Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Verjährung des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszuges.
Normenkette
HGB § 87c Abs. 2, § 88
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.11.1978) |
LG Darmstadt (Urteil vom 21.06.1977) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. November 1978 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es der Berufung der Beklagten stattgegeben hat.
Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt mit dem Sitz in Offenbach am Main vom 21. Juni 1977 wird auch insoweit zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufungs- und der Revisionsinstanz zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der am 23. März 1970 verstorbene Dr. Ernst S. vermittelte für die Beklagte aufgrund einer mit dieser getroffenen Vereinbarung mit Geschäftspartnern in Bulgarien den Abschluß von Kaufverträgen über Maschinen. S. hatte mit der Beklagten die Zahlung von Provision und Vertrauensspesen vereinbart; der Provisionsanspruch sollte erst fällig werden, wenn der Vertragspartner der Beklagten den Kaufpreis vollständig gezahlt hatte.
Die Witwe hat als Alleinerbin sämtliche Nachlaßforderungen an den Kläger abgetreten, der mit der am 31. Dezember 1976 bei Gericht eingegangenen Stufenklage Ansprüche auf Zahlung von Provision geltend macht.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, einen Buchauszug über alle Geschäfte zu erteilen, die von ihr unter Mitwirkung von S. in Bulgarien abgeschlossen worden sind und deren Schlußzahlung nach dem 1. Januar 1972 erfolgt ist.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Davon abgesehen seien erst längere Zeit nach dem Tod des S. abgeschlossene Verträge nicht mehr auf dessen frühere Tätigkeit zurückzuführen.
Das Landgericht hat durch Teilurteil vom 21. Juni 1977 die Beklagte antragsgemäß zur Erteilung des Buchauszuges verurteilt.
In der Berufungsinstanz hat der Kläger hilfsweise beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, ob Verträge aufgrund im einzelnen benannter Angebote zustande gekommen und wann und in welcher Höhe die Schlußzahlungen fällig geworden sind.
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen, soweit die Verträge vor dem 1. Januar 1972 abgeschlossen worden sind. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Nach der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges (§ 87 c Abs. 2 HGB) verjährt (§ 88 HGB), soweit es um Provisionen aus Verträgen geht, die vor dem 1. Januar 1972 abgeschlossen worden sind. Dazu führt das Berufungsgericht im einzelnen aus (BU 8), der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges entstehe zugleich mit dem Anspruch auf Abrechnung über die Provision. Die Beklagte habe unverzüglich nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses Abrechnung erteilen müssen. Das Vertragsverhältnis sei spätestens am 27. März 1970 mit dem Tod des S. beendet worden. Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges sei folglich für alle bis dahin bereits abgeschlossenen Verträge an diesem Tag, für alle später abgeschlossenen Verträge mit deren Abschluß fällig geworden.
Daß die Provisionsansprüche aus diesen Verträgen erst später, nämlich durch Zahlungen der Geschäftspartner der Beklagten nach dem 31. Dezember 1971 fällig gewesen seien, ändere an der schon zu diesen früheren Zeitpunkten eingetretenen Fälligkeit des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszugs nichts. Dieser Anspruch sei demnach verjährt, soweit er Verträge betreffe, die vor dem 1. Januar 1972 abgeschlossen worden seien. Denn für den Anspruch auf einen Buchauszug hinsichtlich aller bis Ende 1971 abgeschlossenen Verträge sei die vierjährige Verjährungsfrist des § 88 HGB Ende des Jahres 1975 abgelaufen und habe nicht mehr durch die Ende des Jahres 1976 erhobene Klage unterbrochen werden können. Sei der Anspruch auf den Buchauszug verjährt, nicht dagegen der Provisionsanspruch, so sei dem Handelsvertreter nur die Möglichkeit genommen, sich auf vereinfachte Weise die Grundlagen für die Feststellung und Begründung seines Provisionsanspruchs zu beschaffen, während der Provisionsanspruch unberührt bleibe. Während ein Fortbestehen des Anspruchs auf einen Buchauszug über den Provisionsanspruch hinaus sinnlos wäre, bestehe ein derartiges gegenseitiges zwingendes Abhängigkeitsverhältnis nicht, soweit der Anspruch auf einen Buchauszug früher verjähre (BU 10).
II. Die gegen diese Ausführungen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Auskunftsansprüche des Handelsvertreters (§ 87 c HGB) der vierjährigen Verjährung nach § 88 HGB unterliegen, daß ferner ein einheitlicher Verjährungszeitpunkt dieser Ansprüche nicht angenommen werden kann, weil diese Ansprüche von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig sind und die Verjährung nicht beginnen kann, solange der maßgebliche Auskunftsanspruch weder entstanden noch fällig geworden ist (vgl. Senatsurteile vom 1.12.78 – I ZR 7/77 NJW 79, 764 und vom 31.1.79 – I ZR 8/77 WM 79, 463). Dem Berufungsgericht kann auch darin gefolgt werden, daß nach Beendigung des Vertragsverhältnisses der Unternehmer über alle zu diesem Zeitpunkt abgeschlossenen und provisionspflichtigen Geschäfte unverzüglich abrechnen muß (vgl. Schröder, 5. Aufl., Rdn. 2 e zu § 87 c HGB; Küstner, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band I, Rdn. 578); zum selben Zeitpunkt hat der Handelsvertreter einen Anspruch auf einen Buchauszug über alle Geschäfte, für die ihm nach § 87 HGB Provision gebührt (§ 87 c Abs. 2 HGB). Fehlsam ist aber die Folgerung des Berufungsgerichts (BU 8), der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges sei folglich für alle bis zur Vertragsbeendigung (27. März 1970) bereits abgeschlossenen Verträge an diesem Tag, für alle später abgeschlossenen Verträge mit deren Abschluß fällig geworden und zwar jeweils unabhängig vom Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Abwicklung und damit von der Fälligkeit der Provisionsansprüche; Ansprüche auf Erteilung von Buchauszügen seien daher verjährt, soweit die Verträge vor dem 1. Januar 1972 zustande gekommen seien.
Der Buchauszug muß alle aus den Büchern des Unternehmers ersichtlichen Angaben enthalten, die für die Berechnung der Provision des Handelsvertreters von Bedeutung sein können; denn nur dann kann sein Zweck erfüllt werden, dem Handelsvertreter über seine Provisionsansprüche Klarheit zu verschaffen und ihm eine Nachprüfung der Provisionsabrechnung zu ermöglichen (vgl. BGH v. 20.2.64 – VII ZR 147/62 LM Nr. 4 a zu § 87 c HGB). Der Anspruch kann auch noch später und nicht nur bei der Abrechnung geltend gemacht werden, solange Unternehmer und Handelsvertreter sich über die Abrechnung nicht geeinigt haben (BGH Urteil vom 13.3.61 – VII ZR 35/60 LM Nr. 3 zu § 87 c HGB); eine dem Gesetz entsprechende Abrechnung hat die Beklagte dem Kläger bisher nicht erteilt, auch eine Einigung über die Provisionen liegt nicht vor. Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs besteht für jeden einzelnen Provisionsanspruch.
Im Streitfall wurden nach der Vereinbarung die Provisionen jeweils erst fällig, wenn das einzelne Geschäft durch Schlußzahlung des Kaufpreises vollständig abgewickelt war. Es konnte demnach auch eine vollständige und abschließende Abrechnung hinsichtlich jedes einzelnen Geschäfts erst nach der Schlußzahlung des Kunden erfolgen, gleich ob das Vertreterverhältnis inzwischen beendet war oder nicht (vgl. Küstner a.a.O. Rdn. 579). Das Gleiche gilt für den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges, der die Abrechnung erleichtern und sichern soll; auch er wurde erst mit der Schlußzahlung des Kunden möglich und durchsetzbar und damit der Verjährung zugänglich.
Dieses Ergebnis entspricht dem Grundsatz, daß die Verjährung eines Anspruchs zu Lasten des Berechtigten nicht beginnen kann, solange dieser nicht in der Lage ist, den Anspruch geltend zu machen und eine bereits laufende Verjährung durch Klageerhebung zu unterbrechen (BGHZ 55, 340, 341, 342). Erst nach der Schlußzahlung des Kunden war der Handelsvertreter in der Lage, vom Unternehmer den zur Geltendmachung seines Provisionsanspruchs erforderlichen vollständigen Buchauszug zu verlangen und notfalls Klage zu erheben. Da der Kläger Buchauszüge nur hinsichtlich von Geschäften verlangt, bei denen die Schlußzahlungen nach dem 1. Januar 1972 geleistet worden sind, ist demnach keine Verjährung eingetreten; durch die am 31. Dezember 1976 bei Gericht eingegangene Klage ist die Verjährung hinsichtlich dieser Ansprüche unterbrochen worden.
Die Klage ist daher in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang begründet.
III. Das Berufungsurteil war demnach teilweise aufzuheben und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten auch im übrigen das landgerichtliche Urteil wieder herzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
v. Gamm, Alff, Merkel, Piper, Erdmann
Fundstellen
NJW 1981, 457 |
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