

Daher kann die Kenntnis des Aufsichtsrats davon, daß der Beklagte als Vorstandsmitglied tätig geworden und beschäftigt worden ist, sowie die etwaige Kenntnis des Aufsichtsrats der vom Aufsichtsratsvorsitzer mit dem Beklagten vereinbarten Vertragsbedingungen und das Untätigbleiben des Aufsichtsrats nicht als Billigung dieser Bedingungen oder des alleinigen Handelns des Aufsichtsratsvorsitzers gewertet werden.

2. Die Revision hat aber recht, wenn sie die für das fehlerhafte Arbeitsverhältnis entwickelten Grundsätze auf den fehlerhaften Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds anwenden will und meint, daß die mit dem Beklagten getroffenen Vereinbarungen für die Zeit seiner Tätigkeit bei der G. als gültig zu behandeln sind.

Bei der Anerkennung eines fehlerhaften Arbeitsverhältnisses wird mit darauf abgestellt, daß ein Arbeitnehmer, der ohne wirksamen Vertrag eingestellt und tätig wird, dies mit Wissen und Willen des Arbeitgebers tut. In einem Fall der vorliegenden Art kann die Aktiengesellschaft keinen rechtserheblichen Willen haben, da sie beim Fehlen eines Aufsichtsratsbeschlusses nicht wirksam vertreten ist und der Aufsichtsrat seinen Willen nur durch Beschluß bilden kann. Die Kenntnis des Aufsichtsrats oder eines Aufsichtsratsmitglieds von der Einstellung des Vorstandsmitglieds reicht aber aus, um ein rechtserhebliches Wissen der Aktiengesellschaft zu begründen. Denn das Wissen schon eines Mitglieds des in der Angelegenheit vertretungsberechtigten Organs ist das Wissen der Gesellschaft (RG JW 1935, 2044; BGH WM 1955, 830, 832; 1956, 859; 1959, 81; 1959, 869). Das Wissen um die Einstellung eines Vorstandsmitglieds muß zur Anerkennung eines fehlerhaften Anstellungsverhältnisses genügen.

Wer auf Grund fehlerhaften Anstellungsvertrages als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft tätig wird, muß verpflichtet sein, bei seiner Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (§ 84 Abs. 1 Satz 1 AktG) und bei Verletzung seiner Obliegenheiten den hierdurch entstehenden Schaden nach Maßgabe des § 84 Abs. 2 und 5 AktG zu ersetzen. Wie jedes ordnungsgemäß angestellte Vorstandsmitglied muß er gehalten sein, über vertrauliche Angaben Stillschweigen zu bewahren (§ 84 Abs. 1 Satz 2 AktG). Er muß der Treupflicht und dem Wettbewerbsverbot § 79 AktG unterliegen. Nach Maßgabe des § 83 AktG muß er bei einem Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals zur unverzüglichen Einberufung der Hauptversammlung und bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zur Stellung des Konkursantrages verpflichtet sein. Ihn muß die strafrechtliche (§§ 294 ff AktG) und die steuerliche Verantwortlichkeit (§§ 103, 109 AbgO) treffen. Es ist unabweisbar, in allen diesen Hinsichten das fehlerhafte Anstellungsverhältnis ebenso zu behandeln, als ob ein gültiger Anstellungsvertrag vorläge. Das liegt nicht zuletzt im Interesse der Gesellschaft. Man kann einer Aktiengesellschaft, die jemanden ohne wirksamen Anstellungsvertrag als Vorstandsmitglied beschäftigt hat, unmöglich verwehren, auf Erfüllung der dem Anstellungsverhältnis eines Vorstandsmitglieds wesentlichen Pflichten zu bestehen, und dem Betreffenden nicht gestatten, sich bei einer Verletzung dieser Pflichten darauf zu berufen, der Anstellungsvertrag sei unwirksam. Dem berechtigten Interesse beider Teile wird dadurch genügt, daß das fehlerhafte Anstellungsverhältnis ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes beiderseits jederzeit gelöst werden kann.

Solange jemand als Vorstandsmitglied tätig und beschäftigt wird, muß er auch einen Anspruch auf Entlohnung haben. Das erfordern die erbrachte Dienstleistung und die damit verbundenen und übernommenen Pflichten.

Die Rückabwicklung eines jeden Dauerverhältnisses nach Bereicherungsgrundsätzen bereitet Schwierigkeiten. Die Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung eignen sich nicht für den Vergütungsanspruch eines ohne vertragliche Verpflichtung tätig gewordenen Vorstandsmitglieds. Das kann nicht wie beim sozial ahbängigen Arbeitnehmer, der ohne Arbeitsvertrag eingestellt worden und tätig geworden ist, damit begründet werden, sonst würden ihm der Lohnpfändungsschutz und das Konkursvorrecht des § 61 Nr. 1 KO genommen werden. Denn ein Vorstandsmitglied genießt diese Rechte nicht. Aber beim fehlerhaften Anstellungsverhältnis eines Vorstandsmitglieds läßt sich die Entlohnung nach den Bereicherungsvorschriften noch weniger sachgerecht bestimmen als beim fehlerhaften Arbeitsverhältnis eines sozial abhängigen Arbeitnehmers. Das zeigt sich schon daran, daß Dienste nicht zurückerstattet werden können und daß deshalb nur Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB) in Betracht kommt. Das zeigt sich erst recht daran, daß beim Arbeitsverhältnis nicht bloß Vermögenswerte, sondern auch in Geld nicht berechenbare Leistungen erbracht werden. Bei einem Vorstandsmitglied bestimmen derartige Leistungen in einem sehr erheblichen Umfang die Höhe der vereinbarten Vergütung. Man denke dabei nur an die Größe seiner Verantwortung und daran, daß seine Arbeitszeit und -leistung nicht nach Stunden, sondern nach seinen Aufgaben bemessen ist. Diese Faktoren lassen sich, je länger das Dienstverhältnis dauert, um so schwieriger bewerten und ausgleichen. Sie dürfen bei der Bemessung eines ohne Anstellungsvertrag tätig gewordenen Vorstandsmitglieds nicht unberücksichtigt bleiben. Das würde aber bei Anwendung der Bereicherungsvorschriften geschehen müssen, da sie den Ausgleich ohne rechtlichen Grund erbrachter Leistungen auf die beiderseits erhaltenen Vermögenswerte beschränken. Die Frage nach der Abgeltung rein tatsächlich erbrachter Vorstandsleistungen kann auch deshalb nicht mit den §§ 812 ff BGB gelöst werden, weil der Aktiengesellschaft gegenüber jemandem, den sie ohne oder ohne wirksamen Anstellungsvertrag beschäftigt, eine Fürsorgepflicht obliegen muß, und diese Pflicht es verbietet, den Ausgleich über die für die ungerechtfertigte Bereicherung maßgebenden Vorschriften zu suchen.

Es kommt nur entweder die angemessene oder die fehlerhaft vereinbarte Vergütung in Betracht.

Dem ohne wirksamen Vertrag beschäftigten sozial abhängigen Arbeitnehmer wird von Nikisch (Arbeitsrecht § 23 II 6 und III) der vereinbarte Lohn zugestanden, wenn der Fehler des Arbeitsvertrages die Lohnvereinbarung nicht betrift, anderenfalls die tarifvertragliche, die betriebsübliche oder die angemessene Vergütung.

Im vorliegenden Fall betrifft der beim Abschluß des Anstellungsvertrages begangene Fehler den Vertrag im ganzen, also auch die die Vergütung betreffenden Teile. Denn der Aufsichtsratsvorsitzende war ohne Beschlußfassung des Aufsichtsrats nicht in der Lage, ein Vorstandsmitglied anzustellen und ihm eine bestimmte Vergütung zu versprechen. Das kann jedoch nicht den Ausschlag geben.

Billigte man dem von einer Aktiengesellschaft ohne wirksamen Anstellungsvertrag beschäftigten Vorstandsmitglied für die Dauer seiner Tätigkeit die angemessene Vergütung zu, so müßte man nicht bloß seine vermögenswerten, sondern auch seine in Geld nicht berechenbaren Leistungen trotz aller sich hierbei ergebenden Schwierigkeiten sachgerecht berücksichtigen. Soweit die gezahlte Vergütung die angemessene übersteigt, müßte der Betroffene den Differenzbetrag zurückzahlen (§ 812 BGB). Nur der Teil der Bereicherung würde ihm verbleiben, der vor Aufdeckung des Vertragsmangels weggefallen ist (§§ 818 Abs. 3, 819 BGB). Die Rückzahlungspflicht würde das Vorstandsmitglied schwer treffen, möglicherweise sogar ruinieren, wenn es seine Lebenshaltung nach seinen Bezügen eingerichtet hat. Der einkommensbedingte Lebenszuschnitt kann durch die Interessen der Gesellschaft und durch Repräsentationspflichten geboten sein. Einem ohne Anstellungsvertrag beschäftigten Vorstandsmitglied müssen daher die gezahlten Entgelte belassen werden.

a) Das führt allerdings in einem Fall der vorliegenden Art dazu, daß für die Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der Wille des Aufsichtsratsvorsitzers allein maßgebend bleibt. Das ist ein Bedenken von einigem Gewicht, da die Gesellschaft bei Abschluß und Ausgestaltung des Anstellungsvertrages nicht ordnungsmäßig vertreten war und das fehlerhafte Anstellungsverhältnis gleichwohl so behandelt werden soll, als bestünde ein fehlerfreies Vertragsverhältnis. Aber die Gesellschaft kann, wenn sie glaubt, bei Anwendung der zugesagten Vergütung einen Schaden erlitten zu haben, den Aufsichtsratsvorsitzer wegen Überschreitung seiner Befugnisse in Regreß nehmen (§ 99 AktG). Das stößt zwar auf eine ähnliche Schwierigkeit, als wenn das angemessene Gehalt ermittelt werden müßte, bleibt aber auf die Fälle beschränkt, in denen die Gesellschaft den schuldigen Aufsichtsratsvorsitzer zur Verantwortung ziehen will und sich hiervon Erfolg verspricht. Die Möglichkeit dieser Inanspruchnahme mindert zugleich die Gefahr, daß ein Aufsichtsratsvorsitzer bei Abschluß und Ausgestaltung des Anstellungsvertrages eines Vorstandsmitglieds den Aufsichtsrat beiseite schiebt.

b) Nach der Rechtsprechung des Senats zu Klauseln, die einer Vorstandsbestellung oder den Anstellungsvertrag automatisch über die gesetzliche Höchstdauer (§ 75 Abs. 1 Satz 1 und 4 AktG) zu verlängern suchen, sind Bindungen, die die freie Entschließung des Aufsichtsrats bei der Bestellung und Anstellung von Vorstandsmitgliedern beeinträchtigen, mit der Regelung des § 75 AktG unvereinbar. Dieser Gesichtspunkt steht der Aufrechterhaltung des fehlerhaft Vereinbarten für die Zeit, während deren das eingestellte Vorstandsmitglied für die Gesellschaft tätig geworden ist, nicht entgegen; er kann nur für die Weiterbeschäftigung Bedeutung gewinnen. Insoweit kann der Aufsichtsrat in die Lage kommen, entweder, um den Betroffenen zu halten, die allein vom Aufsichtsratsvorsitzer getroffenen Vereinbarungen genehmigen zu müssen, oder nicht zu genehmigen und so eine im Vorstand bereits tätig gewordene, vielleicht wertvolle und nur schwer ersetzbare Kraft gehen zu lassen. Aber das ist eine Sachlage, die sich bei der vom Aufsichtsrat gewünschten Verlängerung eines wirksamen Anstellungsvertrages über die vereinbarte Zeit hinaus gleichfalls ergibt und mit der § 75 AktG rechnet.

c) Dagegen können bei der vom Senat vertretenen Ansicht nach schon kurzer Tätigkeitsdauer dem Vorstandsmitglied Vergütungen und Versorgungsrechte verbleiben, die der Aufsichtsratsvorsitzende nur in der Annahme einer längeren, dauerhaften Rechtsbeziehung zugestanden hat. Denn das Vorstandsmitglied, das den Mangel seines Anstellungsvertrages schon nach kurzer Tätigkeitszeit merkt, kann von dem Recht der jederzeitigen, grundlosen Aufgabe seiner Tätigkeit Gebrauch machen, ohne sich dem Vorwurf der unzulässigen Rechtsausübung auszusetzen.

Aber dieses Bedenken wird schwächer, je länger das ohne wirksamen Anstellungsvertrag beschäftigte Vorstandsmitglied tätig ist und muß zurücktreten, da das Vertrauen des eingestellten Vorstandsmitglieds in die Beständigkeit der erhaltenen Zahlungen und empfangenen sonstigen Bezüge Schutz verdient und dieser Gesichtspunkt dem Äquivalenzgedanken vorzuziehen ist.

III. Der Beklagte hat die umstrittenen 52.000 DM zwar erst erhalten, nachdem er bereits mehr als ein Jahr beurlaubt war. Aber er war für die G., wenn auch nur beratend, noch tätig. Die G. behandelte die Zeit der Beurlaubung gehaltlich so, wie die Zeit der vollen Beschäftigung des Beklagten. Der Fehler des Anstellungsvertrages wurde erst nach dem Ausscheiden des Beklagten aus den Diensten der G. entdeckt. Daher treffen die dargelegten rechtlichen Gesichtspunkte auf den eingeklagten Teilbetrag der Vorauszahlung der Versicherungssumme zu. Hierfür macht es keinen Unterschied, ob dem Beklagten die 52.000 DM als Teil seines Gehalts zuflössen oder seiner Altersversorgung dienten. Denn auch, soweit Versorgungsrechte bereits während der Beschäftigungszeit gewährt und Versorgungsbezüge schon bezahlt worden sind, ist das fehlerhafte Anstellungsverhältnis so zu behandeln, als bestünde ein fehlerfreies Vertragsverhältnis.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1776301

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