Leitsatz (amtlich)
Das in §50 Abs. a ADSp enthaltene Pfandrecht des Spediteurs wegen Förderungen gegen den Auftraggeber, die mit der Spedition des Gutes nicht zusammenhängen, ergreift nicht ein dem Auftraggeber nicht gehörendes Speditionsgut (abweichend von RGZ 113, 427 [429]; 118, 250 [252]).
Normenkette
BGB §§ 932, 1207; HGB §§ 366, 410; ADSp § 50 Abs. a
Verfahrensgang
KG Berlin (Entscheidung vom 27.01.1953) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 27. Januar 1953 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin lieferte gemäss Rechnung vom 2. Juli 1951 an die Firma Bekleidungs- und Uniformwerk Walter St. in B. unter Eigentumsvorbehalt einen Ballen Stoff. Mit Schreiben vom 7. August 1951 beauftragte diese die beklagte Speditionsfirma, den Stoffballen per Luftfracht an die Klägerin "aus Rechnung 1431 vom 2.7.1951 zurückzusenden". Die Beklagte übernahm die Ware, führte aber den Beförderungsauftrag nicht aus. Sie machte mit Schreiben vom 30. August 1951 an dem Stoff unter Berufung auf §50 der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) ein Pfandrecht für Forderungen gegen die Firma St. geltend. Diese schuldet nämlich der Beklagten aus anderen Speditionsaufträgen über DM 2.000,-, konnte aber ihre Schuld nicht bezahlen, wie sie der Beklagten bereits am 1. August 1951 mitgeteilt hatte.
Die Klägerin hat sich bereit erklärt, die aus dem Speditionsauftrag hinsichtlich dieses Ballens entstandene Forderung der Beklagten zu erfüllen, ist aber der Ansicht, dass der Beklagten wegen ihrer mit diesem Speditionsgeschäft nicht zusammenhängenden Forderungen gegen die Firma St. kein Pfandrecht zustehe. Sie verlangt Herausgabe des Stoffes Zug um Zug gegen Zahlung der der Beklagten gegen die Firma St. aus der Rücksendung der Ware erwachsenen Forderung.
Die Beklagte stützt ihren Klageabweisungsantrag auf ein Pfandrecht, das ihr gemäss §50 ADSp auch wegen ihrer inkonnexen Forderungen gegen die Firma St. zustehe. Sie trägt vor, sie habe die Firma St. für die Eigentümerin des Stoffes gehalten; zum mindesten könne man ihr den guten Glauben an die Befugnis der Firma St., über den Ballen für die Klägerin zum Zwecke der Beförderung zu verfügen, nicht absprechen.
Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Klägerin Eigentümerin des Stoffes ist. Hiergegen wird auch von der Revision kein Angriff erhoben. Ohne Rechtsverstoss nimmt das Berufungsgericht ferner an, dass für die Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten und der Firma St. die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen gelten. Es ist der Meinung, dass die Firma St. der Beklagten ein vertragliches Pfandrecht an dem im Eigentum der Klägerin stehenden Stoff auch für solche Forderungen bestellt habe, die mit der Beförderung des Gutes in keinem Zusammenhang standen, dass aber die Beklagte beim Erwerb des Pfandrechts nicht in gutem Glauben gewesen sei; weder die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb nach §932 BGB noch die nach §366 HGB lagen vor.
Der Senat hat in seinen Urteilen vom 19. Januar 1951, 3. Februar 1953 und 22. Januar 1954 (BGHZ 1, 83 [85 f]; 9, 1 [3]; 12, 136 [139, 142]) den Güterfernverkehrstarif und entsprechend auch die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen als eine "allgemein geregelte Vertragsordnung", eine "fertig bereit liegende Rechtsordnung" bezeichnet, die aber erst dann zur Anwendung kommt, wenn der in diese Rechtsordnung Eintretende sich ihr unterwerfe. Damit hat der Senat zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei den Spediteurbedingungen nicht um objektive, allgemein verbindliche Rechtsnormen handelt, da es bei diesen keiner Unterwerfung bedarf, sondern nur um eine allgemein festgelegte Vertragsgrundlage, die infolge beiderseitiger Unterwerfung unter ihre Bestimmungen Wirksamkeit erlangt (so das Urteil des erkennenden Senats vom 29. April 1952, BGHZ 6, 145 [147] hinsichtlich der Kraftverkehrsordnung). Die Spediteurbedingungen haben also die Bedeutung von allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Vertragsbestandteil werden, wenn sich der Auftraggeber ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden erklärt, ohne daß er freilich die Einzelheiten ihres Inhalts kennen muss. Da die Spediteurbedingungen keine objektive Rechtsnorm darstellen, ist das in §50 Abs. a vorgesehene Pfandrecht auch kein gesetzliches Pfandrecht (so dass auch die Anwendung des §366 Abs. 3 HGB ausscheidet), sondern ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht (§1205 BGB).
II.
Nach §50 Abs. a ADSp hat der Spediteur wegen aller fälligen und nicht fälligen Ansprüche, die ihm aus den im §2 Abs. a genannten Verrichtungen an den Auftraggeber zustehen, ein Pfandrecht und ein Zurückbehaltungsrecht an den in seiner Verfügungsgewalt befindlichen Gütern und sonstigen Werten. Mit Rücksicht auf die Vertragsfreiheit unterliegt es keinen Bedenken, dass das dem Spediteur nach §410 HGB zustehende gesetzliche Pfandrecht wegen seiner mit dem Speditionsvertrag zusammenhängenden Forderungen im Wege der Vereinbarung auf solche Ansprüche erweitert wird, die dem Spediteur gegen seinen Auftraggeber aus anderen mit seinem Speditionsgewerbe zusammenhängenden Geschäften zustehen, sofern das Speditionsgut dem Auftraggeber gehört.
Das Berufungsgericht geht nun aber stillschweigend davon aus, dass dem Pfandrecht nach §50 Abs. a ADSp auch die nicht im Eigentum des Auftraggebers befindlichen Güter unterlägen. Diese Ansicht vertritt auch das Reichsgericht in den Entscheidungen RGZ 113, 427 [429] und 118, 250 [252] (vgl. auch RGZ 113, 57 [61] und RG VerkR 1929 Sp 576). Der erkennende Senat, der die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen als typische Vertragsbestimmungen frei würdigen kann (vgl. BGHZ 8, 55 [56]), vermag dieser Rechtsauffassung nicht zu folgen.
Bei der Auslegung von allgemeinen Geschäftsbedingungen ist zu beachten, dass sie nicht für einen bestimmten Einzelfall aufgestellt sind, sondern die Vertragsgrundlage für eine unbestimmte, grosse Zahl von Einzelfälle in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bilden. Für ihre Auslegung sind daher nicht der Wille und die Absicht der Parteien des Einzelgeschäfts zu erforschen, vielmehr sind die unabhängig von der Gestaltung des Einzelfalles aus ihrem Inhalt auszulegen (BGHZ 7, 365 [368]). Es kommt also darauf an, wie die Erklärungen als der Ausdruck des Willens verständiger und redlicher Vertragspartner zu werten sind, die ihrem Geschäftsverkehr eine allgemeine Vertragsgrundlage geben wollen. Hierbei muss jedoch auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Auftraggeber den Inhalt der Geschäftsbedingungen im einzelnen nicht zu kennen braucht. Da es andererseits seines Unterwerfungswillens bedarf, kann sich sein Einverständnis nur auf solche Bedingungen beziehen, mit deren Aufstellung er billiger- und gerechterweise rechnen kann (RGZ 103, 84 [86]; RG JW 36, 2093).
Der Wortlaut des §50 Abs. a lässt nicht eindeutig erkennen, dass sich das Pfandrecht auch auf die dem Auftraggeber nicht gehörenden Gegenstände erstrecken soll. Nach dem Wortlaut soll der Spediteur nicht an "allen" in seiner Verfügungsgewalt befindlichen Gütern das Pfandrecht erwerben. Da das Pfandrecht für die dem Spediteur gegen den Auftraggeber zustehenden Ansprüche begründet werden soll, würde der Wortlaut nicht ausschliessen, dass sich das Pfandrecht nur auf die dem Auftraggeber gehörenden Speditionsgüter beziehen soll. Zuzugeben ist allerdings, dass für die gegenteilige Auffassung §50 b herangezogen werden kann, wo für einen Sonderfall die Eigentumsverhältnisse nur in beschränktem Umfang berücksichtigt werden.
Aber selbst wenn der Wortlaut völlig eindeutig wäre, müßte geprüft werden, ob ein Auftraggeber damit rechnen muss, dass nach den Spediteurbedingungen das Pfandrecht für inkonnexe Forderungen sich auch auf das ihm nicht gehörende Speditionsgut erstrecken soll. Nur wenn dies zu bejahen wäre, könnte seine Unterwerfungserklärung nach Treu und Glauben (§§133, 157 BGB) als Bestellung eines derartigen Pfandrechts auch für solche Güter aufgefaßt werden.
Die Begründung des rechtsgeschäftlichen Pfandrechts setzt nach §1205 BGB das Eigentum des Pfandbestellers voraus. Eine Ausnahme ergibt sich aus §1207 mit §§932, 934, 935 BGB, 366 Abs. 1 HGB. Das Gesetz schützt den guten Glauben des Pfanderwerbers, wenn der Pfandbesteller in irriger oder unredlicher Weise über fremdes Eigentum verfügt. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ist bei der Auslegung der Spediteurbedingungen von der Verständigkeit und Redlichkeit des Auftraggebers auszugehen. Ein verständiger und redlicher Auftraggeber wird aber zur allgemeinen Grundlage seiner Vertragsbeziehungen zu seinem Spediteur nicht die Vereinbarung machen wollen, dass für seine gesamten Schulden fremdes Gut haften soll, auch dann nicht, wenn er es irrig für eigenes hält. Die einseitige Berücksichtigung der Interessen des Spediteurs unter Mißachtung der Rechte eines Dritten wurde aber auch der Gerechtigkeit und Billigkeit widerstreben. Wohl hat das Gesetz bei Bestellung eines Pfandrechts an fremder Sache im Einzelfall zugunsten des gutgläubigen Erwerbers und zu Lasten des Eigentümers entschieden und nur einen gutgläubigen Erwerb des Pfandrechts an abhanden gekommenen Sachen ausgeschlossen. Maßgebend ist, daß der Eigentümer, der seine Sache einem anderen überlässt, diesem vertraut und sich daher auch an ihn halten soll, wenn dieser sein Vertrauen missbraucht. Dieser Gedanke versagt jedoch, wenn in allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Einzelheiten der Auftraggeber nicht zu kennen braucht, ein Pfandrecht an fremden Sachen vorgesehen ist. Hier würde der Auftraggeber unter Umständen über fremdes Eigentum verfügen, ohne daß er davon weiß und ohne daß er es will; hier ist es also durchaus nicht so, dass dem Spediteur ein ebenso schutzwürdiges oder sogar noch schutzwürdigeres Interesse zur Seite steht als dem dritten Eigentümer. Der Unterwerfungswille des Auftraggebers ist daher hinsichtlich der inkonnexen Forderungen nur bei den in seinem Eigentum stehenden Gütern anzunehmen. Hiernach ist §50 Abs. a ADSp dahin auszulegen, dass das Pfand an inkonnexen Forderungen nur an Sachen, die dem Auftraggeber gehören, als vereinbart anzusehen ist.
Selbst wenn aber der Wille des Auftraggebers, der mit einem Spediteur in laufender Geschäftsverbindung steht, wider Treu und Glauben allgemein dahin gehen sollte, dem Spediteur auch für fremdes Speditionsgut ein Pfandrecht für nicht zusammenhängende Forderungen zu bestellen, so würde eine solche allgemein getroffene Vereinbarung wegen Verstosses gegen die guten Sitten nichtig sein. Wenn Auftraggeber und Spediteur miteinander vereinbaren, daß am Speditionsgut ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse ein Pfandrecht bestellt werden soll, so widerspricht eine solche Vereinbarung dem Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (§138 BGB). Die Gültigkeit einer solchen Vereinbarung vermag auch nicht der Hinweis auf §§932, 1207 BGB, 366 Abs. 1 HGB herbeizufuhren, da diese Vorschriften nicht eine unsittliche Vereinbarung zwecks Verfügung über fremdes Eigentum, sondern den guten Glauben des Erwerbers an das Eigentum oder die Verfügungsberechtigung des Verpfänders schützen wollen. Auch die Anwendung des §826 BGB würde dazu führen, dass sich der Spediteur dem Eigentümer gegenüber nicht auf sein vermeintliches Pfandrecht berufen könnte. Überdies enthielte das Verlangen des Spediteurs, ihm ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse an allen Sachen, die in seine Verfügungsgewalt kommen, ein Pfandrecht für inkonnexe Forderungen zu bestellen, das Bewußtsein einer möglichen Schädigung fremden Eigentums, das von vornherein seinen guten Glauben ausschlösse.
Der Hinweis des Reichsgerichts (RGZ 113, 429) auf das gesetzliche Pfandrecht des §410 HGB überzeugt nicht. Das Reichsgericht meint, es handle sich - mindestens wirtschaftlich - nicht um die Begründung eines besonderen vertragsmässigen Rechtes, sondern nur um die Erweiterung des ohnehin kraft Gesetzes bestehenden Rechtes. In Wahrheit beruht das Pfandrecht nach §50 Abs. a ADSp nicht nur auf einer gänzlich anderen Rechtsgrundlage - hier Vertrag, dort Gesetz -, sondern auch rein wirtschaftlich gesehen liegt die Begründung eines besonderen vertragsmässigen Rechtes vor, da ein Pfandrecht für inkonnexe Forderungen das Gut in unübersehbarer Weise belastet, unter Umständen (wie im vorliegenden Fall) sogar über den Wert des Gutes hinaus. Zwar entspricht es dem redlichen Verkehr, dass der Eigentümer für die mit der Beförderung des Gutes zusammenhängenden Forderungen aufkommt, es kann ihm aber keinesfalls zugemutet werden, mit dem Gut für sonstige Schulden des Auftraggebers an den Spediteur einzustehen.
Auch der Hinweis auf die Regelung des gesetzlichen Pfandrechts des Kommissionärs im §397 HGB vermag die Ansicht des Reichsgerichts nicht zu stutzen. Während der Spediteur lediglich die Versendung des Gutes zu besorgen hat, räumt der Kommittent dem Kommissionär in der Regel eine viel weitergehende Vertrauensstellung ein; insbesondere wird dem Verkaufskommissionär die Sache zur Verwertung überlassen. In den besonders wichtigen Fällen der Verwahrung und des Einkaufs von Wertpapieren ist die Entstehung des gesetzlichen Pfandrechts an fremden Wertpapieren grundsätzlich ausgeschlossen (§§4, 30 des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren). Mit gutem Grund ist demnach das gesetzliche Pfandrecht des Spediteurs gegenüber dem des Kommissionärs auf die konnexen Forderungen beschränkt. Aus der gesetzlichen Regelung des Kommissionärpfandrechts an fremden Sachen lässt sich daher kein Argument für die Zulässigkeit der Bestellung eines vertraglichen Spediteurpfandrechts auf Grund allgemeiner Geschäftsbedingungen gewinnen.
Endlich vermag der Einwand nicht durchzuschlagen, daß derjenige, der einen anderen beauftragt oder ihm gestattet, ihm gehörige Sachen in den Beförderungsverkehr zu geben, damit rechnen muss, dass es Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen gibt, die die gesetzlichen Regeln sehr einschneidend ändern. Es würde jeder Lebenserfahrung widersprechen, hieraus auf eine Zustimmung des Eigentümers zu schliessen, dass seine Sache für fremde Schulden verpfändet werden dürfe, die mit der Beförderung seines Gutes nichts zu tun haben.
Bei dieser Rechtslage bedarf es keiner Prüfung der Ansicht des Berufungsgerichts, dass die konkreten Umstände des vorliegenden Falles die Beklagte als bösgläubig erscheinen liessen. Auf die Revisionsangriffe, die sich lediglich hierauf beziehen, braucht daher nicht eingegangen zu werden.
Da der Beklagten kein Pfandrecht zusteht, ist der Herausgabeanspruch der Klägerin begründet (§§985, 986 BGB). Die Revision war daher mit der Kostenfolge des §97 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018525 |
BGHZ 17, 1 - 7 |
BGHZ, 1 |
DB 1955, 531-532 (Volltext mit amtl. LS) |
NJW 1955, 1145 |
NJW 1955, 1145-1147 (Volltext mit amtl. LS) |
JZ 1955, 453 (amtl. Leitsatz) |
MDR 1955, 670 |
MDR 1955, 670-673 (Volltext mit amtl. LS) |