Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Umständen ein GmbH-Geschäftsführer Ruhegehaltsansprüche ganz oder teilweise verliert, wenn nach seiner Pensionierung grobe Pflichtwidrigkeiten aufgedeckt werden.
Normenkette
BGB § 611; GmbHG § 35
Verfahrensgang
OLG Bremen (Urteil vom 15.02.1983) |
LG Bremen |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 15. Februar 1983 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der jetzt 63 Jahre alte Kläger war vom 1. Dezember 1955 bis zum 15. Mai 1974 hauptamtlicher Geschäftsführer der verklagten GmbH, eines gemeinnützigen Wohnungsbau- Unternehmens. Nach Widerruf seiner Bestellung setzten die Parteien durch gerichtlichen Vergleich das Ende seines Anstellungsverhältnisses auf den 31. März 1976 fest. Von Juli 1976 bis September 1980 zahlte die Beklagte dem Kläger aufgrund eines Pensionsvertrages vom 12. Mai 1956, der zur näheren Ausführung einer im Geschäftsführervertrag vom 7. November 1955 enthaltenen Pensionszusage abgeschlossen wurde, eine Berufsunfähigkeitsrente von zuletzt 3.318,94 DM.
Mit Schreiben vom 23. September 1980 widerrief die Beklagte, gestützt auf einen entsprechenden Vorbehalt im Pensionsvertrag, ihre Versorgungszusage. Sie verwies darauf, daß der Kläger durch ein Urteil der Großen Strafkammer V des Landgerichts Bremen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt war, weil er Schmiergelder in Höhe von mehr als 450.000 DM nicht versteuert habe, die er in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten von 1966 an von dem Finanzmakler H. erhalten habe. Davon sollten ihm nach den Feststellungen der Strafkammer 50.000 DM für die Anlage von Festgeld der Beklagten beim Bankhaus S. & Co. in Höhe von 9 Mio DM und 65.000 DM für eine solche Anlage bei der bayerischen Wirtschaftsbank in Höhe von 11 Mio DM gezahlt worden sein. Die Festgelder stammten aus vorvalutierten Hypothekendarlehen der Beklagten; ihre Anlage bei den beiden Privatbanken verlängerte der Kläger im Februar und April 1969 unkündbar jeweils auf 4 Jahre und 1 Tag.
Die bayerische Wirtschaftsbank fiel 1973 in Konkurs. Im selben Jahr wurde das Bankhaus S. & Co. liquidiert. Dia Beklagte will hierdurch im Ergebnis einen Schaden von 8 Mio DM zuzüglich 12 Mio DM Zinsausfall erlitten haben und zur Vermeidung eines Konkurses genötigt gewesen sein, ihr Kapital um 5 Mio DM zu erhöhen. Der Kläger hat dies bestritten. Er hat auch in Abrede gestellt, Schmiergelder angenommen und bei den Festgeldanlagen seine Sorgfaltspflicht verletzt zu haben.
Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die bei einer Bank angelegten Rentenbeträge mit Zinsen für die Zeit von Oktober 1980 bis September 1981 zur Auszahlung an ihn freizugeben und für die Folgezeit eine Betriebsrente von monatlich 3.656,60 DM zuzüglich inzwischen eingetretener und noch eintretender Erhöhungen an ihn zu zahlen.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Ruhegeldanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
I. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger dadurch, daß er im Jahre 1969 Festgeldanlagen der Beklagten bei zwei kleinen Privatbanken in Höhe von 20 Mio DM auf 4 Jahre und 1 Tag unkündbar verlängerte, die Beklagte einem äußerst hohen Verlustrisiko ausgesetzt und ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet. Beweggrund hierfür war nicht oder jedenfalls nicht nur ein für die Beklagte erwarteter Zinsvorteil, sondern auch die Tatsache, daß der Kläger in den Jahren 1966 bis 1969 von dem Finanzmakler H. „Schmiergelder” in einer Gesamthöhe von rund 450.000 DM erhalten hat. Darunter befanden sich Provisionsanteile von 50.000 und 65.000 DM für die vorerwähnten Festgeldanlagen. Für den vom Kläger verschuldeten Verlust dieser Anlagen infolge des Zusammenbruchs der Banken ist der Beklagten bei Berücksichtigung schon verwerteter und noch verwertbarer Sicherheiten ein nachhaltiger Schaden von 6 Mio DM verblieben, der sie zu einer Kapitalerhöhung um 5 Mio DM nötigte.
Diese Feststellungen greift die Revision ohne Erfolg mit Verfahrensrügen an. Das Berufungsgericht stützt sich, soweit es um die vom Kläger unerlaubt bezogenen Provisionsanteile geht, auf zwei Urteile der Strafkammer und des Finanzgerichts. Diese Urkunden durfte es als Beweismittel verwerten (Urt. d. Sen. v. 12.7.1982 – II ZR 201/81, NJW 1982, 2500 zu I 2 a). Es hat rechtlich einwandfrei aus den darin enthaltenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen über Zeitpunkt und Höhe bestimmter Zahlungsbewegungen und über Zusammenkünfte des Klägers mit Helwig dieselben Schlüsse wie die Strafkammer gezogen, nämlich daß es sich bei den betreffenden Geldeingängen auf den Konten des Klägers nicht, wie er behauptet hatte, um Gewinne aus Aktien-Tafelgeschäften, sondern tatsächlich um Provisionszahlungen H. gehandelt habe. Schlüssigen Gegenbeweis hierzu hat der Kläger im vorliegenden Verfahren nicht angetreten. Mit seinem von der Revision aufgegriffenen Vorbringen wollte er dartun, daß der von ihm zu vertretende Schaden der Beklagten im Hinblick auf noch zu verwertende Sicherheiten geringer ausgefallen sei, als ihn das Berufungsgericht aufgrund einer schriftlichen Aussage des Wirtschaftsprüfers R. (§ 377 Abs. 3 ZPO) festgestellt hat, daß die Beklagte nicht konkursreif gewesen sei und daß sie stets unter Kapitalmangel gelitten habe. Hierzu hatte er beantragt, der Beklagten die Vorlage von Jahresabschlüssen, Geschäftsberichten, Sicherungslisten und anderen Unterlagen für die Jahre 1966 bis 1976 aufzugeben. Diesen Anträgen hat das Berufungsgericht mit Recht nicht stattgegeben, weil ihnen kein konkreter Vortrag zugrundelag, was durch die Unterlagen im einzelnen belegt werden sollte. Auch durfte das Berufungsgericht angesichts der für richtig erachteten, durch Zahlen belegten Auskünfte des sachverständigen Zeugen R. nach pflichtmäßigem Ermessen von der Einholung eines Sachverständigengutachtens über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten absehen. Die Behauptungen des Klägers, er habe zu der Geldanlage juristischen Rat und positive Auskünfte über die beiden Banken eingeholt sowie für Sicherheiten gesorgt, hat das Berufungsgericht als richtig unterstellt. Es brauchte daraus aber nicht zu folgern, die Art der Anlage habe der vom Geschäftsführer eines gemeinnützigen Unternehmens geschuldeten Sorgfalt entsprochen; der Kläger selbst hat in einem Brief vom 21. April 1970 an den Aufsichtsrat und die Gesellschafter der Beklagten eingeräumt, die Vorhaltungen wegen der langfristigen Festgeldanlagen bei Privatbanken, soweit sie deren haftendes Kapital überstiegen, bestünden aus heutiger Sicht zu Recht.
Zu Unrecht vermißt die Revision schließlich eine ausreichende Begründung dafür, daß der Kläger infolge seiner riskanten und pflichtwidrigen Festgeldanlagen im Jahre 1969 für den Schaden verantwortlich ist, den die Beklagte später durch den Zusammenbruch der beiden Banken erlitten hat. Hätte der Kläger sich nicht durch die Provisionszahlungen H. beeinflussen lassen, sondern pflichtgemäß allein die Interessen der Beklagten wahrgenommen, so wäre er nach der fehlerfreien und erfahrungsmäßig naheliegenden Feststellung des Berufungsgerichts ein solches Anlagerisiko nicht eingegangen. Dann wäre der Beklagten der hohe Verlust erspart geblieben.
II. In dem gerügten Verhalten des Klägers erblickt das Berufungsgericht einen ungewöhnlich schwerwiegenden Verstoß gegen seine Treuepflicht. Dies begründete es nicht nur, wie die Revision meint, mit „formelhaften Wendungen”, sondern mit der rechtlich unangreifbaren Erwägung, der Kläger habe das Vertrauen, das ihm die Beklagte entgegengebracht habe, und die weitreichenden Befugnisse, mit denen er als hauptamtlicher Geschäftsführer eines gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmens von solchem Umfang gerade auch in finanzieller Hinsicht ausgestattet gewesen sei, in hohem Maße mißbraucht. Zwar lasse sich nicht feststellen, daß er der Beklagten den später eingetretenen Schaden vorsätzlich zugefügt habe; insofern sei ihm nur Fahrlässigkeit zur Last zu legen. Das hervorstechende Merkmal des Falles sei aber die jahrelange fortgesetzte vorsätzliche Pflichtverletzung des Klägers, die darin liege, daß er Schmiergelder in Höhe von mehreren 100.000 DM entgegengenommen und, hierdurch mitbedingt, die Beklagte bewußt einem außerordentlichen Risiko ausgesetzt habe, das sich dann auf eine ihren Fortbestand bedrohende Weise verwirklicht habe. Bei diesem Sachverhalt, so meint das Berufungsgericht weiter, liege in dem Verlangen des Klägers nach Weiterzahlung seiner Berufsunfähigkeitsrente ein Rechtsmißbrauch. Die Beklagte dürfe daher die Zahlung insgesamt verweigern.
Diese rechtliche Folgerung hat in den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts keine ausreichende Grundlage.
1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß nach der Rechtsprechung des Senats grobe Pflichtverletzungen, die ein Versorgungsberechtigter im aktiven Dienst begangen hat, seinen Anspruch auf eine versprochene Versorgungsrente unter ganz besonderen Umständen ausschließen können (Urt. v. 22.6.1981 – II ZR 146/8 LM BetrAVG Nr. 6). An dieser Rechtsprechung ist grundsätzlich festzuhalten.
Ein betriebliches Ruhegeld hat Entgeltcharakter. Dabei ist die Entgeltlichkeit nicht so zu verstehen, daß eine Versorgungsrente unmittelbar auf die Arbeitsleistung zu beziehen und wie ein vorenthaltener Teil des Arbeitslohnes zu betrachten wäre. Das Ruhegeld ist vielmehr eine besondere Vergütung dafür, daß der Dienstverpflichtete seine Arbeitskraft für lange Zeit in den Dienst des Unternehmens stellt. Dieses beständige Ausharren im Betrieb bedeutet für den Unternehmensinhaber einen wirtschaftlichen Wert, weil ein häufiger Wechsel der Beschäftigten auf Kosten gleichbleibender Arbeitsqualität, des Betriebsklimas und damit letztlich auch der Rentabilität zu gehen pflegt. Als Gegenleistung hierfür bietet er dem Versorgungsberechtigten die Sicherheit, im Alter, bei Invalidität oder im Todesfall sich und seine Hinterbliebenen versorgt zu sehen. Zwischen der Versorgung und dem mit ihr abgegoltenen Verzicht auf einen möglichen Wechsel des Betriebs besteht daher ein Austauschverhältnis (BGHZ 55, 274, 278; BAG 24, 177 – WM 1972, 1133 zu A II 2 a; BAG 27, 59, 62 ff = DB 1975, 1274 = VersR 1975, 937 zu I 1 a, b; Hilger, RdA 1981, 6, 8 f). Das gilt gerade auch für Pensionsansprüche von Gesellschaftsorganen, von deren Geschäftsleitung sich das Unternehmen einen steten wirtschaftlichen Aufschwung verspricht und deren Dienste es sich darum möglichst lange zu erhalten sucht.
Die Leistung, an die ein Versorgungsversprechen geknüpft ist, erschöpft sich jedoch nicht darin, daß sein Empfänger lange genug im Betrieb verbleibt. Von ihm wird vielmehr auch erwartet, daß er während der ganzen Zeit seiner Betriebszugehörigkeit seine dem Unternehmen geschuldeten Dienste redlich und gewissenhaft leistet. Enttäuscht er diese Erwartung, so kann hierdurch das bei der Ruhegeldzusage vorausgesetzte Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung ebenso gestört werden wie durch ein verfrühtes Ausscheiden aus dem Dienst. Insofern stellt das Ruhegeldversprechen nicht nur zeitliche, sondern auch sachliche Anforderungen an die Betriebstreue.
Das bedeutet indessen nicht, daß einem ehemaligen Betriebsangehörigen das versprochene Ruhegeld nach Eintritt des Versorgungsfalles immer schon dann vorenthalten werden dürfte, wenn er sich in seiner Dienstzeit einer Verfehlung schuldig gemacht oder sonstwie seine Pflichten schlecht erfüllt hat. Eine Versorgungszusage ist für ihren Empfänger von lebenswichtiger Bedeutung. Auf ihr baut er seine Planungen für den Lebensabend auf. Im Vertrauen auf sie erbringt er mit seiner langzeitlichen Betriebstätigkeit eine Vorleistung, die nicht beliebig verfügbar und wiederholbar ist. Das alles gilt in verstärktem Maße für Mitglieder von Gesellschaftsorganen, die meist nicht ausreichend sozialversichert und deshalb mehr als andere Beschäftigte auf eine betriebliche Altersversorgung angewiesen sind.
Diese existenzwichtige Bedeutung einer Versorgungszusage, denen auch das Betriebsrentengesetz mit seinen sozialen Schutzvorschriften Rechnung trägt, schließt es aus, ihre Erfüllung von einem steten Wohlverhalten des Zusageempfängers während seiner Dienstzeit abhängig zu machen. Nur schwerste Verfehlungen können nach Treu und Glauben ausnahmsweise die Versagung von Ruhegeldansprüchen trotz ausreichend langer Betriebszugehörigkeit unter dem Gesichtspunkt rechtfertigen, daß es dann an der erwarteten Gegenleistung für die versprochene Pension fehlt. Dies kann namentlich dann der Fall sein, wenn der Pensionsberechtigte unter Mißbrauch seiner Stellung das Unternehmen, aus dessen Erträgen seine Pension gezahlt werden soll, fortgesetzt schädigt und dadurch dessen wirtschaftliche Grundlage gefährdet. Pflichtverletzungen, die nach Art, Ausmaß und Folgen dieses außerordentliche Gewicht nicht haben, reichen dagegen für einen Pensionsentzug auch dann nicht aus, wenn auf sie eine fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses nach § 626 BGB gestützt werden konnte. Das gilt unabhängig davon, ob die Versorgungszusage, wie hier, eine Widerrufsklausel enthält oder nicht (BAG 32, 139, 149 – NJW 1980, 1127; BAG, Urt. v. 11.5.1982 – 3 AZR 1239/79 AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Treuebruch = WM 1982, 1263 = ZIP 1982, 1347; Urt. d. Sen. v. 22.6.1981, a.a.O.).
2. Dies hat das Berufungsgericht entgegen den Ausführungen der Revision nicht verkannt. Es hat weder übersehen, daß die Beklagte dem Kläger noch 1974, nach seinem Vortrag trotz Kenntnis ihres Aufsichtsrats und ihrer Gesellschafter von den Festgeldanlagen und den sich daraus bereits abzeichnenden Verlusten, für das Jahr 1972 Entlastung erteilt hat, noch hat es außer acht gelassen, daß die Beklagte nach der Abberufung des Klägers als Geschäftsführer im Mai 1974 zunächst sein Anstellungsverhältnis aufrechterhalten und erst im April 1975 eine auf andere Gründe gestützte fristlose Kündigung ausgesprochen hat, die dann durch gerichtlichen Vergleich in eine ordentliche Kündigung zum 31. März 1976 umgewandelt wurde. Es hat diesen Umständen aber mit Recht keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, weil die Beklagte erst durch das Strafkammerurteil vom 19. März 1980 zuverlässig von dem jahrelangen Schmiergeldempfang des Klägers erfahren hat. Zutreffend hat es bei seiner Würdigung des Pensionsanspruchs unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB auf diese schwere, vorsätzliche und für die riskanten Geldanlagen mitursächliche Verfehlung das entscheidende Gewicht gelegt und nicht, wie die Revision ihm vorwirft, seine Entscheidung allein mit einer fahrlässigen Fehlleistung des Klägers begründet. Sie gibt dem pflichtwidrigen Verhalten des Klägers erst das für eine Versagung des Ruhegelds notwendige ungewöhnliche Gepräge.
2. Die Revision hat aber insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht die Möglichkeit verneint hat, dem Kläger wenigstens einen Teil seiner Berufsunfähigkeitsrente zuzubilligen.
Wie das Bundesarbeitsgericht in einem Falle, in dem der Versorgungsberechtigte erst nach langjähriger Tätigkeit seinen Arbeitgeber vorsätzlich geschädigt hatte, entschieden hat, kann die Vorenthaltung versprochener Versorgungsleistungen auf einen Teil dieser Leistungen zu begrenzen sein (BAG, Urt. v. 19.6.1980 – 3 AZR 137/79, AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Treuebruch = NJW 1981, 188 = EzA § 242 BGB Ruhegeld Nr. 85 mit Anm. Birk). Diese Rechtsprechung ist auf Kritik gestoßen (Birk a.a.O.; Schulin, ZfA 1981, 577, 705). Im Hinblick hierauf hat das Bundesarbeitsgericht in einer späteren Entscheidung dahingestellt sein lassen, ob sie aufrechtzuerhalten sei; ihre Anwendung könnte dazu führen, daß in vielen Fällen schwer voraussehbare Einzelabwägungen erforderlich würden und das Widerrufsrecht des Arbeitgebers letztlich disziplinarischen Charakter annähme (Urt. v. 8.2.1983 – 3 AZR 463/80, WM 1983, 1023 = ZIP 1983, 1113).
Diese Bedenken vermag der Senat nicht zu teilen. Eine Kürzung des vereinbarten Ruhegehalts wegen außerordentlich schwerwiegender Verletzung der betrieblichen Treuepflicht ist keine Strafe für ein Dienstvergehen, das mit ihr geahndet werden soll. Sie trägt vielmehr der Tatsache Rechnung, daß der Versorgungsberechtigte die Leistung, um deretwillen ihm eine Versorgung versprochen worden ist, nicht, wie erwartet, redlich erbracht hat, ohne daß jedoch seinem langjährigen Ausharren im Dienst des Unternehmens nachträglich jeder Wert abzusprechen wäre. In einem solchen Fall kann in dem völligen Entzug des Ruhegehalts mit Rücksicht auf dessen Versorgungszweck eine übermäßige, auch mit dem Entgeltgedanken nicht mehr zu rechtfertigende Folgerung aus dem, sei es auch ungewöhnlich groben, Fehlverhalten des Berechtigten zu sehen sein. Soweit dieses Verhalten einen Eingriff in den Versorgungsanspruch überhaupt zu begründen vermag, kann dieser dann angemessenerweise auf einen Teil des Anspruchs zu beschränken sein.
Der Senat hält es allerdings nicht für sachgerecht, immer dort, wo eine Herabsetzung der Versorgungsbezüge wegen besonders schwerer Verfehlungen des Versorgungsberechtigten in Betracht zu ziehen ist, bei der Berechnung der verbleibenden Rente schematisch auf das Verhältnis der Dienstzeiten vor und nach Beginn der Verfehlungen abzustellen. Es bedarf vielmehr einer Gesamtabwägung, in die nicht nur die Schwere und Dauer des pflichtwidrigen Verhaltens und die daraus entstandenen Folgen für den Pensionsschuldner, sondern auch sonstige, im Rahmen des § 242 BGB erhebliche Umstände, wie insbesondere etwaige positive Leistungen und Verdienste des Versorgungsberechtigten während seiner Gesamtdienstzeit, einzubeziehen sind. Je länger sich dieser schon auf die ihm versprochene Versorgung einstellen konnte und je mehr ihm durch sein Verbleiben im Betrieb andere Möglichkeiten der Altersvorsorge verbaut sind, umso stärker werden solche zu seinen Gunsten sprechenden Umstände eine Rolle spielen können. Eine solche Einzelfallbetrachtung mag die Voraussehbarkeit der Entscheidung beeinträchtigen. Das muß jedoch im Interesse gerechter und sozial ausgewogener Lösungen in Kauf genommen werden. Die Gefahr, daß die Anerkennung eines Teilentzugs von Ruhegeldbezügen zu vermehrten Rechtsstreitigkeiten führen könnte (Birk a.a.O.), ist verhältnismäßig gering, da auch ein nur teilweiser Entzug, wie ausgeführt, nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommt.
4. Das Berufungsgericht hat zwar erwogen, dem Kläger die Berufsunfähigkeitsrente nicht ganz zu entziehen, sondern sie lediglich zu kürzen. Es hält dies jedoch nicht für angebracht und begründet dies einmal mit den erheblichen Vorteilen, die der Kläger aus der grob treuwidrigen jahrelangen Annahme von Schmiergeldern gezogen hat, zum anderen mit dem sehr hohen und nachhaltigen Schaden, den er der Beklagten verursacht hat. Beides sind zwar Gesichtspunkte, die bei der Prüfung, ob dem Versorgungsberechtigten das Ruhegeld ganz oder nur teilweise zu versagen ist, eine wichtige Rolle spielen. Sie sind aber nicht die einzigen Kriterien, zumal die Vorenthaltung der Pension nicht bloß ein Mittel sein darf, Geldansprüche auf vereinfachtem Wege durchzusetzen (BGHZ 55, 274, 279). Es kommt vielmehr wesentlich auch darauf an, wie lange Zeit der Kläger dem Unternehmen der Beklagten einwandfreie Dienste geleistet hat und ob mit Rücksicht auf deren Qualität seine jahrelang aufrechterhaltene Bindung an den Betrieb trotz seiner später festgestellten Verfehlungen und deren Folgen für die Beklagte noch einen Wert verkörpert, der die gänzliche Versagung der versprochenen Pensionsbezüge als unangemessen erscheinen läßt.
Das Berufungsgericht meint zwar, „auch unter Berücksichtigung der ansonsten erfolgreichen Tätigkeit des Klägers für die Beklagte” eine bloße Herabsetzung des Ruhegelds nicht vertreten zu können. Aber ob diese Würdigung richtig ist, läßt sich ohne konkretere Feststellungen über Art und Qualität dieser Tätigkeit nicht beurteilen. Der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 28. September 1982 (S. 3 ff) anhand von Zahlen über das unter seiner Geschäftsführung angestiegene Bauvolumen und den dadurch erreichten Vermögenszuwachs seine Verdienste um die Beklagte darzustellen versucht. Insoweit könnte von Belang sein, ob diese Zahlenangaben darauf schließen lassen, daß er sich besonders tatkräftig und erfolgreich für das Unternehmen der Beklagten eingesetzt hat, oder ob die von ihm mitgeteilten Zuwachszahlen, wie die Beklagte geltend gemacht hat, eine angesichts der damaligen Baukonjunktur allenfalls durchschnittliche Entwicklung widerspiegeln.
III. Es bedarf daher einer weiteren tatsächlichen Klärung und Abwägung. Zu diesem Zweck ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Stimpel, Dr. Schulze, Fleck, Dr. Bauer, Dr. Kellermann
Fundstellen
Haufe-Index 1237630 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1984, 307 |