Leitsatz (amtlich)
War ein Verfolgter an einer Kommanditgesellschaft als Kommanditist beteiligt und mußte er seine bei dieser Gesellschaft ausgeübte Tätigkeit als Bürovorsteher und Prokurist aus Verfolgungsgründen aufgeben, so ist er wegen Verdrängung aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu entschädigen, wenn er die Tätigkeit auf Grund einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung als Beitrag zur Erreichung des Gesellschaftszwecks geleistet hatte.
Für die Einstufung in eine vergleichbare Beamtengruppe ist in diesem Fall maßgebend, welchen Betrag der Verfolgte von der Gesellschaft als Entgelt für die dem Unternehmen geleistete Arbeit erhalten hat, unabhängig davon, ob sie ihm unter der Bezeichnung Gehalt oder Gewinn gezahlt worden ist.
BEG §§ 75, 92; 3. DV-BEG § 12, AngestelltenversicherungsG (AVG) v. 28. Mai 1924, BGBl I 563, idF des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) v. 25. Februar 1960, BGBl I 93, §§ 94, 96, 97; Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika v. 29. Oktober 1954, BGBl 1956 II 488, Art. IV und Gesetz zu diesem Vertrag vom 7. Mai 1956, BGBl II 487.
Ein Verfolgter, der die Staatsangehörigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika besitzt, erhält eine Rente auf Grund des Angestelltenversicherungsrechts im Ausland wie ein deutscher Staatsangehöriger ausgezahlt.
Normenkette
BEG §§ 66, 76, 87; HGB §§ 161, 164
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 27.09.1960) |
LG Detmold (Urteil vom 04.03.1959) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm/Westf. vom 27. September 1960 aufgehoben, soweit die Klage abgewiesen und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Entschädigungskammer des Landgerichts in Detmold vom 4. März 1959 zurückgewiesen worden und soweit über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits entschieden ist. In diesem Umfang und zur Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Revision wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückgewiesen.
Das Verfahren des Revisionsrechtszuges ist frei von gerichtlichen Gebühren und Auslagen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die am 24. August 1898 geborene Klägerin ist jüdischer Abstammung. Sie studierte nach der Reifeprüfung Volkswirtschaft und erwarb den Doktorgrad. Danach war sie beim Arbeitsamt in Köln berufstätig, doch mußte sie ihre Tätigkeit wegen Erkrankung aufgeben. In der Zeit vom 1. April 1932 bis zum 25. September 1936 war sie als Bürovorsteherin und Prokuristin bei der Firma S. und G. KG in P. tätig. Dieses Unternehmen war ein Familienbetrieb, an dem die Klägerin als Kommanditistin beteiligt war. Nach ihren Angaben bezog sie ein Gehalt von monatlich 250–300 RM. Als Kommanditistin erhielt sie außerdem eine Gewinnbeteiligung von durchschnittlich 8 000 RM jährlich.
Am 26. September 1936 mußte die Klägerin infolge der sogenannten Arisierung des Unternehmens ihre Stellung als Angestellte aufgeben, auch verlor sie ihre Stellung als Kommanditistin. Im Juni 1937 wanderte sie in die Vereinigten Staaten von Amerika aus. Dort ist sie seit 1940 als Sozialfürsorgerin tätig.
Die Klägerin verlangt Entschädigung wegen Schadens im beruflichen Fortkommen. Die Entschädigungsbehörde hat ihr wegen Verdrängung aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit eine Kapitalentschädigung von 5 625 DM zuerkannt. Sie hat die Klägerin in die vergleichbare Beamtengruppe des gehobenen Dienstes eingereiht und einen Entschädigungszeitraum vom 25. September 1936 bis zum 31. Dezember 1942 zugrunde gelegt.
Mit der von ihr erhobenen Klage beansprucht die Klägerin für die Zeit vom 1. November 1953 an eine Rente von monatlich 600 DM und für die vorhergehende Zeit einen Betrag von 7 200 DM. Sie macht geltend, ihre Tätigkeit bei der Firma S. und G. sei eine selbständige gewesen, und sie sei in die vergleichbare Beamtengruppe des höheren Dienstes einzustufen. Eine ausreichende Lebensgrundlage habe sie niemals wiedererlangt.
Das Landgericht hat das beklagte Land verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 1. August 1958 an eine Rente von monatlich 155 DM zu zahlen, auf die die bereits gezahlte Kapitalentschädigung anzurechnen sei; die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen. Es hat angenommen, daß die Klägerin aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit verdrängt worden sei, und daß sie nicht über den gehobenen Dienst hinaus eingestuft werden könne, daß aber der Entschädigungszeitraum erst mit dem 31. Dezember 1944 ende.
Die Klägerin hat Berufung eingelegt und ihren früheren Antrag, soweit sie im ersten Rechtszug keinen Erfolg gehabt hat, wiederholt.
Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts teilweise geändert und das beklagte Land verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 1. August 1958 an eine Rente von monatlich 211 DM zu zahlen unter Anrechnung der bereits geleisteten Kapitalentschädigung von 5 625 DM und vorbehaltlich gesetzlich vorgeschriebener Kürzungen. Im übrigen hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Mit der Revision, die von dem erkennenden Senat zugelassen worden ist, verfolgt die Klägerin ihren Klagantrag, soweit das Oberlandesgericht ihm nicht stattgegeben hat, weiter.
Das beklagte Land hat sich im Revisionsrechtszug nicht vertreten lassen.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Klägerin aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit verdrängt worden sei. Als Kommanditistin der Steinberg und Grüneberg KG sei sie nach § 164 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen und nach § 170 HGB nicht zur Vertretung der Gesellschaft befugt gewesen. Sie sei als Kommanditistin nur Nutznießerin des ihr gehörigen Anteils im Gesellschaftsvermögen gewesen, insoweit habe sie durch die Verfolgung ausschließlich einen Vermögensschaden, nicht aber einen Schaden in der Nutzung der Arbeitskraft erlitten. Von ihrer Rechtsstellung innerhalb der Gesellschaft zu scheiden sei ihr Angestelltenverhältnis zur Gesellschaft als Bürovorsteherin mit Prokura, das eine unselbständige Tätigkeit auf Grund eines Dienstverhältnisses dargestellt habe. Die Kommanditgesellschaft als Dienstberechtigte und die Klägerin als ihre Dienstverpflichtete hätten diesem Dienstverhältnis alle Merkmale gegeben, die rechtlich erforderlich seien. Die Klägerin habe für ihre Arbeitsleistung ein Gehalt von monatlich 250–300 RM erhalten. Es seien für sie Sozialversicherungsbeiträge zur Angestelltenversicherung abgeführt worden. Das Dienstverhältnis sei auch arbeitsrechtlich als solches durch Eintragung in das Arbeitsbuch der Klägerin anerkannt worden. Auf diese rechtliche Gestaltung komme es an, nicht dagegen auf die wirtschaftliche Stellung der Klägerin. Das werde durch § 66 Abs. 2 BEG bestätigt, wonach nicht einmal der geschäftsführende Teilhaber einer Kapitalgesellschaft als selbständig Erwerbstätiger gelte, außer wenn er mehr als 50 % Anteil am Kapitalvermögen habe und damit auch rechtlich der allein maßgebenden Mann des Unternehmens sei.
Dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, daß die Frage der Selbständigkeit oder Unselbständigkeit einer Erwerbstätigkeit im Sinne des Entschädigungsrechts nicht nach wirtschaftlichen, sondern nach rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist (Urteile des Senats RzW 1957, 159 Nr. 36, 1960, 122 Nr. 23). Das Berufungsgericht hat jedoch die verschiedenen rechtlichen Möglichkeiten, die für die Gestaltung der Beziehungen zwischen einem Kommanditisten und der Kommanditgesellschaft bestehen, nicht umfassend genug gesehen und deshalb die Frage, in welchem Verhältnis die Klägerin zu dem Unternehmen stand, nicht erschöpfend geprüft.
Ausgangspunkt der Betrachtung muß sein, daß die Kommanditgesellschaft eine Personalgesellschaft ist, die keine eigene Rechtspersönlichkeit hat, daß vielmehr die Träger der Recht der Gesellschaft die Gesellschafter selbst einschließlich der Kommanditisten in ihrer Zusammenfassung zur Gesellschaft sind (RGZ 141, 277, 280). Es liegt insofern grundsätzlich anders als bei der Kapitalgesellschaft; aus der Bestimmung des § 66 Abs. 2 BEG kann deshalb in diesem Zusammenhang nichts hergeleitet werden. Die Vorschrift des § 164 HGB schließt es nicht aus, daß einem Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag das Recht und die Pflicht zur Geschäftsführung, auch im Zusammenhang mit der Erteilung einer Prokura, übertragen wird. Der Kommanditist tritt damit nicht gegenüber der Gesellschaft und den persönlich haftenden Gesellschaftern in das Abhängigkeitsverhältnis eines Dienstverpflichteten, sondern er übt in einem solchen Fall das Recht und die Pflicht zur Geschäftsführung in seiner Eigenschaft als Gesellschafter auf Grund einer vertraglichen Erweiterung seiner Gesellschaftsrechte und seiner Gesellschaftspflichten aus (BGHZ 17, 392, 394; vgl. auch RGZ 110, 418, 420 und OLG München SeuffArch 70 Nr. 113). Darüber hinaus wird regelmäßig im Steuerrecht die besondere Vergütung, die ein Kommanditist für seine im Interesse der Kommanditgesellschaft geleistete Arbeit bezieht, nicht als Arbeitslohn, sondern als gewerbliches Einkommen gewertet; eine Ausnahme ist im Steuerrecht nur für die Fälle einer ganz untergeordneten Stellung des Kommanditisten mit entsprechend niedrigere Vergütung, in der die Art der Tätigkeit die Wahrnehmung wichtiger Interessen der Gesellschaft nicht erlaubt, erwogen worden (RFH Steuer und Wirtschaft 1928 Nr. 185).
Andererseits ist es nicht ausgeschlossen, daß auch der Kommanditist sich in einem Angestelltenverhältnis gegenüber der Gesellschaft befindet, und daß seine Arbeit für sie sich als eine unselbständige Erwerbstätigkeit darstellt. Dem Reichsgericht war es noch fraglich erschienen, ob ein Dienstvertragsverhältnis zwischen dem Kommanditisten und der Kommanditgesellschaft überhaupt möglich sei (RGZ 110, 418, 420), und es hat sich bisher keine einheitliche Meinung darüber gebildet (verneinend Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts 6. Aufl. Bd. I, 42, 43, insbes. Fußn. 27, Dersch, RdA 1951, 212, 214, Dersch/Volkmar, ArbGG 6. Aufl. § 5 Anm. 102); überwiegend wird diese Frage jedoch mit Recht bejaht (LAG Bad-Württ/Mannheim, Betrieb 1960, 1159; Weipert in RGR RGB 2. Aufl. § 164 Anm. 14; Schlegelberger/Geßler HGB 5. Aufl. § 164 Randn. 16; Baumbach/Duden HGB 14. Aufl. § 164 Anm. A; Nikisch Arbeitsrecht 3. Aufl. I. Bd. 120 Fußn. 104; Dahne RdA 1951, 368, 370). Auch das Bundesarbeitsgericht hat es als möglich bezeichnet, daß innerhalb einer Vereinigung einzelne Mitglieder mit der Durchführung von Aufgaben betraut werden, die neben der Mitgliedschaft noch ein Arbeitsverhältnis entstehen lassen (NJW 1956, 647 Nr. 29). Entscheidend ist nach der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts, daß die arbeitsrechtlichen Beziehungen gelöst werden können, ohne daß die Mitgliedschaft als solche davon betroffen wird. Dieser Grundsatz ist von dem Bundesarbeitsgericht zwar in einem Fall der Mitgliedschaft in einem Eingetragenen Verein entwickelt worden. Molitor, dem freilich nicht beigetreten werden kann, wenn er meint, ein Kommanditist könne nur außerhalb des Gesellschaftsvertrages mit der Geschäftsführung beauftragt werden, will die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellte Regel aber auch bei Gesellschaften, die nicht juristische Personen sind, anwenden. Er umschreibt sie weiter dahin, daß ein Arbeitsverhältnis anzunehmen sei, wenn die auf Arbeit gerichtete Verpflichtung nicht in dem Gesellschaftsvertrag als gesellschaftsrechtliche Verpflichtung normiert sei (Betrieb 1957, 164). Das liegt auf der gleichen Linie wie der Satz, daß eine dem Kommanditisten im Gesellschaftsvetrag erteilte Geschäftsführungsbefugnis oder Prokura nur unter den Voraussetzungen des § 117 HGB entzogen werden kann (RGZ 110, 418, 421; BGHZ 17, 392, 395, dazu Schultze- v. Lasaulx MDR 1956, 152).
Im Rahmen des Entschädigungsrechts ist in Fällen der hier vorliegenden Art auch schon für die hier maßgebende Zeit von 1932 bis 1936 die selbständige von der unselbständigen Erwerbstätigkeit unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten abzugrenzen. Der Kommanditist ist selbständig erwerbstätig, wenn er seine Tätigkeit für die Gesellschaft auf Grund einer in dem Gesellschaftsvertrag oder einer nachträglichen, zum Bestandteil des Gesellschaftsvertrages getroffenen Zusatzvereinbarung als Beitrag zur Erreichung des Gesellschaftszwecks leistet. Eine unselbständige Erwerbstätigkeit liegt dagegen vor, wenn er auf Grund eines Anstellungsvertrages, der mit ihm wie mit anderen Angestellten abgeschlossen und von seiner Stellung als Gesellschafter losgelöst ist, arbeitet.
Es kommt also darauf an, ob die Klägerin zu ihrer Tätigkeit als Bürovorsteherin und Prokuristin bei der Gesellschaft, deren Kommanditistin sie war, durch den Gesellschaftsvertrag oder auf Grund eines von diesem unabhängigen Anstellungsvertrages verpflichtet wurde. Wenn ihre Arbeit auf eine nicht in den Gesellschaftsvertrag aufgenommene Vereinbarung, sondern ein zusätzliches, möglicherweise nicht einmal schriftlich getroffenes Abkommen zurückgeht, ist entscheidend, ob sich dieses Abkommen als ein Zusatz zum Gesellschaftsvertrag oder als ein eigener Anstellungsvertrag darstellt. War die zusätzliche Vereinbarung mit dem oder den Geschäftsführern und nicht allen Gesellschaftern getroffen, so kann das für einen Anstellungsvertrag sprechen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß den geschäftsführenden Gesellschaftern in Abweichung von den Regeln des § 116 Abs. 1, 2, § 161 Abs. 2 HGB (§ 109 HGB) die Befugnis, den Gesellschaftsvertrag durch Sondervereinbarungen über Arbeitsleistungen einzelner Gesellschafter für die Gesellschaft zu ergänzen, übertragen worden war (RGRK HGB 2. Aufl. § 116 Anm. 4; vgl. RGZ 136, 236, 243 und RGRK BGB 11. Aufl. § 710 Anm. 6). Eine mit der Klägerin nur von den Geschäftsführern in Ausübung dieser Befugnis getroffene Zusatzvereinbarung wäre ein Teil des Gesellschaftsvertrages geworden, und die daraufhin von der Klägerin in dem Unternehmen ausgeübte Tätigkeit wäre als selbständige zu bewerten. Sollte eine zum Gesellschaftsvertrag gehörende Vereinbarung den Grund für die Arbeit der Klägerin in dem Unternehmen als Bürovorsteherin und Prokuristin gebildet haben, so würde demgegenüber nicht entscheidend sein, daß ein festes Gehalt ausgemacht war, Beiträge zur Angestelltenversicherung abgeführt wurden und das Dienstverhältnis im Arbeitsbuch eingetragen war. Andererseits könnten diese Umstände dafür ins Gewicht fallen, daß es sich bei der Vereinbarung über die Arbeitsleistungen der Klägerin für die Gesellschaft und deren Vergütung um einen von dem Gesellschaftsvertrag unabhängigen Arbeitsvertrag handelte. Erst wenn der Sachverhalt unter diesen Gesichtspunkten erschöpfend geprüft ist, läßt sich sagen, ob die Klägerin im Sinne des Entschädigungsrechts eine selbständige oder eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat.
2. Das Berufungsgericht hat bei der von ihm vorgenommenen Einstufung der Klägerin in die vergleichbare Beamtengruppe des gehobenen Dienstes berücksichtigt, daß die Klägerin vor der Verfolgung als Angestellte ein Gehalt von monatlich 250–300 RM bezogen habe. Dieses Gehalt habe der üblichen Entlohnung einer Bürovorsteherin zu der damaligen Zeit entsprochen. Gemessen an den Gehältern ihres Bruders, der der Geschäftsführer des Unternehmens gewesen sei, und ihrer Schwester, die Abteilungsleiterin und Einkäuferin gewesen sei, von monatlich 750 RM und 450 RM sei das Einkommen der Klägerin als Bürovorsteherin ebenfalls im Verhältnis zu ihrer Arbeitsleistung angemessen gewesen. Dieser Gehalt erlaube aber entsprechend § 14 3. DV-BEG in Verbindung mit der Anlage 3 zur 3. DV-BEG nur eine Einstufung in den mittleren Dienst. Die akademische Ausbildung der Klägerin, die bei Verfolgungsbeginn bereits im 39. Lebensjahr gestanden habe, und bei der ein Wechsel in ein fremdes Unternehmen kaum noch in Betracht gekommen sei, sei nur von Bedeutung, wenn sie später in dem Familienunternehmen entsprechend honoriert worden wäre. Das werde zugunsten der Klägerin unterstellt. Damit seien auch die künftigen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 5 BEG erschöpfend berücksichtigt, so daß dahingestellt bleiben könne, ob sie Berufsanfängerin gewesen sei oder nicht. Eine höhere Einstufung als in den gehobenen Dienst komme aber dann nicht in Betracht.
Auch bei der Prüfung der Einstufung der Klägerin in eine vergleichbare Beamtengruppe hat das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt.
In diesem Zusammenhang darf ebenfalls nicht unbeachtet bleiben, daß die Klägerin ihre Tätigkeit in der Gesellschaft ausübte, an der sie als Kommanditistin beteiligt war. Sollte es sich um eine selbständige Erwerbstätigkeit gehandelt haben, so wäre das von ihr bezogene Gehalt als solches überhaupt ohne Bedeutung. Es wäre dann vielmehr zu fragen, welcher Teil der gesamten Beträge, die sie von der Kommanditgesellschaft erhielt, mochten diese ihr unter der Bezeichnung Gehalt oder Gewinn gezahlt sein, sich als Entgelt für die in dem Unternehmen geleistete Arbeit darstellte. Von den von der Klägerin insgesamt bezogenen Einkünften wäre der Betrag abzusetzen, den sie üblicherweise als Ertrag ihrer Kapitaleinlage erzielt hätte; das verbleibende Einkommen würde dann für die Einstufung maßgebend sein (Urteile des Senats RzW 1960, 136 Nr. 40, 373 Nr. 29).
Aber auch wenn die Klägerin in dem Unternehmen unselbständig erwerbstätig war, ist zu prüfen, ob das ihr ausgesetzte Gehalt wirklich das einzige Arbeitsentgelt war, oder ob nicht etwa in dem von ihr bezogenen Gewinnanteil in Wahrheit auch noch eine Vergütung für die von ihr dem Unternehmen gewidmete Arbeit steckte. Es ist nicht ausgeschlossen, daß aus irgendwelchen Gründen als „Gehalt” für die Arbeit lediglich ein Betrag ausgewiesen wurde, der niedriger war als die Vergütung, die die Klägerin tatsächlich für ihre Arbeit erhielt. In diesem Zusammenhang kann der Vortrag der Klägerin von Bedeutung sein, aus privaten, von ihr aber nicht näher angegebenen Gründen sei sie die einzige Familienangestellte gewesen, die ein geringes Gehalt bezogen habe.
Sollte als Vergütung für die Arbeit der Klägerin in unselbständiger Erwerbstätigkeit nur der Betrag in Betracht kommen, den sie unter der Bezeichnung Gehalt erhielt, so würde allerdings auch in Anwendung des § 30 Abs. 2 3. DV-BEG eine Einstufung über den gehobenen Dienst auf Grund der bisher getroffenen Feststellungen nicht in Betracht kommen. Denn das Berufungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, daß das Gehalt der Klägerin der üblichen Entlohnung einer Bürovorsteherin entsprochen habe. Unter diesen Umständen käme es nicht darauf an, in welchem Verhältnis ihr Gehalt zu den Bezügen anderer an dem Unternehmen tätiger Familienmitglieder stand. Angebracht könnte es jedoch sein, nachzuprüfen, ob das für die Klägerin ausgesetzte Gehalt auch dann angemessen war, wenn man berücksichtigt, daß die Klägerin nicht nur Bürovorsteherin war, sondern auch Prokura hatte. In diesem Zusammenhang könnte es von Bedeutung sein, ob es sich dabei nur um eine Übertragung der Prokura aus mehr formalen Gründen handelte, oder ob sie neben den Aufgaben der Bürovorsteherin auch die Aufgaben einer Prokuristin erfüllte.
Wenn das der Klägerin ausgesetzte Gehalt angemessen war, so ist die Annahme des Berufungsgerichts unangreifbar, daß die Klägerin als unselbständig Erwerbstätige entsprechend ihrer sich aus dem Einkommen ergebenen wirtschaftlichen Stellung nach § 14 Abs. 1, § 30 Abs. 1 3. DV-BEG in Verbindung mit der Anlage 3 zur 3. DV-BEG in den mittleren Dienst einzureihen sei, daß aber ihre akademische Ausbildung mit der Aussicht, sie könne in dem Familienunternehmen später eine entsprechende Vergütung erhalten, die Einstufung in den gehobenen Dienst rechtfertige. Die Berücksichtigung der sich aus der Vorbildung ergebenden Aussichten erfolgt in diesem Fall aber nicht nach § 76 Abs. 1 Satz 5 BEG, vielmehr handelt es sich dabei um die Heranziehung der Berufsausbildung nach Maßgabe des § 76 Abs. 1 Satz 3 BEG (Urteil des Senats RzW 1958, 270 Nr. 35). Auch eine akademische Vorbildung nötigt nicht ausnahmslos zur Einreihung in den höheren Dienst. Wenn das Berufungsgericht unter den gegebenen Umständen, da ein Wechsel der Klägerin in ein fremdes Unternehmen kaum noch in Betracht gekommen sei, wegen der durch die Ausbildung geschaffenen Berufsaussichten keine höhere Einstufung als in den gehobenen Dienst für angebracht hält, so liegt das auf dem Gebiet der tatsächlichen Würdigung der Verhältnisse.
3. Falls die Klägerin unselbständig erwerbstätig war, so hängt die Höhe der von ihr beanspruchten Rente von der Höhe der ihr zustehenden Kapitalentschädigung ab (§ 93 BEG, § 33 3. DV-BEG). Es kommt dann auf die Dauer des Entschädigungszeitraums und damit für dessen Ende darauf an, wann die Klägerin aus ihrer Erwerbstätigkeit in den Vereinigten Staaten eine ausreichende Lebensgrundlage erlangt hat (§ 75 Abs. 1, 2, § 92 Abs. 1 BEG, §§ 12, 29 3. DV-BEG). Das Berufungsgericht hat das von der Klägerin in der Währung der Vereinigten Staaten erzielte Einkommen auf der Grundlage der von ihm korrigierten Kaufkraftmittelwerte, die das Statistische Bundesamt für allgemeine Zwecke veröffentlicht hat, in die deutsche Währung umgerechnet. Das Berufungsgericht ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Einkünfte der Klägerin seit dem 1. Januar 1948 nachhaltig das Vergleichseinkommen erreicht hätten und die Klägerin seit diesem Zeitpunkt wieder eine ausreichende Lebensgrundlage habe.
In dem Urteil vom 2. Mai 1962 IV ZR 247/61 hat der erkennende Senat jedoch ausgeführt, daß die erforderliche Korrektur der Kaufkraftmittelwerte nicht auf Grund einer so freien Schätzung erfolgen kann, wie sie das Berufungsgericht in dem damaligen ebenso wie in dem vorliegenden Rechtsstreit vorgenommen hat. Es muß damit gerechnet werden, daß der sich ergebende Kaufkraftsschlüssel für die Verfolgten etwas ungünstiger ist, falls er auf der Grundlage der Gutachten von Sachverständigen, etwa auf der Grundlage des von dem Statistischen Bundesamt im März 1961 unter Berücksichtigung der besonderen Erfordernisse des Entschädigungsrechts erstatteten Gutachtens, ermittelt wird.
4. Bei der Prüfung, wann der Entschädigungszeitraum endet, hat das Berufungsgericht dem sich aus der Anlage 1 zur 3. DV-BEG ergebenden Vergleichseinkommen, dem die Einkünfte der Klägerin gegenüberzustellen seien, den in § 12 Abs. 2 3. DV-BEG vorgesehenen Versorgungszuschlag nicht hinzugerechnet.
Es kann auch mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin einen Anspruch aus der deutschen Sozialversicherung auf Altersrente hat, die an sie in den Vereinigten Staaten auszuzahlen ist. Nach dem angefochtenen Urteil sind für die Klägerin Beiträge zur Angestelltenversicherung entrichtet worden; zusammen mit den nach § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG anzurechnenden Ersatzzeiten ist jedenfalls die Wartezeit erfüllt (§ 25 Abs. 4 AVG). Nach Art. IV Nr. 2 Buchst. b des von dem Berufungsgericht herangezogenen mit den Vereinigten Staaten von Amerika geschlossenen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages vom 29. Oktober 1954 (Gesetz vom 7. Mai 1956, BGBl II, 487, 488) ist die Klägerin, die, wenn ihren Angaben gefolgt wird, die Staatsangehörigkeit der Vereinigten Staaten besitzt, hinsichtlich der Anwendung der deutschen Gesetze über soziale Sicherheit, die ohne Nachprüfung der Bedürftigkeit Leistungen bei Alter vorsehen, wie ein Inländer zu behandeln. Auch dann, wenn die Klägerin nicht frühere deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG sein sollte, wird ihr als Angehöriger der Vereinigten Staaten mithin die Rente für Zeiten des Aufenthalts im Ausland gezahlt, soweit die Rente auf die im Geltungsbereich des Angestelltenversicherungsgesetzes zurückgelegten Versicherungsjahre entfällt, ohne daß es einer Ermessensentscheidung des Versicherungsträgers über die Zahlung im Ausland bedarf (§§ 96, 97 AVG); die Klägerin hat aber die Versicherungsjahre in Paderborn, als innerhalb dieses Geltungsbereichs, zurückgelegt. Soweit in früheren Entscheidungen des Senats für Verfolgte mit der Staatsangehörigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika eine andere Auffassung vertreten worden ist, wird daran nicht festgehalten.
Da der Klägerin die Rente auszuzahlen ist, hat das Berufungsgericht auch mit Recht nicht den in § 92 Abs. 2 BEG vorgesehenen Zuschlag zur Kapitalentschädigung eingesetzt.
Die Versorgung ist im Sinne des § 12 Abs. 2 3. DV-BEG jedoch nur dann ausreichend sichergestellt, wenn die Klägerin mindestens die in der Anlage 5 zur 3. DV-BEG angegebenen Beträge erhält, die sie als Rente bekommen würde, falls sie aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit verdrängt worden wäre. Dabei sind die aus der deutschen Sozialversicherung gezahlten Beträge mit dem Nennbetrag anzusetzen. Die erhöhten Belastungen, die für einen ausgewanderten Verfolgten bestehen, der sich im Aufnahmeland eingliedern mußte, sowie sonstige im Einzelfall auftretende erhöhte Bedürfnisse können es rechtfertigen, darüber hinaus die Versorgung erst als sichergestellt anzusehen, wenn die anderweitig bezogenen Versorgungsleistungen die Rentenbeträge der Anlage 5 zur 3. DV-BEG um ein bestimmten Maß überschreiten (Urteile des Senats RzW 1961, 554 Nr. 20 sowie vom 18. Oktober 1961 IV ZR 110/61).
Ob die Versorgung, die die Klägerin bekommt, hinreichend ist, hat das Berufungsgericht nicht geprüft. Erhält die Klägerin nur dann eine genügende Versorgung, wenn sie sich zusätzlich zu der Rente aus der deutschen Sozialversicherung eine weitere Altersrente verschafft hat, etwa durch Zahlung von Beiträgen an die Social Security, so ist das Vergleichseinkommen nach § 12 Abs. 2, § 29 3. DV-BEG zu erhöhen.
5. Ein sich für die Klägerin ergebender Rentenanspruch würde nicht ausgeschlossen sein, wenn die Klägerin in dem wegen der Entziehung des Geschäfts anhängig gemachten Rückerstattungsverfahren auch einen Ausgleich für den von ihr erlittenen Berufsschaden erhalten haben sollte. Zwar kommt das Rentenrecht nicht in Betracht, wenn der Anspruch auf die Kapitalentschädigung, an deren Stelle die Rente tritt, nach § 75 Abs. 3 BEG in vollem Umfang entfällt (Urteil des Senats vom 13. Juni 1962 IV ZR 18/62); hier aber kann der Anspruch auf die Kapitalentschädigung nicht mehr in Zweifel gezogen werden, da die Entschädigungsbehörde der Klägerin unanfechtbar eine solche Entschädigung zuerkannt hat.
6. Nach alledem muß das angefochtene Urteil, soweit die Klage abgewiesen und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen ist, aufgehoben werden; in diesem Umfang ist der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Auch die Entscheidung des Berufungsgerichts über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits kann nicht bestehen bleiben. Über diese Kosten soweit über die außergerichtlichen Kosten der Revision wird das Berufungsgericht ebenfalls neu befinden müssen.
Angebracht wird es sein, daß die Klägerin in den Antrag, den sie vor dem Berufungsgericht nunmehr zu stellen haben wird, ausdrücklich die durch Verordnung eingeführten Rentenerhöhungen aufnimmt. Es ist anzunehmen, daß sie auch diese Erhöhungen geltend machen will.
Unterschriften
Raske, Johannsen, Wüstenberg, Bundesrichter Wilden ist erkrankt und deshalb verhindert zu unterschreiben Raske, Dr. Loewenheim
Fundstellen