Leitsatz (amtlich)
Der Ausgleichsanspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Vertragsaufhebung auf Initiative des Handelsvertreters zurückgeht.
Normenkette
HGB § 89b Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 09.02.1967) |
LG Duisburg |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 9. Februar 1967 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war für die Beklagte vom 15. April 1961 bis zum 31. Dezember 1965 als Bezirksvertreter für die Kreise B., E., M., Ba. und W. tätig. Am 20. November 1965 schrieb er an die Beklagte unter Hinweis darauf, daß er wegen mangelnder Konzentrationsfähigkeit nicht mehr Auto fahren könne, er sehe sich leider dazu gezwungen, den Vertretervertrag nicht mehr erfüllen zu können, er möchte um Verständnis für seine Lage bitten, der Rückäußerung der Beklagten sehe er gerne entgegen. Die Beklagte teilte ihm am 25. November 1965 mit:
„Da Sie weiterhin zum Ausdruck bringen, daß sie den Vertretervertrag nicht mehr erfüllen können, werten wir Ihr Schreiben vom 20. ds. Mts. als Vertragskündigung und nehmen diese, wenn auch mit Bedauern, per 31. Dezember 1965 an”.
Darauf erklärte sich der Kläger nicht.
Er begehrt einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Ausgleich gemäß § 89 b HGB. Die Beklagte leugnet den Anspruch, da der Kläger selbst gekündigt habe, die Zuerkennung nicht der Billigkeit entspreche und ihr zudem aus der Tätigkeit des Klägers nach deren Beendigung keine erheblichen Vorteile erwachsen seien.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 1.500 DM verurteilt. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen.
Die Revision des Klägers erstrebt die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Der Kläger war als Handelsvertreter für die Beklagte tätig. Das Handelsvertreterverhältnis ist beendet worden. Der Kläger hat daher unter den Voraussetzungen des § 89 b Abs. 1 HGB einen Ausgleichsanspruch, wenn nicht die Ausschlußvorschrift des § 89 b Abs. 3 HGB eingreift; denn der Ausgleichsanspruch besteht grundsätzlich in allen Fällen der Beendigung (vgl. BGHZ 24, 214 zum Tod des Handelsvertreters; 41, 129 zum tödl. Unfall und 45, 385 zum Selbstmord des Handelsvertreters).
Nach § 89 b Abs. 3 Satz 1 HGB besteht der Ausgleichsanspruch nicht, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, ohne daß ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlaß gegeben hat. Das Berufungsgericht meint, einer solchen Kündigung sei der Fall gleichzusetzen, daß die Auflösung des Vertrages auf die Initiative des Handelsvertreters zurückgehe, zumal dann, wenn sie aus Gründen erfolgt sei, die in seiner Person lagen.
Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden.
1.) Das Berufungsgericht folgt einer im Schrifttum vertretenen Meinung (vgl. Brüggemann, Großkommentar HGB, § 89 b Anm. 23; Schröder, Recht des Handelsvertreters, 3. Aufl. Anm. 28 zu § 89 b HGB; KTS, 1960, 148, 149; Betrieb 1962, 895, 896; Sieg, Die Aktiengesellschaft, 1964, 293, 296). Das vom Berufungsgericht genannte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Oktober 1960 (VersR 1960, 1111) betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt. Das verkennt auch das Berufungsgericht nicht. Dort ging es eindeutig um eine Kündigung durch den Handelsvertreter, die den Ausgleichsanspruch ausschloß. Das beklagte Unternehmen war nur darauf eingegangen, die Kündigung zu einem früheren als dem vertraglich zulässigen Zeitpunkt gelten zu lassen. Auf dieses Urteil des Bundesgerichtshofs kann daher die von den genannten Autoren vertretene Meinung nicht gestützt werden (vgl. Anm. von Küstner zu dem Urt. des LG Zweibrücken vom 10.5.1967, Rundschau für Vertreter-Recht, 1968, 200, 202, 219).
2.) § 89 b Abs. 3 stellt eine abschließende Regelung für den Ausschluß des Ausgleichsanspruches dar. Die Bestimmung ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Sie ist der erweiternden Anwendung auf andere Tatbestände nicht zugänglich.
Für eine entsprechende Anwendung der Bestimmung des § 89 b Abs. 3 Satz 1 HGB besteht, wenn keine Kündigung vorliegt, kein begründeter Anlaß. Im Rahmen der Billigkeitserwägungen des § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB ist genügend Raum, die Gründe, die zur Beendigung des Vertragsverhältnisses geführt haben, zu berücksichtigen. Das bat der Senat bereits mehrfach ausgesprochen (BGHZ 41, 129, 131; 45, 385, 387). Daran ist festzuhalten.
3.) Daraus folgt, daß mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung der Ausgleichsanspruch nicht versagt werden kann. Wenn es zu einer einverständlichen Beendigung des Vertrages kommt, dann ist ein Ausgleichsanspruch gegeben, sofern die Voraussetzungen des § 89 b Abs. 1 HGB vorliegen. (BGH VersR 1963, 556; OLG Nürnberg BB 1959, 318; Baumbach-Duden, 18. Aufl. Anm. 2 A zu § 69 b HGB; Küstner, Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, 2. Aufl. Rdn. 63, 81, 301; Ebensten BB 1964, 271, 274, Schuler JR 1957, 44, 45).
4.) Das gilt auch, wenn der Anstoß zur einverständlichen Beendigung des Vertreterverhältnisses vom Kläger ausgegangen ist.
Die Gründe, die zur Beendigung des Vertrages geführt haben, sind bei der Prüfung der Billigkeit nach § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 29, 275, 280; 41, 129, 131; LM Nr. 5 zu § 89 b HGB; VII ZR 235/59 vom 21.11.1960; VII ZR 247/59 vom 22.12.1960). Die Ausführungen, die das Berufungsgericht zur Frage der Billigkeit macht, sind nicht als eine solche Würdigung anzusehen. Sie dienen ersichtlich nur der Begründung dafür, warum eine entsprechende Anwendung des § 89 b Abs. 3 S. 1 HGB auf den Fall, daß die Initiative zur Auflösung des Vertrages vom Handelsvertreter ausgegangen ist, geboten erscheint.
II.
Das Berufungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob das Schreiben des Klägers vom 20. November 1965 als Kündigung anzusehen ist. Es bat ferner offengelassen, ob durch das Antwortschreiben der Beklagten vom 25. November 1965, mit Rücksicht auf das Schweigen des Klägers Rechtsfolgen eingetreten sind, die denen einer grundlosen Kündigung durch den Kläger entsprechen.
1.) Der Senat kann diese Frage selbst entscheiden. Es ist nicht möglich, dem genannten Schreiben eine Kündigung oder eine ihr gleich zu behandelnde Erklärung zu entnehmen.
a) Der Kläger bat in dem Schreiben keine Kündigung des Vertragsverhältnisses ausgesprochen. Zu einer Kündigung braucht der Kündigende zwar nicht die Worte „kündigen” und „Kündigung” zu gebrauchen. Eine Kündigungserklärung muß aber mit der erforderlichen Bestimmtheit klar und zweifelsfrei ausgesprochen werden (vgl. Schröder a.a.O. § 89 HGB, Anm. 25; Staudinger, 11. Aufl. Vorbem. zu § 620 BGS, Rdn. 51, 54). Der Kläger wollte mit seinem Schreiben aber eine Kündigung gerade vermeiden. Sein Bestreben war es vielmehr, eine einverständliche Aufhebung des Vertrages zu erreichen. Er legte dar, daß ihm sein Gesundheitszustand ein weiteres Autofahren unmöglich mache und er sich aus diesem Grunde gezwungen sehe, den Vertrag nicht weiter erfüllen zu können. Dazu erbat er eine Rückäußerung der Beklagten.
Darauf, ob die Beklagte dann ihrerseits in ihrem Schreiben diese Ausführungen des Klägers als Kündigung „gewertet” hat und diese zum 31. Dezember 1965 „angenommen” hat, kommt es nicht an. Maßgebend ist allein der objektive Inhalt der Erklärung. Es ist deshalb auch ohne rechtliche Bedeutung, daß der Kläger diesem Schreiben der Beklagten nicht widersprochen hat. Damit wurde sein Schreiben vom 20. November 1965 nicht zu einer Kündigung.
b) Tatsächlich ist das Vertragsverhältnis der Parteien am 31. Dezember 1965 beendet worden. Das ist unstreitig. Die Parteien streiten nur darüber, ob diese Beendigung durch eine Kündigung oder durch einverständliche Aufhebung des Vertragsverhältnisses eingetreten ist. Gegen die Annahme einer einverständlichen Aufhebung wendet sich die Beklagte. Bei einer Sachlage, wie sie hier gegeben ist, ist bei gegensätzlichen Interessen der Parteien, bei der Annahme einer einverständlichen Aufhebung besondere Zurückhaltung geboten. Das ändert aber nichts daran, daß hier das Vertragsverhältnis zum 31. Dezember 1965 durch schlüssiges Verhalten sein Erde gefunden hat.
Eine Beendigung des Vertragsverhältnisses aus solchem Grunde kann aber nach dem zu I Ausgeführten hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs nicht anders angesehen werden als dessen einverständliche Auflösung.
c) Die Voraussetzungen für einen Ausschluß des Ausgleichsanspruchs gem. § 89 b Abs. 3 S. 1 BGB sind demnach nicht gegeben.
2.) Es bedarf unter diesen Umständen nicht mehr der Stellungnahme zu der im Schrifttum vertretenen Meinung, daß die Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit rein deklaratorisch eine solche der unverschuldeten Unmöglichkeit der Erfüllung sei mit der Folge der Auflösung des Vertragsverhältnisses nach den §§ 275, 323 BGB und daß demnach der Ausgleichsanspruch in einem solchen Falle auch nicht ausgeschlossen werden könne (Sieg a.a.O. S. 293, 297; Küstner a.a.O. Rdn. 227; Schnitzler, Betrieb Beilage 15/1965; LG Berlin, Rundschau für Vertreterrecht 1969, 23).
Ebensowenig braucht entschieden zu werden, ob bei einer Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit entgegen dem Wortlaut des Gesetzes aus Gründen der Billigkeit dem Handelsvertreter dennoch ein Ausgleichsanspruch zugebilligt werden kann (vgl. dazu u.a. Schnitzler a.a.O. S. 5; Sieg. a.a.O. S. 296, Knapp, Wirtschaftskommentator, Teil D II 1, Handelsvertretergesetz § 89 b HGB Anm. 7 a; ferner die kritischen Stellungnahmen von Brüggemann a.a.O. Anm. 23 und Schröder a.a.O. Anm. 28).
III.
Das angefochtene Urteil kann deshalb mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten werden. Der Senat kann aber auch noch nicht selbst entscheiden, da noch zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 89 b Abs. 1 HGB gegeben sind.
Das Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Rietschel, Meyer, Vogt, Finke, Schmidt
Fundstellen
Haufe-Index 1237742 |
BGHZ |
BGHZ, 12 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1969, 473 |