Entscheidungsstichwort (Thema)
Ladungsfrist, Ladungsmangel, Beschlußanfechtung, Kausalitätsbetrachtung
Leitsatz (amtlich)
Zur Kausalität eines Ladungsmangels (hier: Nichteinhaltung der Ladungsfrist) für einen in der Gesellschafterversammlung gefaßten Beschluß.
Normenkette
GmbHG §§ 47, 49, 51
Verfahrensgang
Tatbestand
An der mit einem Stammkapital von 100.000,– DM ausgestatteten Beklagten waren am 22. September 1995 die Klägerin und ihr minderjähriger Enkel A. Z. jeweils mit einer Stammeinlage von 20.000,– DM beteiligt, während die restliche Stammeinlage von einer nach dem Tode des Ehemanns der Klägerin entstandenen Erbengemeinschaft gehalten wurde, die aus der Klägerin und ihren beiden Söhnen H. und V. Z. bestand. Für diesen Geschäftsanteil hatte das zuständige Amtsgericht am 1. September 1994 Nachlaßpflegschaft angeordnet. H. Z. ist Geschäftsführer der Beklagten.
Innerhalb der Familie besteht seit längerer Zeit Streit, der u.a. – nach kontroverser Abstimmung in der Gesellschafterversammlung der Beklagten – zu gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt hat. Seit Ende 1994 auf Veranlassung des Geschäftsführers unternommene Versuche, in der Firma der Beklagten den Zusatz „Maschinenbau” zu streichen, hatten zunächst keinen Erfolg. Am Ende der anderen Themen gewidmeten Gesellschafterversammlung vom 5. September 1995 wollte der Geschäftsführer der Beklagten einen Termin für eine weitere Gesellschafterversammlung abstimmen, in der allein über die Firmenänderung beschlossen werden sollte; da die anwesende Klägerin und ihr Berater sich zu einer verbindlichen Absprache außerstande sahen, einigte sich der Geschäftsführer mit dem Nachlaßpfleger auf den 22. September 1995. Zu dieser Versammlung wurde die Klägerin mit am 8. September 1995 bei ihr eingegangenem einfachen Brief geladen. Die Satzung der Beklagten bestimmt in § 6 Nr. 2, daß die Ladungsfrist zwei Wochen beträgt, dabei der Tag der Ladung und der Versammlungstag aber nicht mitzurechnen sind.
An der Versammlung vom 22. September 1995 hat die Klägerin nicht teilgenommen und sich auch nicht vertreten lassen. Die gesetzliche Vertreterin des Gesellschafters A. Z. und der Nachlaßpfleger haben für die Firmenänderung gestimmt. Gegen diesen Beschluß hat sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage gewandt und geltend gemacht, die Ladungsfrist sei nicht eingehalten worden. Das Landgericht hat den Beschluß für nichtig erklärt, die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt sie ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend die Anfechtungsklage ohne Erhebung der von der Beklagten angetretenen Beweise für begründet erachtet. Entgegen seiner Auffassung kommt es allerdings im vorliegenden Fall nicht auf die von ihm für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage an, ob bei Vorhandensein eines Ladungsmangels der Beschluß einer Gesellschafterversammlung nur dann anfechtbar ist, wenn das Beschlußergebnis im Sinne einer Kausalitätserwägung auf dem Mangel beruht (vgl. BGHZ 36, 121 ff., 139 f.; BGHZ 107, 296 ff., 307; BGHZ 119, 1 ff., 18 zum Aktienrecht bei Nichterfüllung der Auskunftspflicht), oder ob mit der überwiegenden Meinung im Schrifttum (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 16. Aufl. Anh. § 47 Rdnr. 67 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Auf!. Anh. § 47 Rdnr. 50; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 3. Aufl. § 47 Rdnr. 1L13 f.; Roth, GmbHG, 3. Aufl. § 47 Rdnr. 112; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8. Aufl. § 45 Rdnr. 102 f.; Hachenburg/Raiser, GmbHG, 8. Aufl. Anh. § 47 Rdnr. 103) auf die Relevanz des Mangels für das Ergebnis abzustellen ist. Dabei kann dahinstehen, ob zwischen den verschiedenen Ansichten überhaupt ein Unterschied in der Sache besteht, weil es auch bei der Kausalitätsbetrachtung nicht auf einen Ursachenzusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinn ankommt, sondern eine wertende Betrachtung angezeigt ist. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist nämlich das Anfechtungsbegehren der Klägerin auch dann gerechtfertigt, wenn die in der Senatsentscheidung vom 30. März 1987 (II ZR 180/86, ZIP 1987, 1117, 1119 f., insoweit in BGHZ 100, 264 nicht abgedruckt) aufgestellten Grundsätze herangezogen werden.
1. Zu Unrecht zieht die Revision in Zweifel, daß die Ladungsfrist versäumt worden ist. Die satzungsrechtlichen Regeln sind eindeutig. Danach wird der Tag der Versammlung bei der Fristberechnung nicht mitgezählt. Eine mündliche Einladung sieht die Satzung nicht vor, so daß in der in Gegenwart der Klägerin vorgenommenen Terminsabstimmung zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Nachlaßpfleger eine wirksame Ladung nicht gesehen werden kann und die Klägerin sich auch unter dem Gesichtspunkt der gesellschafterlichen Treuepflicht nicht so behandeln lassen muß, als sei sie rechtzeitig und ordnungsgemäß geladen worden. Es war vielmehr Sache des Geschäftsführers der Beklagten, dem gegenüber die Klägerin zum Ausdruck gebracht hatte, daß sie sich auf eine mündliche Terminsabstimmung nicht einlassen wollte, die satzungsrechtlich vorgeschriebenen Förmlichkeiten zu wahren, was ihm ohne weiteres möglich gewesen wäre, wenn er spätestens am 6. September 1995 und nicht erst am folgenden Tag die Ladung versandt hätte.
2. Zu Unrecht hält die Revision die Verletzung der Ladungsfrist für bedeutungslos. Das Gegenteil gilt nicht nur – wie das Berufungsgericht richtig entschieden hat – bei Zugrundelegen der sog. Relevanztheorie, weil die Nichteinhaltung der Ladungsfrist das die Geltung der Mehrheitsentscheidung legitimierende Partizipationsinteresse der Klägerin berührt (vgl. z.B. Baumbach/Hueck/Zöllner aaO Anh. 47 Rdnr. 68; Roth aaO § 47 Rdnr. 112), sondern auch, wenn auf die potentielle Kausalität dieses Einberufungsmangels abgestellt wird.
Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 30. März 1987, ZIP 1987 aaO S. 1119 f.) entfällt das Anfechtungsrecht bei einem Einberufungsmangel nur dann, wenn klar zu Tage liegt, daß der Beschluß auch bei Ordnungsgemäßheit der Einladung in gleicher Weise zustande gekommen wäre, bei vernünftiger Beurteilung also unter keinen Umständen in Betracht kommt, daß der von dem Mangel betroffene Gesellschafter das Ergebnis hätte beeinflussen können.
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor, weil – ohne daß es auf die von der Beklagten beantragte Vernehmung der Zeugen ankäme – nicht auszuschließen ist, daß jedenfalls der Nachlaßpfleger, der im übrigen in Unkenntnis des Einladungsfehlers für die Firmenänderung gestimmt hat, sich von der Klägerin hätte überzeugen lassen, daß die Streichung des Firmenzusatzes „Maschinenbau” – wenn nicht überhaupt sachwidrig, dann jedenfalls – nicht eilbedürftig sei. Dafür spricht nicht nur, daß der als Nachlaßpfleger amtierende frühere Vorsitzende Richter am Landgericht He. bereits einmal gegen die Namensänderung gestimmt und in seinem Bemühen um objektive Wahrnehmung der Rechte der Erbengemeinschaft mehrfach zum Ausgleich unter den familiär verbundenen Beteiligten geraten hatte, sondern daß er noch in der Gesellschafterversammlung vom 22. September 1995 unter Überreichung eines diesen Antrag näher begründenden Schreibens die Zurückstellung der Firmenänderung angeregt hatte. Hätten nicht nur der Geschäftsführer und sein durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin beteiligter minderjähriger Sohn, sondern auch die Klägerin an der Erörterung dieses Vorschlages teilnehmen können, wäre bei vernünftiger Beurteilung nicht auszuschließen, daß der Nachlaßpfleger an seiner Anregung festgehalten hätte und es jedenfalls am 22. September 1995 nicht zu dem Beschluß über die Firmenänderung gekommen wäre. Dies gilt um so mehr, als für die von dem Geschäftsführer betriebene Streichung des Firmenzusatzes „Maschinenbau” offenbar kein unabweisbares Bedürfnis oder auch nur eine besondere Dringlichkeit bestand und der Nachlaßpfleger darauf Bedacht nehmen mußte, im Interesse aller drei Erben zu handeln und nicht ohne Not Partei für einen von Ihnen zu ergreifen und die Interessen der anderen Miterben des Geschäftsanteils hintenanzustellen.
3. Ist danach entgegen der Meinung der Revision durch die Nichtbeachtung der Satzungsbestimmungen das Recht der Klägerin auf Teilhabe an der der Beschlußfassung vorausgehenden Beratung verletzt und kann ein anderes Beschlußergebnis vernünftigerweise nicht ausgeschlossen werden, falls die Einberufungsvorschriften beachtet worden wären, dann ist die Anfechtungsklage begründet, ohne daß sich die Klägerin – wie die Beklagte geltend macht – rechtsmißbräuchlich verhielte.
Fundstellen
Haufe-Index 604881 |
BB 1998, 338 |
DB 1998, 124 |
DStR 1998, 128 |
HFR 1998, 766 |
NJW 1998, 684 |
NZG 1998, 152 |
WM 1998, 75 |
WuB 1998, 235 |
ZIP 1998, 22 |
AG 1998, 190 |
GmbHR 1998, 136 |