Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit eines notariellen Geschäftsanteilskaufvertrages und Abtretungsvertrag
Leitsatz (amtlich)
- Die Heilungswirkung des § 15 IV 2 GmbHG erstreckt sich auch auf die nur in dem privatschriftlichen Verpflichtungsgeschäft enthaltenen Nebenabreden.
- Die Parteien können vereinbaren, daß abweichend vom Übergang der Geschäftsanteile sich die gesellschaftsrechtlichen Veränderungen intern zu einem anderen Zeitpunkt vollziehen sollen.
- Ein Verstoß gegen den Bestimmbarkeitsgrundsatz liegt nicht vor, wenn mehrere Geschäftsanteile in dem notariellen Vertrag zusammenfassend als ein Anteil bezeichnet werden, es sei denn, daß hierdurch ernsthafte Zweifel an dem Gegenstand der Abtretung hervorgerufen werden können.
Normenkette
GmbHG § 15 Abs. 3-4
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 27. Februar 1986 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft, ist seit 1984 mit der Westfälischen Transport-Aktiengesellschaft (WTAG) verschmolzen. Die WTAG war mit drei Geschäftsanteilen von DM 50.000, 40.000 und 10.000 Mitgesellschafterin der beklagten GmbH, die wiederum alleinige persönlich haftende Gesellschafterin der J.-Dienst GmbH & Co. KG war, an der die WTAG als Kommanditistin beteiligt war.
Durch privatschriftlichen Vertrag vom 18. Januar 1983 verkaufte die WTAG ihre Anteile an der Beklagten "in Höhe von DM 40.000 und 60.000" sowie ihre Kommanditbeteiligung an einen anderen Gesellschafter, den jetzigen Geschäftsführer der Beklagten Hans L. Der Vertrag sah u.a. die Verpflichtung des Käufers vor, zur Sicherung des zunächst gestundeten Kaufpreises von DM 100.000 für die Gesellschaftsanteile an der Beklagten und von DM 150.000 für die Kommanditbeteiligung eine Bankbürgschaft zu stellen. Die Abtretung der Geschäftsanteile wurde am selben Tage notariell beurkundet. Nach § 2 Satz 1 des notariellen Vertrages erfolgte die Übertragung der Anteile zum 31. Dezember 1981. Nach Satz 2 dieser Bestimmung sollten die Gewinnbezugsrechte ab 1. Januar 1982 auf den Erwerber übergehen. Die Klägerin macht als Rechtsnachfolgerin der WTAG deren Gewinnbeteiligungsansprüche für das Jahr 1980 geltend. Sie hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von DM 82.500 nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Vereinbarungen vom 18. Januar 1983 seien unwirksam. Außerdem habe zwischen den Vertragsparteien Einigkeit darüber bestanden, daß mit der Zahlung des Kaufpreises für die Geschäftsanteile alle Ansprüche der WTAG, gleich aus welchem Rechtsgrunde, abgegolten seien. Hilfsweise hat sie mit verschiedenen, an sie abgetretenen Forderungen ihres Gesellschafters Hans Lüders und der J.-Dienst GmbH & Co. KG aufgerechnet.
Beide Vorinstanzen haben die Klageforderung sowie eine der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen für begründet erachtet und der Klage in Höhe von DM 60.515,15 nebst Zinsen stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Zurückverweisung.
Das Berufungsgericht hat den notariellen Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 18. Januar 1983 als wirksam angesehen und dahin ausgelegt, daß er das Gewinnbezugsrecht erst mit Wirkung ab 1. Januar 1982 auf den Erwerber übergehen läßt, während die Gewinne für die davorliegende Zeit, also auch für das Jahr 1980, bei der Veräußerin, der WTAG, bleiben. Dies hält den Angriffen der Revision nur teilweise stand.
1.
Nicht zu beanstanden ist entgegen der Ansicht der Revision die Meinung des Berufungsgerichts, der notarielle Vertrag vom 18. Januar 1983 sei wirksam.
a)
Die Formwirksamkeit dieses Vertrages steht schon deshalb außer Frage, weil er in allen Teilen der Vorschrift des § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG genügt. Durch den Abschluß des notariellen Vertrages ist auch der Formmangel der privatschriftlichen Vereinbarung vom selben Tage geheilt (§ 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG). Die vom Berufungsgericht zutreffend als zweifelsfrei bezeichnete Zusammengehörigkeit beider Verträge ergibt sich bereits aus ihrem engen zeitlichen Zusammenhang sowie daraus, daß § 1 Abs. 2 des privatschriftlichen Vertrages ausdrücklich vorsieht, die Parteien würden, wie tatsächlich geschehen, unmittelbar nach Abschluß dieses Vertrages die notwendige notarielle Anteilsübertragung vornehmen. Die Zusammengehörigkeit wird auch nicht dadurch aufgehoben, daß der notarielle Vertrag die Verpflichtung zur Anteilsübertragung wiederholt, ohne alle in der privatschriftlichen Vereinbarung getroffenen Nebenabsprachen, insbesondere die Stundung eines Teils des Kaufpreises und die Verpflichtung des Erwerbers zur Stellung einer Bürgschaft für den gestundeten Kaufpreisrest, zu wiederholen. Die Heilungswirkung des § 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG erstreckt sich auch auf die nur in dem privatschriftlichen Verpflichtungsgeschäft enthaltenen Nebenabreden (Hueck in Baumbach/Hueck, GmbHG, 14. Aufl. § 15 Rdnr. 35; Hachenburg/Schilling/Zutt, GmbHG, 7. Aufl. § 15 Rdnr. 69; Scholz/Winter, GmbHG, 7. Aufl. § 15 Rdnr. 76; vgl. auch BGH, Urt. v. 23. Februar 1983 - IVa ZR 187/81, NJW 1983, 1843).
b)
Ohne Erfolg wendet sich die Revision ferner gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die Abtretung der Geschäftsanteile sei auch nicht deshalb unwirksam, weil in dem notariellen Vertrag vom 18. Januar 1983 als Gegenstand der Abtretung zwei Anteile der WTAG von DM 40.000 und DM 60.000 genannt werden, während die WTAG tatsächlich drei Anteile zu DM 50.000, DM 40.000 und DM 10.000 besaß. Bei ihren Angriffen verkennt die Revision, daß eine unrichtige oder ungenaue Bezeichnung des Veräußerungsgegenstandes nur dann wegen Verstoßes gegen den Bestimmbarkeitsgrundsatz (vgl. Hueck aaO, § 15 Rdnr. 23; Fischer/Lutter, GmbHG, 11. Aufl. § 15 Rdnr. 13, Roth, GmbHG, § 15 Anm. 2.4) zur Nichtigkeit nach § 15 Abs. 3 GmbHG führt, wenn nicht mehr klar erkennbar ist, welche Geschäftsanteile abgetreten sind und welche beim Veräußerer verbleiben sollen. Dagegen berührt es die Wirksamkeit nicht, wenn der abgetretene Anteil lediglich zusammenfassend bezeichnet ist, ohne daß dadurch ernstliche Zweifel an dem Gegenstand der Abtretung hervorgerufen werden können (Hachenburg/Schilling/Zutt, GmbHG, 7. Aufl. § 15 Rdnr. 15). Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts waren sich die Parteien der Verträge vom 18. Januar 1983 einig, daß die gesamte Beteiligung der WTAG an den Kaufmann Lüders übergehen sollte. Unter diesen Umständen liegt, soweit es um die Übertragung eines Geschäftsanteils von "60.000,00 DM" geht, lediglich eine teilweise zusammenfassende Bezeichnung der veräußerten Beteiligungen vor, die weder eine Unsicherheit über den Vertragsgegenstand noch Unklarheiten hinsichtlich der dinglichen Rechtslage schuf und somit mangels Verstoßes gegen den Sinn des Bestimmbarkeitsgrundsatzes nicht zur Nichtigkeit des Vertrages führen kann.
c)
Ohne Erfolg bleiben muß auch die Revisionsrüge, der notarielle Vertrag vom 18. Januar 1983 sei unwirksam, weil nach dessen § 2 Satz 1 die Übertragung der Anteile zum 31. Dezember 1981 erfolgt. Zwar kann der Übergang der Geschäftsanteile erst im Zeitpunkt des Abschlusses des notariell beurkundeten Vertrages wirksam werden. Dies folgt aus der Natur dinglicher Rechtsverhältnisse, die nicht durch nachträgliche Abmachungen für die Vergangenheit umgestaltet werden können. Dies hindert die Parteien jedoch nicht, schuldrechtlich, also im Verhältnis zueinander, abweichende Vereinbarungen zu treffen. Abmachungen dieses Inhalts sind wirksam. Sie lassen den Zeitpunkt des dinglichen Rechtsübergangs unberührt, verpflichten aber die Parteien, einander so zu stellen, als ob die Anteilsübertragung zu dem vertraglich vorgesehenen früheren Termin wirksam geworden wäre. Schon das Landgericht hat aber ausgeführt, es habe dem Willen der Vertragsparteien entsprochen, daß sich die gesellschaftsrechtlichen Veränderungen in jedem Fall schuldrechtlich zum 31. Dezember 1981 vollziehen sollten. Einer solchen Auslegung des Vertrags vom 18. Januar 1983 steht weder die Vorschrift des § 15 Abs. 3 GmbHG entgegen, noch wird dadurch eine bei dinglichen Rechtsgeschäften nicht hinzunehmende Unsicherheit über die Rechtszuständigkeit geschaffen.
2.
Dagegen hält die Ansicht des Berufungsgerichts, die Gewinnbezugsrechte der WTAG seien nicht durch die Vereinbarung vom 18. Januar 1983 "erloschen", den Angriffen der Revision im Ergebnis nicht stand.
Zwar ist dem Berufungsgericht im Ausgangspunkt darin zu folgen, daß der Wortlaut des Vertrages, wonach die Gewinnbezugsrechte mit dem 1. Januar 1982 auf den Käufer übergehen, dafür spricht, daß der von der Beklagten erwirtschaftete Gewinn dem Erwerber erst ab Beginn des Geschäftsjahres 1982 zustehen soll, während aus früheren Geschäftsjahren und damit auch aus 1980 herrührende Gewinnansprüche dem Veräußerer verbleiben. Entgegen der Ansicht der Revision folgt eine andere Auslegung auch nicht aus dem Gesichtspunkt, daß die Regelung über die Gewinnbezugsrechte in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vereinbarung gesehen werden muß, einander so zu stellen, als ob der Übergang der Geschäftsanteile zum 31. Dezember 1981 erfolgt wäre (vgl. oben Nr. 1 c). Aus diesem Zusammenhang könnte für das Gewinnbezugsrecht keine weitergehende Rückwirkung hergeleitet werden als die schuldrechtlich für den Übergang der abgetretenen Anteile bestimmte. Da im Vertrag für den schuldrechtlichen Vollzug der Anteilsübertragung der 31. Dezember 1981, für den Übergang des Gewinnbezugsrechts der 1. Januar 1982 vorgesehen ist, hätte das Berufungsgericht zur Bekräftigung seiner Auslegung sogar zusätzlich darauf hinweisen können, daß sich beide Zeitpunkte im wesentlichen decken, was wiederum nahezu der gesetzlichen Regelung entspricht, wonach im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber gemäß § 101 Nr. 2 BGB jedem der auf seine Beteiligungszeit entfallende Gewinnanteil gebührt (vgl. Scholz/Emmerich, aaO, § 29 Rdnr. 16; Hueck, aaO, § 29 Rdnr. 22). Auch läßt es keinen Rechtsfehler erkennen, soweit das Berufungsgericht ausführt, die in § 4 des schriftlichen Vertrages vom 18. Januar 1983 enthaltene Verpflichtung des Erwerbers, die Veräußerin von allen Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb der Beklagten und der gleichnamigen Kommanditgesellschaft freizustellen, berechtigte nicht zu dem Schluß, daß umgekehrt auch die Veräußerin die Beklagte von allen Ansprüchen, insbesondere solchen auf Auskehrung des Gewinns früherer Jahre, freistelle. Hingegen rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht nicht den von der Beklagten durch Benennung des Zeugen Geerds angetretenen Beweis für ihre Behauptung erhoben hat, die Parteien seien bei den abschließenden Vertragsverhandlungen einig gewesen, daß der WTAG außer dem Anspruch auf den Kaufpreis keine weiteren Forderungen gegen die Beklagte und die Kommanditgesellschaft zustehen sollten; der Zeuge habe nämlich als Vertreter der WTAG bei diesen Verhandlungen die Forderung nach Bezahlung des Nominalwertes der Anteile gegenüber dem Hinweis auf die ungünstigen Ergebnisse des Geschäftsjahres 1982 u.a. mit dem Argument gerechtfertigt, daß der Käufer auch die Guthaben der WTAG erwerbe, die er als Ausgleich benutzen könne. Damit sollen die Gewinnansprüche für die Geschäftjahre vor 1982 gemeint gewesen sein. Da auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften gemäß §§ 133, 157 BGB grundsätzlich der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist (vgl. BGHZ 87, 150, 155), hätte das Berufungsgericht diesen Beweisantritt nicht unter Hinweis auf den Wortlaut der getroffenen Vereinbarung zurückweisen dürfen.
Damit bedarf die Sache weiterer tatrichterlicher Prüfung.
Unterschriften
Dr. Bauer,
Brandes,
Dr. Hesselberger,
Röhricht,
Dr. Henze
Fundstellen