Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung mit Umsatzsteueransprüchen trotz rechtskräftigem Insolvenzplan
Leitsatz (amtlich)
Ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehendes Aufrechnungsrecht bleibt auch dann erhalten, wenn die aufgerechnete Gegenforderung nach einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gilt.
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage des Fortbestands einer bereits bei Verfahrenseröffnung bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit nach § 94 InsO äußert sich der Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 17.12.1998 über die Behandlung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis im Insolvenzverfahren (BStBl I, 1500) nicht. Schon deshalb gibt er keine Veranlassung, die Zustimmung der Vertreterin des Bundeslands zum Insolvenzplan als Verzicht auf die durch § 94 InsO begründete Rechtsposition zu deuten.
Normenkette
InsO §§ 94, 254 Abs. 1; BGB § 387; AO § 226 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des OLG Celle vom 13.11.2008 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Hannover vom 30.5.2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittel.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Über das Vermögen der I. GmbH (fortan: Schuldnerin) wurde am 29.12.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das verklagte Land meldete Umsatzsteuerforderungen aus den Jahren 2005 und 2006 zur Insolvenztabelle an, die i.H.v. mehr als 1 Mio. EUR festgestellt wurden. Mit Zustimmung der Vertreterin des Beklagten beschloss die Gläubigerversammlung einen Insolvenzplan, dessen gestaltender Teil für die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger einen Teilerlass von 93,65 v.H. ihrer Forderungen vorsah. Das Insolvenzgericht bestätigte den Insolvenzplan und hob das Insolvenzverfahren am 14.3.2007 auf. Die Schuldnerin erbrachte die nach dem Insolvenzplan dem Beklagten geschuldeten Zahlungen. Anschließend machte sie gegen diesen Werklohnansprüche für Bauleistungen geltend, die sie bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens für ihn erbracht hatte.
Rz. 2
Der Beklagte hat nach Rechtshängigkeit der zunächst auf Zahlung von 117.585,81 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage einen Teilbetrag von 36.273,86 EUR gezahlt und im Übrigen mit dem noch nicht getilgten Teil seiner Umsatzsteuerforderungen der Jahre 2005 und 2006 aufgerechnet. Das LG hat die Klage mit Ausnahme eines Anspruchs auf Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Über das Vermögen der Schuldnerin ist mittlerweile erneut ein Insolvenzverfahren eröffnet worden; der Insolvenzverwalter hat den Rechtsstreit aufgenommen.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision hat Erfolg. Die Forderungen der Schuldnerin sind, soweit sie nicht durch Zahlung erfüllt wurden, durch die vom Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen.
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht (ZIP 2008, 2372) meint, der im ersten Insolvenzverfahren beschlossene Insolvenzplan stehe der vom Beklagten erklärten Aufrechnung entgegen. Die von diesem Plan erfassten Forderungen könnten nicht mehr zur Aufrechnung gestellt werden, weil sie erlassen, mindestens aber zu unvollkommenen Verbindlichkeiten geworden seien, die zwar erfüllbar, aber nicht erzwingbar seien. Das gelte auch für die Steuerforderungen des Beklagten. Die Regelung in § 94 InsO, wonach die bei Insolvenzeröffnung bestehende Aufrechnungsbefugnis eines Gläubigers durch das Insolvenzverfahren nicht berührt werde, ändere daran nichts. Sie ermögliche es einem Gläubiger lediglich, sich einem Insolvenzplan zu entziehen, indem er rechtzeitig vorher die Aufrechnung erkläre. Tue er dies nicht und lege er gegen den bestätigenden Beschluss des Insolvenzgerichts kein Rechtsmittel ein, sei er an den Plan gebunden. Letztlich verhalte sich der Beklagte auch treuwidrig, weil er durch seine Vertreterin dem Plan zugestimmt habe.
II.
Rz. 5
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 6
1. Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung muss voll wirksam und fällig sein. Ihre Erfüllung muss erzwungen werden können (BGH, Urt. v. 16.3.1981 - II ZR 110/80, WM 1981, 711; v. 20.11.2008 - IX ZR 139/07, WM 2009, 273 Rz. 10; Staudinger/Gursky, BGB, Bearb. 2006, § 387 Rz. 132; Schlüter in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 387 Rz. 36) und ihr darf keine Einrede entgegenstehen (§ 390 BGB). Unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Verbindlichkeiten wie eine Spielschuld (§ 762 Abs. 1 BGB) oder ein Ehemäklerlohn (§ 656 Abs. 1 BGB) können nicht aufgerechnet werden. Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gelten diese Grundsätze entsprechend (§ 226 Abs. 1 AO).
Rz. 7
2. Um unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Forderungen handelt es sich auch bei den von dem Beklagten zur Aufrechnung gestellten Umsatzsteuerforderungen.
Rz. 8
Erlangt die gerichtliche Bestätigung eines Insolvenzplans nach § 248 Abs. 1 InsO formelle Rechtskraft, treten gem. § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO die in seinem gestaltenden Teil festgelegten materiellen Wirkungen unmittelbar für und gegen alle Beteiligten ein. Insolvenzforderungen können nur noch in Höhe der vereinbarten Quoten durchgesetzt werden. Soweit sie als erlassen gelten, sind sie zwar nicht erloschen, bestehen indes nur noch als natürliche, unvollkommene Verbindlichkeiten fort, deren Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwungen werden kann. Das folgt im Gegenschluss aus den Regelungen in §§ 254 Abs. 3 und 255 Abs. 1 Satz 1 InsO (BT-Drucks. 12/2443, 213; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rz. 28.80; Otte in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 254 Rz. 14 und § 255 Rz. 6; Uhlenbruck/Lüer, InsO, 13. Aufl., § 227 Rz. 4 und § 254 Rz. 8; MünchKomm/InsO/Huber, 2. Aufl., § 254 Rz. 33; FK-InsO/Jaffé, 6. Aufl., § 254 Rz. 3; Braun/Frank, InsO, 4. Aufl., § 254 Rz. 10; zum Liquidationsvergleich nach § 7 Abs. 4 VglO: BGH, Urt. v. 9.4.1992 - IX ZR 304/90, BGHZ 118, 70, 76; speziell für Steuerforderungen: MünchKomm/InsO/Kling/Schüppen/Ruh, a.a.O., Insolvenzsteuerrecht, Rz. 243; Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 69 Rz. 21). Mit einer solchen nicht durchsetzbaren Forderung kann grundsätzlich nicht aufgerechnet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 29.3.2007 - IX ZB 204/05, ZIP 2007, 923 Rz. 8).
Rz. 9
3. Die Aufrechnung mit einer Forderung, die nach dem Insolvenzplan als erlassen gilt, bleibt jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gem. § 94 InsO möglich, wenn die Aufrechnungslage bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand.
Rz. 10
a) Nach § 94 InsO wird das bei Verfahrenseröffnung bestehende Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung "durch das Verfahren nicht berührt". Dem Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob sich die Aufrechnungsbefugnis auch gegenüber der gestaltenden Wirkung eines Insolvenzplans (§ 254 Abs. 1 InsO) durchsetzt. Er kann im Sinne einer Regelung ausschließlich für die Zeit des laufenden Insolvenzverfahrens verstanden werden. Rechnet ein Gläubiger - wie im Streitfall das verklagte Land - nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf, gibt es kein Verfahren mehr, durch das die Aufrechnungsbefugnis berührt sein könnte. Ob eine Aufrechnung möglich ist, richtet sich dann nach der materiellen Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Erklärung. Vom Wortlaut gedeckt wird jedoch auch ein Verständnis, wonach zum "Verfahren" auch das Ergebnis des Insolvenzverfahrens gehört, das - etwa als Insolvenzplan - über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens hinauswirken kann. Dann bliebe eine bei Verfahrenseröffnung bestehende Aufrechnungslage über das Ende des Verfahrens hinaus ungeachtet der in einem Insolvenzplan getroffenen Regelungen erhalten (so OLG Celle ZIP 2009, 140, 141, nicht rechtskräftig).
Rz. 11
b) Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte § 94 InsO die zuletzt genannte Wirkung haben. Bereits unter der Geltung der Konkursordnung, der Vergleichsordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung konnte eine bei Eröffnung des Verfahrens bestehende Aufrechnungsmöglichkeit auch noch im Verfahren ausgeübt werden (§ 53 KO, § 54 Satz 1 VglO, § 7 Abs. 4 GesO). Von den Wirkungen eines Vergleichs wurde dieses Recht nicht berührt (§ 54 Satz 2 VglO; vgl. zu dieser Norm BGH, Urt. v. 9.2.1983 - VIII ZR 305/81, NJW 1983, 1119, 1120). An dieser Rechtslage wollte der Gesetzgeber der Insolvenzordnung festhalten. Sowohl der vom Bundesministerium der Justiz vorgelegte Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Insolvenzrechts (§ 101 DiskE) als auch der endgültige Regierungsentwurf der Insolvenzordnung (§ 106 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, 25) enthielten schon eine mit § 94 InsO weitgehend wortgleiche Regelung zur Erhaltung einer Aufrechnungslage. In der Einzelerläuterung wurde ausgeführt, es habe geltendem Konkurs- und Vergleichsrecht entsprochen, dass ein Insolvenzgläubiger, der zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens zur Aufrechnung berechtigt sei, dieses Recht durch die Verfahrenseröffnung nicht verliere. Die Formulierung der neuen Vorschrift bringe zusätzlich zum Ausdruck, dass auch der weitere Ablauf des Verfahrens, insb. die Annahme und Bestätigung eines Sanierungsplans, die Befugnis zur Aufrechnung nicht beeinträchtigen könne, was auch in der Regelung des § 54 Satz 2 VglO zum Ausdruck komme (BT-Drucks. 12/2443, 140). Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages schlug die Klarstellung vor, dass sowohl eine gesetzliche als auch eine vertragliche Aufrechnungsberechtigung erhalten bleiben sollte (BT-Drucks. 12/7302, 38 und 165). Da der Deutsche Bundestag den nur insoweit veränderten Gesetzentwurf beschlossen hat, ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber § 94 InsO nicht anders verstanden wissen wollte als die Bundesregierung.
Rz. 12
c) Der mit § 94 InsO verfolgte Regelungszweck macht seine Anwendung im Falle eines Insolvenzplans allerdings nicht zwingend erforderlich. Die Vorschrift dient nach allgemeiner Ansicht dem Vertrauensschutz. Eine vor Insolvenzeröffnung erworbene Aufrechnungsbefugnis und die daraus folgende Selbstexekutionsbefugnis sind eine von der Rechtsordnung weitgehend geschützte Rechtsstellung (vgl. §§ 389, 392, 406 BGB), die auch im Insolvenzverfahren uneingeschränkt anerkannt bleiben soll (BT-Drucks. 12/2443, 140; HK-InsO/Kayser, 5. Aufl., § 94 Rz. 1 f.; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, a.a.O., § 94 Rz. 6 f.; Graf-Schlicker/Hofmann, InsO, 2. Aufl., § 94 Rz. 1; a.A. Jaeger/Windel, InsO, § 94 Rz. 9). Den gleichen Regelungszweck hatte der Große Senat für Zivilsachen bereits den Vorgängervorschriften § 53 KO und § 54 VglO beigemessen. Der Aufrechnungsberechtigte solle nicht durch nachträgliche Vorgänge, die seiner Einflussmöglichkeit entzogen sind und sich in der Sphäre des Aufrechnungsgegners abspielen, der ursprünglich vorhandenen Aufrechnungsbefugnis verlustig gehen (BGH, Beschl. v. 20.6.1951 - GSZ 1/51, BGHZ 2, 300, 304 f.). Im Falle der Bereinigung einer Insolvenz mittels eines Insolvenzplans bedarf der Insolvenzgläubiger eines solchen Schutzes nicht im gleichen Umfang wie unter der Geltung der Vergleichsordnung. Er wird zu dem Termin zur Erörterung und Abstimmung über den Plan besonders geladen (§ 235 Abs. 3 InsO) und kann durchsetzen, dass dem Plan die gerichtliche Bestätigung versagt wird, wenn er durch ihn schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde (§ 251 InsO). Diese Voraussetzung wird im Falle des Verlusts einer Aufrechnungsmöglichkeit regelmäßig gegeben sein. Eine vergleichbare Schutzvorschrift gab es weder in der Konkursordnung noch in der Vergleichsordnung. Dort war der Gläubiger daher auf den Schutz seiner Aufrechnungsberechtigung durch die Regelung in § 54 Satz 2 VglO angewiesen.
Rz. 13
d) Der Senat hält letztlich für ausschlaggebend, dass mit der Insolvenzordnung die nach früherem Recht bestehenden Aufrechnungsmöglichkeiten nicht beschränkt werden sollten. In einzelnen Beziehungen, insb. im Hinblick auf vertragliche Aufrechnungsberechtigungen, wurden sie sogar erweitert. Der Umstand, dass der Fall eines Insolvenzplans in § 94 InsO anders als der Fall eines Vergleichs in § 54 Satz 2 VglO nicht ausdrücklich erwähnt ist, kann mit der Einbeziehung des Insolvenzplanverfahrens in ein einheitliches Insolvenzverfahren erklärt werden. Nicht zuletzt zeigt die Regelung in § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO, dass der Gesetzgeber dem Insolvenzplan keine stärkere Wirkung als einem Vergleich nach altem Recht zukommen lassen wollte. Der dort bestimmte Fortbestand akzessorischer Sicherungsrechte ungeachtet des planbedingten Wegfalls der gesicherten Forderungen entspricht der früheren Rechtslage (§ 82 Abs. 2 VglO; § 193 Satz 2 KO).
Rz. 14
e) Die Zulassung der Aufrechnung gem. § 94 InsO nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans führt nicht zwangsläufig zu unbilligen Ergebnissen. Aufrechnungsmöglichkeiten eines Insolvenzgläubigers sind vor der Entscheidung über die Bestätigung des Insolvenzplans für den Insolvenzverwalter erkennbar. Er kann versuchen, den betreffenden Gläubiger zu einem Verzicht auf sein Aufrechnungsrecht zu bewegen, oder - falls dies nicht gelingt - die fortbestehende Aufrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans einbeziehen. Eine Berücksichtigung der aufrechenbaren Gegenforderung des Insolvenzgläubigers bei der Berechnung und Auszahlung der nach dem Insolvenzplan den Gläubigern zukommenden Quote kann er vermeiden, indem er selbst die Aufrechnung erklärt. Bestehen sonach Möglichkeiten, einer fortbestehenden Aufrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans Rechnung zu tragen, kann von einer Beschädigung der Gläubigerautonomie durch die Zulassung der Aufrechnung mit einer nach dem Insolvenzplan als erlassen geltenden Forderung nicht die Rede sein (a.A. Braun, NZI 2009, 409, 411).
Rz. 15
4. In der Zustimmung des zur Aufrechnung berechtigten Insolvenzgläubigers zum Insolvenzplan oder auch nur in der widerstandslosen Hinnahme des Plans liegt regelmäßig kein Verzicht auf die mögliche Aufrechnung. An die Feststellung eines solchen Willens sind strenge Anforderungen zu stellen. Schließt der in einem Insolvenzplan geregelte Teilerlass von Forderungen eine Aufrechnung mit diesen Forderungen nicht aus, kann das Einverständnis eines Insolvenzgläubigers mit dem Plan auch in seiner objektiven Bedeutung nicht als Erklärung des Inhalts ausgelegt werden, dass eine Abweichung von den gesetzlichen Rechtsfolgen zum eigenen Nachteil akzeptiert würde. Auch unter den im Streitfall gegebenen konkreten Umständen kann ein solcher Verzicht nicht angenommen werden. Dies gilt insb. vor dem Hintergrund des Erlasses des Bundesministeriums der Finanzen vom 17.12.1998 über die Behandlung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis im Insolvenzverfahren (BStBl. I S. 1500). Unter Nr. 9.3 wird dort zu den Wirkungen eines bestätigten Insolvenzplans ausgeführt, soweit nach dem Insolvenzplan auf Abgabenforderungen zu verzichten sei, würden diese zu sog. unvollkommenen Forderungen, die zwar erfüllbar seien, aber gegenüber dem Schuldner nicht mehr geltend gemacht werden dürften (Vollstreckungsverbot, Aufrechnungsverbot). Zur Frage des Fortbestands einer bereits bei Verfahrenseröffnung bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit nach § 94 InsO verhält sich der Erlass nicht. Schon deshalb gibt er keine Veranlassung, die Zustimmung der Vertreterin des Beklagten zum Insolvenzplan als Verzicht auf die durch § 94 InsO begründete Rechtsposition zu deuten.
Rz. 16
Die Aufrechnung des Beklagten trotz der im Abstimmungstermin erklärten Zustimmung zum Insolvenzplan verstößt auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Zustimmung der Vertreterin des Beklagten zum Insolvenzplan erlaubte nicht den Schluss, der Beklagte werde nach Rechtskraft des Insolvenzplans zur Abwehr von Ansprüchen der Masse von einer bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit keinen Gebrauch mehr machen. Das Verhalten des Beklagten war deshalb nicht widersprüchlich.
III.
Rz. 17
Das Berufungsurteil war danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und die Sache nach letzterem zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Rz. 18
Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Aufrechnung nach § 387 BGB i.V.m. § 94 InsO liegen vor. Zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 29.12.2006 hatte der Beklagte gegen die Schuldnerin eine fällige Umsatzsteuerforderung in einer die Forderungen der Schuldnerin auf Bezahlung von Bauleistungen (81.311,95 EUR) übersteigenden Höhe. Dies gilt zumindest im Hinblick auf die von der Schuldnerin für die Monate Oktober und November 2006 vorangemeldete, nach § 220 Abs. 1 AO, § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums, somit am 10.11.2006 und am 10.12.2006 fällige und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht abgeführte Umsatzsteuer i.H.v. jeweils mehr als 200.000 EUR, auch wenn berücksichtigt wird, dass der Landesanteil des Beklagten nur 47 v.H. betrug (vgl. Anlage B 3, GA I 86). Der Umstand, dass ein Jahressteuerbescheid erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erging, ändert daran nichts (BFHE 189, 14, 22).
Fundstellen
Haufe-Index 2710002 |
BFH/NV 2011, 1646 |
BB 2011, 1602 |
DB 2011, 6 |
NJW 2011, 6 |
EBE/BGH 2011 |
NJW-RR 2011, 1142 |
IBR 2011, 464 |
NZG 2011, 857 |
WM 2011, 1182 |
WuB 2011, 679 |
ZIP 2011, 1271 |
DZWir 2011, 423 |
MDR 2011, 1074 |
NJ 2011, 431 |
NZI 2011, 538 |
ZInsO 2011, 1214 |
InsbürO 2012, 396 |
KSI 2011, 233 |
NJW-Spezial 2011, 502 |
ZBB 2011, 293 |
FMP 2011, 114 |