Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnermittlung einer GmbH & Co.KG auf der Grundlage des Jahresabschlusses und des Gewinnverwendungsbeschlusses. Herabminderung eines Kapitalanteils auf der Grundlage der Bilanz
Leitsatz (amtlich)
a) Gewinn i.S.d. § 172 Abs. 5 HGB ist allein der aufgrund eines Jahresabschlusses und eines Gewinnverwendungsbeschlusses ausgeschüttete Gewinn. Nicht darunter fallen Gewinnvoraus- oder -garantiezahlungen.
b) Ob der Kapitalanteil eines Kommanditisten unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist oder durch eine Gewinnentnahme herabgemindert wird i.S.d. § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB, beurteilt sich allein nach dem Inhalt der Bilanz und nicht nach dem guten Glauben des Gesellschafters.
c) § 172 Abs. 5 HGB setzt eine unrichtige Bilanz voraus.
Normenkette
HGB § 172 Abs. 4-5
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Nürnberg vom 3.3.2008 aufgehoben und das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Amberg vom 20.6.2007 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.361,34 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2006 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Rückzahlung eines Teils des Darlehens, das sie der B. GmbH & Co. KG (im Folgenden: B.) gewährt hat. Der Beklagte ist mit einer eingezahlten Einlage i.H.v. 51.129,19 EUR Kommanditist der B. Auf seinem Kapitalkonto wurden im Jahre 1996 ein Verlustanteil i.H.v. 45.651 EUR und im Jahre 1997 ein solcher i.H.v. 3.145,58 EUR gebucht. Er erhielt in den Jahren 1997 bis 2003 Ausschüttungen i.H.v. 16.361,34 EUR. In Höhe dieses Betrages kündigte die Klägerin das Darlehen und macht den Darlehensrückzahlungsanspruch gegen den Beklagten geltend.
[2] Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
[3] I. Die Revision ist begründet und führt zur Verurteilung des Beklagten gemäß dem Klageantrag.
[4] 1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Zwar sei der Beklagte an sich zur Zahlung der Klageforderung nach § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB verpflichtet, weil an ihn Gewinnanteile ausgezahlt worden seien, obwohl sein Kapitalanteil durch die Verlustzuweisungen unter den Betrag der Einlage herabgemindert gewesen sei. Diese Haftung sei aber durch § 72 Abs. 5 HGB ausgeschlossen. Danach hafte der Kommanditist entgegen § 172 Abs. 4 HGB nicht für solche Ausschüttungen, die er aufgrund einer in gutem Glauben errichteten Bilanz in gutem Glauben als Gewinn erhalten habe. Diese Vorschrift sei - erst Recht - dann anwendbar, wenn die Bilanz - wie hier - inhaltlich richtig sei. Dann komme es nur auf den guten Glauben des Kommanditisten an. Der Beklagte sei gutgläubig gewesen. Unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten als Landwirt und der unklaren Ausführungen in dem Beteiligungsprospekt sei davon auszugehen, dass er nicht in der Lage gewesen sei zu erkennen, dass die Ausschüttungen wegen der vorangegangenen Verlustzuweisungen zum Wiederaufleben seiner persönlichen Haftung führten.
[5] II. Dagegen wehrt sich die Revision mit Erfolg.
[6] Die Klägerin hat gegen den Beklagten gem. §§ 488 Abs. 1 Satz 2, 490 Abs. 1 BGB, §§ 128, 161 Abs. 2, 171 Abs. 1 Halbs. 1 HGB einen Anspruch auf Erfüllung des fällig gestellten Teils des an die B. begebenen Darlehens. Die persönliche Haftung des Beklagten war zwar durch die Zahlung eines Betrages in Höhe seiner im Handelsregister eingetragenen Hafteinlage gem. § 171 Abs. 1 Halbs. 2 HGB ausgeschlossen. Sie ist aber infolge der an ihn geleisteten Ausschüttungen in Höhe der Klageforderung nach § 172 Abs. 4 HGB wieder aufgelebt. Dem steht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Regelung des § 172 Abs. 5 HGB nicht entgegen.
[7] 1. Das Berufungsgericht hat schon verkannt, dass § 172 Abs. 5 HGB nur anwendbar ist auf die Ausschüttung von Gewinn gemäß dem Jahresabschluss und dem Gewinnverwendungsbeschluss, nicht dagegen auf Gewinnvoraus- oder -garantiezahlungen (K. Schmidt in MünchKomm/HGB, 2. Aufl., §§ 171, 172 Rz. 84). Deshalb hat es - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht erörtert, ob die - halbjährlichen - Ausschüttungen an den Beklagten Gewinn in diesem Sinne zum Gegenstand hatten oder ob es sich dabei um "konzeptbedingte" Garantiezahlungen gehandelt hat, wie hier anzunehmen ist (s. unten 2a).
[8] 2. Jedenfalls hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, § 172 Abs. 4 HGB sei nicht anwendbar, wenn an einen gutgläubigen Kommanditisten Gewinn ausgezahlt werde.
[9] a) Grundsätzlich lebt die persönliche Haftung des Kommanditisten aus §§ 128, 171 Abs. 1 HGB, die durch Zahlungen an die Gesellschaft in Höhe der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme ausgeschlossen ist, gem. § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB wieder auf, wenn und soweit der Kommanditist von der Gesellschaft Zahlungen zurückerhält. Das gilt nach § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB auch dann, wenn der Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalkonto durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Hafteinlage herabgemindert ist oder wird. Dabei reicht es aus, dass der Verlust - wie hier - durch steuerliche Sonderabschreibungen entstanden ist (BGHZ 109, 334, 337 ff.).
[10] Die Ausschüttungen an den Beklagten erfüllen diese Voraussetzungen für ein Wiederaufleben der Haftung. In den von der Klägerin vorgelegten Bilanzen der B. war jeweils kein Gewinn, wohl aber ein Verlustvortrag - i.H.v. 7.559.955,15 DM im Jahre 1997 bis zu 3.310.887,50 EUR im Jahre 2003 - ausgewiesen. Die für die Jahre 1999 bis 2003 erzielten Jahresüberschüsse i.H.v. 73.271,81 DM, 137.710,61 DM, 124.305,17 DM, 361.247,93 EUR und 66.165,97 EUR konnten angesichts der hohen Verlustvorträge nichts daran ändern, dass keine Gewinne entstanden waren. Das ergibt sich auch aus § 12 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der B. Darin heißt es, "Gewinne" - d.h. anteilige Jahresüberschüsse - seien den Verlustvortragskonten der Kommanditisten so lange gutzuschreiben, bis diese ausgeglichen seien. Folgerichtig hat die B. in ihren Gewinn- und Verlustrechnungen für 1999 bis 2003 nach dem Ausweis der Jahresüberschüsse die Verlustvorträge aus dem jeweiligen Vorjahr aufgeführt, daraus den Stand des - für alle Kommanditisten zusammengefassten - Verlustvortragskontos errechnet und diesen Betrag in die Bilanz übernommen.
[11] b) Aus § 172 Abs. 5 HGB ergibt sich nichts anderes. Die Vorschrift enthält eine Ausnahme von der Regel des § 172 Abs. 4 HGB nur unter der Voraussetzung, dass die Bilanz einen Gewinn ausweist, obwohl - bei richtiger Bilanzierung - kein Gewinn entstanden ist und sowohl der Kommanditist als auch die Personen, die die Bilanz errichtet haben, gutgläubig von der Richtigkeit der Bilanz ausgehen.
[12] Hier scheitert die Anwendbarkeit des § 172 Abs. 5 HGB schon daran, dass in den Bilanzen ein Gewinn nicht ausgewiesen worden ist. Nur wenn die Bilanzen - nach Verrechnung mit den jeweiligen Verlustvorträgen - Gewinne ausgewiesen hätten, hätte Anlass bestehen können, ein etwaiges Vertrauen des Beklagten in die Richtigkeit des Zahlenwerks zu schützen.
[13] 3. Daraus folgt zugleich, dass § 172 Abs. 5 HGB entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts eine unrichtige Bilanz voraussetzt. Davon geht auch das Schrifttum ganz überwiegend als selbstverständlich aus (von Gerkan/Haas in Röhricht/von Westphalen, HGB 3. Aufl., § 172 Rz. 41; Schilling in Großkomm.z.HGB 4. Aufl., § 172 Rz. 16; K. Schmidt in MünchKomm/HGB §§ 171, 172 Rz. 87 f.; Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB 2. Aufl., § 172 Rz. 52 f.; Heymann/Horn, HGB 2. Aufl., § 172 Rz. 22 f.; Ensthaler/Fahse, HGB 7. Aufl., § 172 Rz. 18 f.; a.A. wohl - soweit ersichtlich allein und ohne nähere Begründung - Baumbach/Hopt, HGB 33. Aufl., § 172 Rz. 10). Ist die Bilanz dagegen - wie hier - zutreffend errichtet worden, kommt es für die Haftung des Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB allein auf den Inhalt der Bilanz an.
[14] 4. Der Beklagte ist auch nicht deshalb von der Haftung befreit, weil er nach Meinung des Berufungsgerichts die Rechtslage unzutreffend beurteilt hat und deshalb der Annahme war, die Jahresüberschüsse dürften an ihn ohne Haftungsfolgen ausgeschüttet werden. Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, dass jeder, der am Rechtsverkehr teilnimmt, die dabei geltenden Regeln zu beachten hat und sich nicht darauf berufen kann, diese Regeln nicht zu kennen. Für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung ist schließlich, ob der Beklagte über seine Haftung in dem Emissionsprospekt der B. zutreffend aufgeklärt worden ist. Denn die Klägerin muss sich etwaige Aufklärungsmängel - anders als die Revisionserwiderung meint - nicht entgegenhalten lassen.
[15] 5. Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, kann der Senat in der Sache entscheiden und die Klage zusprechen.
Fundstellen