Leitsatz (amtlich)

a) Die Erstattung von gem. § 30 GmbHG verbotenen Auszahlungen ist i. S. v. § 31 Abs. 2, 3 GmbHG zur Gläubigerbefriedigung erforderlich, wenn und soweit die GmbH nach den Grundsätzen einer Überschuldungsbilanz (bei Ansatz von Liquidationswerten) überschuldet ist, wobei auch Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (§ 249 Abs. 1 HGB) zu berücksichtigen sind.

b) Bei der - auf den Betrag der Stammkapitalziffer begrenzten - Ausfallhaftung eines GmbH-Gesellschafters gem. § 31 Abs. 3 GmbHG ist dessen eigener Anteil am Stammkapital nicht abzuziehen (Ergänzung zum BGH, Urt. v. 25.2.2002 - II ZR 196/00, BGHZ 150, 61 = BGHReport 2002, 548 = GmbHR 2002, 549).

 

Normenkette

GmbHG §§ 30, 31 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

Brandenburgisches OLG (Urteil vom 11.06.2002)

LG Berlin

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen OLG v. 11.6.2002 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Verwalterin in dem im April 1997 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der B.-GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Ihr Stammkapital von 350.000,00 DM hielten der Beklagte, der zugleich Geschäftsführer war, und seine vier Mitgesellschafter zu gleichen Teilen. In den Jahren 1990/1991 exportierte die im Gebiet der ehemaligen DDR ansässige Schuldnerin Waren, zumeist Computer aus westlicher Produktion, in die ehemalige Sowjetunion und nahm dafür das sog. Transferrubelverfahren in Anspruch. Aus der Konvertierung dieser Verrechnungseinheit erhielt sie von der D. A.bank einen Betrag von knapp 56 Mio. DM. Im Jahr 1994 kündigte ihr die K. (im Folgenden: K.) die Rückforderung der ausbezahlten Beträge an, weil die Voraussetzungen für die Teilnahme am Transferrubelverfahren mit Rücksicht auf die Herkunft der exportierten Waren nicht vorgelegen hätten. Mit Schreiben v. 13.1.1995 verlangte die K. von der Schuldnerin Rückzahlung von 36.024.882,03 DM bis spätestens 13.2.1995. Nachdem die K. im Jahr 1996 Klage gegen die Schuldnerin auf Zahlung eines Teilbetrages von 5 Mio. DM erhoben und das LG Berlin deren Erfolg in der mündlichen Verhandlung v. 23.9.1996 in Aussicht gestellt hatte, bildete die Schuldnerin erstmals in ihrer am 16.10.1996 erstellten Bilanz für das Geschäftsjahr 1995 eine Rückstellung für das Prozessrisiko i. H. v. (nur) 50.000,00 DM. Am 28.10.1996 wurde die Schuldnerin antragsgemäß zur Rückzahlung von 5 Mio. DM verurteilt. Sie hat dagegen Berufung eingelegt, über die wegen Unterbrechung dieses Verfahrens infolge Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens (im April 1997) noch nicht entschieden ist.

Die Gesellschafter der Schuldnerin hatten am 15.12.1994 eine Gewinnvorabausschüttung für das Geschäftsjahr 1994i. H. v. 975.000,00 DM netto bzw. 1,3 Mio. DM brutto beschlossen, wovon die Schuldnerin 195.000,00 DM an den Beklagten und hierauf entfallende Kapitalertragssteuer von 65.000,00 DM an das Finanzamt zahlte. Am 21.11.1995 wurde eine weitere Ausschüttung für 1994i. H. v. 25.000,00 DM brutto beschlossen, wovon die Schuldnerin an den Beklagten unter Verrechnung mit einer Gegenforderung von 3.043,26 DM den verbleibenden Betrag von 612,99 DM und an das Finanzamt Kapitalertragssteuer von 1.250,00 DM sowie Solidaritätszuschlag von 93,75 DM zahlte. Schließlich beschlossen die Gesellschafter am 4.12.1995 die Auszahlung einer Bardividende von insgesamt 620.000,00 DM brutto, wovon der Beklagte 95.325,00 DM erhielt und 31.000,00 DM Kapitalertragssteuer sowie Solidaritätszuschlag von 2.325,00 DM an das Finanzamt bezahlt wurden. Die Ausschüttungsbeschlüsse sind Gegenstand eines Vorprozesses zwischen der (jetzigen) Klägerin als Gesamtvollstreckungsverwalterin und der Schuldnerin gewesen, in dem rechtskräftig festgestellt worden ist, dass die Beschlüsse entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig sind, weil die Schuldnerin unter Berücksichtigung einer gem. § 249 Abs. 1 HGB gebotenen Rückstellung für die streitige Rückzahlungsforderung der K.überschuldet gewesen sei und daher keinen ausschüttungsfähigen Gewinn aufgewiesen habe.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin den Beklagten auf Rückzahlung der an ihn geflossenen Gewinnausschüttungen nebst der hierauf von der Schuldnerin gezahlten Steuern in Höhe eines Gesamtbetrages von 393.650,00 DM aus § 31 GmbHG in Anspruch. Zusätzlich begehrt sie die Feststellung, dass der Beklagte für den Fall der Uneinbringlichkeit entsprechender Rückzahlungsforderungen aus § 31 GmbHG gegenüber seinen Mitgesellschaftern gem. § 31 Abs. 3 GmbHG verpflichtet sei, 25 % des jeweils nicht zu erlangenden Betrages - höchstens jedoch pro Ausfall 87.500,00 DM - an die Klägerin zu zahlen. Weiter verlangt sie von dem Beklagten Rückzahlung des von ihm für März bis Oktober 1996 bezogenen Geschäftsführergehalts von 28.115,24 DM, das er der Schuldnerin unstreitig zunächst zinslos gestundet, jedoch am 12.11.1996 ausgezahlt erhalten hatte. Zu diesem Zeitpunkt sei die Schuldnerin auf jeden Fall überschuldet gewesen, weshalb der Beklagte insoweit Rückzahlung nach § 64 Abs. 2 GmbHG schulde.

Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die - zugelassene - Revision des Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I. Entgegen der Ansicht der Revision schuldet der Beklagte der Klägerin teils gem. § 31 Abs. 1 GmbHG, teils gem. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB Rückzahlung der an ihn ausgeschütteten Gewinne nebst der hierauf gezahlten Steuern.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Schuldnerin bei ordnungsgemäßer Bilanzierung zu den jeweiligen Auszahlungszeitpunkten bilanziell überschuldet war, weil sie wegen der von der K. geltend gemachten Forderung auf Rückzahlung der aus dem Transferrubelverfahren (hierzu BGH v. 7.11.1995 - XI ZR 261/94, BGHZ 131 [149] = MDR 1996, 212; v. 18.6.1996 - XI ZR 260/94, BGHZ 133, 117) erlangten DM-Beträge gem. § 249 Abs. 1 HGB eine Rückstellung für diese ungewisse Verbindlichkeit i. H. v. zumindest 5 Mio. DM hätte bilden müssen, durch die das in der Bilanz per 31.12.1994 (noch) ausgewiesene Eigenkapital von knapp 1,5 Mio. DM bei weitem aufgezehrt worden wäre. Eine Rückstellungspflicht gem. § 249 Abs. 1 HGB besteht gerade auch bei dem Grunde nach ungewissen Verbindlichkeiten jedenfalls dann, wenn ernsthaft mit ihrem Bestand gerechnet werden muss (vgl. Claussen/Korth in Kölner Komm. z. AktG, 2. Aufl. § 249 HGB Rz. 6; Kleindiek in Ulmer, HGB-Bilanzrecht § 249 Rz. 28m. w. N.). Maßgeblich ist insoweit, ob der Bilanzierungspflichtige bei sorgfältiger Abwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstände eine Rückstellungspflicht nicht verneinen durfte (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.1989 - II ZR 172/88, AG 1989, 358 = MDR 1990, 28 = ZIP 1989, 1324 f.). Auch ein faktischer Leistungszwang kann genügen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 28.1.1991 - II ZR 20/90, AG 1991, 174 = MDR 1991, 609 = ZIP 1991, 442 [443 f.]). Diese Grundsätze widersprechen - entgegen der Ansicht der Revision - nicht der Rechtsprechung des BFH, wonach die Verbindlichkeit mit einiger Wahrscheinlichkeit bestehen muss, was dann der Fall ist, wenn mehr Gründe für als gegen das Bestehen und die künftige Inanspruchnahme der Verbindlichkeit sprechen (BFH, Urt. v. 2.10.1992 - III R 54/91, FR 1993, 85 = DB 1993, 204; Urt. v. 30.1.2002 - I R 68/00, FR 2002, 624 = GmbHR 2002, 601 = DB 2002, 871).

a) Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass die von der K. im Jahr 1994 angekündigte und in deren Schreiben an die Schuldnerin v. 13.1.1995 erhobene Rückzahlungsforderung auf einer sowohl im Schrifttum als auch mehrfach von Land- und Oberlandesgerichten vertretenen Rechtsauffassung beruhte. Insbesondere das KG in Berlin hatte bereits in einem Urt. v. 5.10.1993 (KG v. 5.10.1994 - 14 U 5006/92, KGReport Berlin 1994, 196) die Auffassung vertreten, dass das Transferrubelverfahren systemimmanent ausschließlich dem Handel mit innerhalb der RGW-Staaten hergestellten Waren vorbehalten gewesen sei und den Re-Export von zu diesem Zweck eingeführten Waren aus westlicher Produktion nicht miterfasst habe (ebenso KG, Urt. v. 7.11.1994 - 23 U 5828/93, KGReport Berlin 1995, 128; vgl. auch Urt. v. 12.12.1997 - 9 U 8359/94, KGReport Berlin 1998, 324; mit Nichtannahmebeschl. des BGH v. 1.12.1998 - XI ZR 82/98; Brandt, WM 1992, 1745; a. A. Budde/Flüh, ZIP 1992, 369; dieselben EWiR, § 330 ZGB 1/92, 711). Entgegen der Behauptung der Revision war und ist diese Rechtsprechung für den vorliegenden Fall durchaus einschlägig und hatte sich in den Jahren 1994 und 1995 schon so weit verfestigt, dass die Rückzahlungsforderung der K. gegenüber der Schuldnerin damals jedenfalls nicht als "abwegig", sondern ihr Bestehen eher als wahrscheinlich einzustufen war. Ob die Schuldnerin diese Rechtsprechung kannte, ist für ihre Rückstellungspflicht unerheblich, weil diese nach objektiven Kriterien zu bestimmen ist (BGH, Urt. v. 28.1.1991 - II ZR 20/90, AG 1991, 174 = MDR 1991, 609 = ZIP 1991, 442 [444]).

b) Entgegen der Ansicht der Revision durfte die Schuldnerin (B.-GmbH) das Rückzahlungsverlangen der K. nicht mit Rücksicht auf die ihr angeblich erteilten staatlichen Genehmigungen für die Teilnahme am Transferrubelverfahren als offensichtlich haltlos betrachten und daher von der Rückstellung absehen. Die Revisionserwiderung weist zu Recht darauf hin, dass der Antrag der Schuldnerin an das Wirtschaftsministerium der DDR v. 14.5.1990 auf Genehmigung einer "Außenhandelstätigkeit für Büroausstattungen" keinen Hinweis auf den beabsichtigten Re-Export von Westwaren enthalte. Infolgedessen konnte die Schuldnerin aus dem allgemein gehaltenen Antwortschreiben des Ministerrats v. 17.5.1990 ("keine Einwände") keinen Vertrauenstatbestand hinsichtlich einer staatlichen Zulassung zur Teilnahme am Transferrubelverfahren (zu diesem Erfordernis vgl. BGH v. 18.6.1996 - XI ZR 260/94, BGHZ 133, 117 [123 ff.]) für die durchgeführten Geschäfte herleiten. Soweit die Revision geltend macht, die einzelnen Exportaufträge der Schuldnerin seien im Wege der Trockensiegelung durch das Wirtschaftsministerium der DDR genehmigt worden, verhilft auch das der Revision nicht zum Erfolg. Der dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat beispielhaft vorgelegte Exportauftrag mit der Endnummer 00025 wird - abgesehen von seiner revisionsrechtlichen Unverwertbarkeit - in dem andere Exportaufträge der Schuldnerin betreffenden Rückforderungsschreiben der K. v. 13.1.1995 gar nicht erwähnt. Des Weiteren übersieht die Revision, dass das - auf einem Betriebsprüfungsbericht der OFD Cottbus v. 12.3.1993 fußende - Rückforderungsschreiben nicht auf das Fehlen trockengesiegelter Exportaufträge und nicht allein auf die Herkunft der exportierten Waren, sondern auch auf verschiedene Unregelmäßigkeiten in der Abwicklung der Geschäfte gestützt ist, wie z. B. Fehlen von Herstellererklärungen, fehlende Übereinstimmung zwischen Genehmigungen und Lieferungen, nicht genehmigte Vertragsänderungen sowie insbesondere Lieferungen nach Abschluss der Ausschlussfrist für das Transferrubelverfahren zum 31.1.1991. Allein der Wert dieser verspäteten und deshalb den Konvertierungsbedingungen nicht mehr entsprechenden Lieferungen (vgl. Bek. des Bundesamtes für Wirtschaft v. 18.10.1990i. d. F. der Änderung v. 5.12.1990 BAnz. Nr. 228v. 8.12.1990, S. 6471, Abschn. D) belief sich nach dem Betriebsprüfungsbericht auf 9,7 Mio. DM, so dass die Schuldnerin mit einer Rückzahlungsverpflichtung zumindest in dieser Höhe - sei es aus § 330 oder aus § 356 ZGB - ernsthaft rechnen musste. Dies sowie die erheblich weiter gehende Zahlungsforderung der K. und die dafür in ihrem Rückforderungsschreiben angeführten Gründe hätten einen sorgfältigen Kaufmann in der Lage der Schuldnerin zu einer Rückstellung von wenigstens 5 Mio. DM veranlasst.

c) Soweit die Revision meint, eine Rückstellungsverpflichtung bestehe selbst bei Annahme eines Rückforderungsanspruchs der K. deshalb nicht, weil der Schuldnerin dann ein Gegenanspruch auf Erstattung der von der K. eingenommenen XTR-Rubel zustünde, geht dies fehl (vgl. BGH v. 7.11.1995 - XI ZR 261/94, BGHZ 131, 149 [156] = MDR 1996, 212; v. 18.6.1996 - XI ZR 260/94, BGHZ 133, 117 [126 f.]).

2. Nicht zu beanstanden ist weiter die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Schuldnerin die Rückstellung (von mindestens 5 Mio. DM) bereits in die Bilanz für das Geschäftsjahr 1994 hätte aufnehmen müssen. Dabei kann dahinstehen, ob die entsprechende Verpflichtung schon durch die Ankündigung des Rückforderungsanspruchs der K. im Jahr 1994 oder erst mit dessen Konkretisierung im Schreiben v. 13.1.1995 ausgelöst wurde. Denn nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sind bei der Bilanzierung auch wertaufhellende, bis zum Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt gewordene Umstände, die sich auf Gegebenheiten im abgelaufenen Geschäftsjahr beziehen, zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. 28.1.1991 - II ZR 20/90, AG 1991, 174 = MDR 1991, 609 = ZIP 1991, 442 [444]; BFH, Urt. v. 2.10.1992 - III R 54/91, FR 1993, 85 = DB 1993, 204). Dass der Jahresabschluss der Schuldnerin für das Jahr 1994 am 13.1.1995 noch nicht aufgestellt war, hat das Berufungsgericht von der Revision unbeanstandet festgestellt.

3. a) Bestand sonach eine Rückstellungspflicht der Schuldnerin i. H. v. zumindest 5 Mio. DM spätestens ab Erhalt des Schreibens der K. v. 13.1.1995, so wies sie jedenfalls von da an (bei einem bilanzierten Eigenkapital von ca. 1,5 Mio. DM im Jahresabschluss 1994) eine Unterbilanz und eine darüber hinausgehende Überschuldung erheblichen Umfangs auf, mit der Folge, dass die nachfolgenden Ausschüttungen an den Beklagten (und seine Mitgesellschafter) gegen § 30 GmbHG verstießen und daher der Rückforderung gem. § 31 Abs. 1 GmbHG unterliegen.

b) Die Ausschüttung v. 15.12.1994 (260.000,00 DM) hat der Beklagte - entgegen der Ansicht der Revision - schon deshalb zurückzuzahlen, weil es sich nach den tatbestandlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils um eine Vorabausschüttung handelte und diese nach einhelliger Ansicht unter dem Vorbehalt der Rückforderung gem. § 812 Abs. 1 S. 2 BGB für den Fall eines der Ausschüttung nicht entsprechenden Jahresergebnisses steht (vgl. z. B. Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 29 Rz. 61), das Jahresergebnis der Schuldnerin wegen der erforderlichen Rückstellung aber negativ war. Es kommt deshalb insoweit (anders als im Rahmen des § 30 GmbHG; vgl. dazu BGH, Urt. v. 29.5.2000 - II ZR 118/98, MDR 2000, 1082 = GmbHR 2000, 771 = WM 2000, 1445 f.) nicht darauf an, ob zurzeit der Vorabausschüttung eine Unterbilanz vorlag.

4. Entgegen der Ansicht der Revision ist die (in dem Rechtsstreit zwischen der K. und der Klägerin als Gesamtvollstreckungsverwalterin der Schuldnerin) zu treffende Entscheidung über das Bestehen des Rückforderungsanspruchs der K. für die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit nicht deshalb "vorgreiflich", weil bei rechtskräftiger Verneinung dieses Anspruchs die für ihn zu bildende Rückstellung aufzulösen wäre.

a) Für Ansprüche aus § 31 Abs. 1 GmbHG sind allein die bilanziellen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Auszahlung maßgebend. Liegt danach ein Verstoß gegen § 30 GmbHG vor, so entfällt der Erstattungsanspruch nach § 31 Abs. 1 GmbHG durch spätere Auffüllung des Stammkapitals nicht (vgl. BGH v. 29.5.2000 - II ZR 118/98, BGHZ 144, 336 = MDR 2000, 1082 = GmbHR 2000, 771). Im Fall einer bilanziellen Unterdeckung infolge einer Rückstellung, die erst nach rechtskräftiger Abweisung des zugrunde liegenden Anspruchs mit Wirkung von da an aufzulösen ist (vgl. BFH, Urt. v. 30.1.2002 - I R 68/00, FR 2002, 624 = GmbHR 2002, 601 = DB 2002, 871), gilt nichts anderes. Sie ist kein fiktives, sondern ein reguläres, im Rahmen des § 30 GmbHG zu berücksichtigendes Passivum. Die Rückstellung soll i. V. m. § 30 GmbHG sicherstellen, dass auch die zur Bedienung ungewisser Verbindlichkeiten (mit einem gewissen Abschlag) ggf. erforderlichen Mittel im Gesellschaftsvermögen verbleiben und nicht an Gesellschafter ausgeschüttet werden. Für eine bilanzielle Unterdeckung ist gleichgültig, ob diese auf Rückstellungen oder auf (sonstigen) Verbindlichkeiten beruht, was sich regelmäßig auch gar nicht monokausal verifizieren lässt. Es würde der sofortigen Fälligkeit des Anspruchs aus § 31 GmbHG widersprechen, wenn die Gesellschaft mit dessen Realisierung im Fall einer ungewissen, in eine Rückstellung eingegangenen Verbindlichkeit zuwarten müsste, bis der Streit darüber rechtskräftig entschieden oder sonst wie zu ihren Gunsten beigelegt ist. In der Insolvenz der Gesellschaft - wie hier - gilt nichts anderes.

b) Der Rückforderungsvorbehalt im Fall einer Vorabausschüttung von Gewinn (wie hier diejenige v. 15.12.1994) ist an das Ergebnis des laufenden Geschäftsjahres gekoppelt und entfällt ebenfalls nicht bei einer Bilanzverbesserung in späteren Jahren, solange die Gesellschafter nicht eine erneute Gewinnausschüttung unter Verrechnung mit der Rückforderung beschließen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts spielt es keine Rolle, ob der Vorabausschüttungsbetrag zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger benötigt wird.

5. Soweit die Rückforderungsansprüche der Klägerin aus § 31 GmbHG resultieren (Ausschüttungen v. 21.11.und 4.12.1995), scheitern sie auch nicht, wie die Revision meint, an § 31 Abs. 2 GmbHG.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Beklagte spätestens nach Erhalt des Schreibens der K. v. 13.1.1995 nicht mehr gutgläubig i. S. v. § 31 Abs. 2 GmbHG. Die Revision hält dem den vorinstanzlichen Vortrag des Beklagten entgegen, wonach die von der Schuldnerin beauftragten Anwälte und Wirtschaftsprüfer die Forderung der K. für völlig unbegründet erachtet hätten. Abgesehen davon, dass der Beklagte für seine Gutgläubigkeit i. S. v. § 31 Abs. 2 GmbHG beweispflichtig wäre und die Revision keinen Beweisantritt dafür aufzeigt, kommt es darauf nicht an, weil die Klagesumme i. S. v. § 31 Abs. 2 GmbHG zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Auch in diesem Rahmen ist - entgegen der Ansicht der Revision - nicht zu entscheiden, ob die in einer Rückstellung berücksichtigte Verbindlichkeit effektiv besteht, was in dem Rechtsstreit über den Anspruch aus § 31 Abs. 2 GmbHG auch gar nicht mit Rechtskraftwirkung gegenüber einem oder u. U. zahlreichen Forderungsprätendenten geschehen könnte. Maßgeblich ist vielmehr auch insoweit eine bilanzielle Betrachtungsweise, und zwar - jedenfalls im hier gegebenen Fall der Insolvenz der Gesellschaft - nach den Grundsätzen einer Überschuldungsbilanz (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO), die das Schuldendeckungspotenzial der Gesellschaft nach Liquidationswerten zeigt, wobei es für § 31 Abs. 2 GmbHG - anders als die Revision offenbar meint - nicht auf den Vermögensstatus zum Zeitpunkt der verbotenen Auszahlung, sondern denjenigen der tatrichterlichen Verhandlung über den Anspruch aus § 31 Abs. 2 GmbHG ankommt (vgl. Scholz/Westermann, GmbHG, 9. Aufl., § 31 Rz. 23). Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht zwar nicht getroffen. Das ist aber hier unschädlich, weil Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, solange bis ihre Erledigung feststeht, aus den dargelegten Gründen auch in einer Überschuldungsbilanz (mit Ansatz von Liquidationswerten) zu berücksichtigen sind (vgl. Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 17. Aufl., § 29 Rz. 13, 25; Kirchhof in Heidelberger Komm. zur InsO, § 19 Rz. 24). Da die Schuldnerin nach den auf ihrer Geschäftsbilanz (bei Ansatz von Fortführungswerten) beruhenden Feststellungen des Berufungsgerichts unter Berücksichtigung der Rückstellung bereits Ende 1994 in einem die Ausschüttungen an den Beklagten und seine Mitgesellschafter erheblich übersteigenden Umfang (bilanziell) überschuldet war und nennenswerte stille Reserven weder von der Revision geltend gemacht noch ersichtlich sind, kann von einer zumindest gleich hohen (tatsächlichen) Überschuldung (nach Liquidationswerten) im gegebenen Fall unbedenklich ausgegangen werden.

6. Dahinstehen kann, ob die in dem Rechtsstreit zwischen der Klägerin in ihrer Funktion als Gesamtvollstreckungsverwalterin und der Schuldnerin rechtskräftig festgestellte Nichtigkeit der Ausschüttungsbeschlüsse entsprechend §§ 248 Abs. 1, 249 Abs. 1 AktG auch gegenüber dem Beklagten wirkt (zur Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage eines Insolvenzverwalters vgl. Hüffer, AktG, 4. Aufl., § 245 Rz. 29; K. Schmidt in Großkomm. z. AktG, 4. Aufl., § 245 Rz. 37) und die Klägerin ihre Ansprüche daher auch schon auf § 812 Abs. 1 S. 1 BGB stützen kann, wie das Berufungsgericht in einer - von der Revisionserwiderung favorisierten - Hilfsbegründung angenommen hat. Jedenfalls werden die speziellen Regelungen der §§ 30 bis 32 GmbHG auch bei Nichtigkeit eines Ausschüttungsbeschlusses durch § 812 BGB nicht verdrängt (vgl. Scholz/Westermann, GmbHG, 9. Aufl., § 32 Rz. 5), wovon auch der BGH v. 29.5.2000 - II ZR 118/98, BGHZ 144, 336 = MDR 2000, 1082 = GmbHR 2000, 771 implizit ausgegangen ist.

7. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Beklagten auch zur Erstattung der von der Schuldnerin für ihn abgeführten Kapitalertragssteuer verurteilt. Steuerschuldner ist insoweit der Beklagte (vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Die Schuldnerin hatte den Abzug gem. § 44 EStG für seine Rechnung vorzunehmen (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 17. Aufl., § 29 Rz. 92). Dass Leistungen der Gesellschaft an einen Dritten für Rechnung eines Gesellschafters unter § 30 GmbHG fallen können, ist anerkannten Rechts (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 17. Aufl., § 30 Rz. 17m.N.). Die Rückabwicklung des Steuerrechtsverhältnisses hat im Verhältnis zwischen dem Beklagten und dem Finanzamt zu erfolgen, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt.

II. Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter die Ausfallhaftung des Beklagten gem. § 31 Abs. 3 GmbHG für den Fall der Uneinbringlichkeit der von der Klägerin gegenüber den Mitgesellschaftern des Beklagten geltend gemachten Erstattungsansprüche aus § 31 Abs. 1 GmbHG festgestellt.

1. Der Feststellungsantrag ist gem. § 256 ZPO zulässig, was auch die Revision nicht bezweifelt. Das festzustellende Rechtsverhältnis steht zwar unter einer doppelten Bedingung sowohl des Bestehens der Ansprüche der Klägerin aus § 31 GmbHG gegenüber den Mitgesellschaftern des Beklagten als auch der Uneinbringlichkeit dieser Ansprüche. Jedoch kann Gegenstand einer Feststellungsklage gem. § 256 ZPO auch ein bedingtes Rechtsverhältnis sein (vgl. BGH BGHZ 4, 134, st. Rspr.). Das Feststellungsinteresse ergibt sich schon aus der drohenden Verjährung (§ 31 Abs. 5 GmbHG).

2. Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Entgegen der Ansicht der Revision hatte das Berufungsgericht auch im Hinblick auf die in § 31 Abs. 3 GmbHG vorausgesetzte Erforderlichkeit des Erstattungsbetrages zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht zu entscheiden, ob die in einer Rückstellung der Schuldnerin zu berücksichtigende Verbindlichkeit gegenüber der K. effektiv besteht. Vielmehr gelten insoweit die obigen Ausführungen (zu 5) entsprechend. Maßgebend ist hier, dass die Überschuldung der in der Insolvenz befindlichen Schuldnerin unter Mitberücksichtigung der streitigen Rückstellung erheblich höher ist als der von dem Beklagten höchstens zu leistende Erstattungsbetrag (unter Einschluss seiner Eigenhaftung gem. § 31 Abs. 1 GmbHG).

a) Die Höhe der von dem Berufungsgericht ausgeurteilten Ausfallhaftungsquote des Beklagten beanstandet die Revision nicht. Die antragsgemäße Beschränkung der Ausfallhaftung des Beklagten auf 25 % des von dem jeweiligen Mitgesellschafter nicht zu erlangenden Betrages trägt der paritätischen Beteiligung der fünf Gesellschafter am Stammkapital der Schuldnerin (von 350.000,00 DM) und der anteiligen Haftung des Beklagten bei Ausfall eines von ihnen gem. § 31 Abs. 3 S. 1 GmbHG Rechnung, berücksichtigt allerdings nicht die höhere Haftungsquote des Beklagten bei Ausfall mehrerer Mitgesellschafter, was aber den Beklagten nicht beschwert. Die zusätzliche Begrenzung des Feststellungsantrags auf einen vom Beklagten zu zahlenden Höchstbetrag von 87.500,00 DM pro Ausfall, bei Ausfall seiner sämtlichen vier Mitgesellschafter also auf den Betrag des Stammkapitals der Schuldnerin von 350.000,00 DM, entspricht dem Senatsurteil v. 25.2.2002 (BGH, Urt. v. 25.2.2002 - II ZR 196/00, BGHReport 2002, 548 = GmbHR 2002, 549 = ZIP 2002, 848) insofern, als danach die Ausfallhaftung des § 31 Abs. 3 GmbHG nicht den gesamten durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag erfasst, sondern jedenfalls nach oben hin auf den Betrag der Stammkapitalziffer beschränkt ist. Für eine weiter gehende Beschränkung auf den Stammeinlagebetrag des jeweiligen Mitgesellschafters (hier 70.000,00 DM) in Parallele zu § 24 GmbHG (so K. Schmidt, BB 1995, 529 [530 f.]; derselbe Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. § 37 III 2 b) besteht wegen des gegenüber § 24 GmbHG ungleich höheren Fehlbetrags in den von § 31 Abs. 3 GmbHG miterfassten Überschuldungsfällen (dazu BGH, Urt. v. 5.2.1990 - II ZR 114/89, GmbHR 1990, 249 = MDR 1990, 802 = ZIP 1990, 451) kein Anlass (Ulmer, FS 100 Jahre GmbHG, S. 363, 372; offen gelassen im BGH, Urt. v. 25.2.2002 - II ZR 196/00, BGHZ 150, 61 = BGHReport 2002, 548 = GmbHR 2002, 549). Ebensowenig besteht - wiederum wegen der unterschiedlichen Verhältnisse gegenüber § 24 GmbHG - Anlass, die Solidarhaftung des Mitgesellschafters auf das Stammkapital abzgl. seiner eigenen Einlage zu beschränken (so aber Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl., § 31 Rz. 21). Das gilt erst recht dann, wenn er - wie hier der Beklagte - neben seiner Ausfallhaftung gem. § 31 Abs. 3 GmbHG selber die Rückzahlung von seinen Anteil am Stammkapital erreichenden oder übersteigenden Zahlungen gem. § 31 Abs. 1 GmbHG schuldet. Denn seine Ausfallhaftung gem. § 31 Abs. 3 GmbHG würde selbst dann bis zur Höhe der gesamten Stammkapitalziffer reichen, wenn er selber keine nach § 30 GmbHG verbotene Leistung empfangen hätte. Er kann hinsichtlich seiner Ausfallhaftung nicht deshalb besser stehen, weil er seinerseits solche verbotenen Leistungen ebenfalls empfangen hat und deshalb zurückzahlen muss.

b) Davon abgesehen haftet der Beklagte als Geschäftsführer der Schuldnerin gem. § 43 Abs. 3 S. 1, 3 GmbHG für sämtliche gegen § 30 GmbHG verstoßenden Ausschüttungen. Von einem Verschulden des Beklagten ist in Anbetracht seiner von dem Berufungsgericht festgestellten Bösgläubigkeit i. S. v. § 31 Abs. 2 GmbHG (vgl. oben I. 5.) sowie deshalb auszugehen, weil fehlendes Verschulden nicht bewiesen ist (vgl. BGH, Urt. v. 4.11.2002 - II ZR 224/00, MDR 2003, 339 = GmbHR 2003, 113 = BGHReport 2003, 114 = AG 2003, 381 = ZIP 2002, 2314). Die von dem Berufungsgericht festgestellte Ausfallhaftung bleibt hinter dieser umfassenden Haftung des Beklagten zurück.

III. Zu Recht hat schließlich das Berufungsgericht den Beklagten zur Rückerstattung der von ihm zunächst der Schuldnerin gestundeten und am 12.11.1996 ausbezahlten Geschäftsführergehälter für März bis Oktober 1996i. H. v. 28.115,24 DM aus § 64 Abs. 2 GmbHG sowie unter dem Gesichtspunkt des Eigenkapitalersatzes verurteilt. Die Schuldnerin war schon auf Grund der in dem Jahresabschluss 1994 gebotenen Rückstellung, erst recht aber nach der von dem Gesellschafter Be. am 4.12.1996 festgestellten Überschuldung von ca. 200.000,00 DM (ohne Rückstellung) und vollends nach Ankündigung und Erlass des landgerichtlichen Urteils auf Rückzahlung von 5 Mio. DM an die K. für einen außenstehenden Gläubiger nicht mehr kredit-würdig, sodass die "stehen gelassenen" Geschäftsführergehälter in Eigenkapitalersatz umqualifiziert wurden und daher dem Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG in entsprechender Anwendung unterlagen (vgl. BGH v. 26.3.1984 - II ZR 14/84, BGHZ 90, 370 [378 ff.] = GmbHR 1984, 313 = MDR 1984, 737). Zudem war die Schuldnerin spätestens nach Erlass des landgerichtlichen (vorläufig vollstreckbaren) Urteils konkursreif überschuldet, so dass die Gehaltsauszahlung auch gegen § 64 Abs. 2 GmbHG verstieß.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1058744

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