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BGH Urteil vom 22.03.2004 - II ZR 7/02

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Entscheidungsstichwort (Thema)

GmbH. Tilgungswirkung. Stammeinlage zur endgültigen freien Verfügung der Geschäftsführung. Zeitgleiche und summenmäßig identische Barein- und auszahlung. Zahlung aus Gesellschaftsmitteln

 

Leitsatz (amtlich)

Die Stammeinlageverpflichtung wird durch eine am selben Tag über ein Konto der (Vor-)GmbH abgewickelte, der Höhe nach identische Barein- und Barauszahlung nicht getilgt, wenn es sich bei dem Zahlungsvorgang entweder um eine bloße Hin- und Herzahlung oder um eine Zahlung aus Mitteln der Gesellschaft handelt.

 

Normenkette

GmbHG § 19 Abs. 1-2, 5

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 07.11.2001)

LG Traunstein

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG München v. 7.11.2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Durch Gesellschaftsvertrag v. 4.5.1993 wurde die M. Vertriebs GmbH errichtet. Einziger Gesellschafter der mit einem Stammkapital von 100.000 DM ausgestatteten GmbH war der Beklagte, der seinen Geschäftsanteil treuhänderisch für W. B., den Geschäftsführer der Gesellschaft, hielt. Ein unter dem Namen der GmbH eröffnetes Konto wies am 30.4.1993 ein Guthaben von 100.000 DM auf. Über dieses Konto - die zeitliche Reihenfolge ist streitig - wurden am 4.5.1993 durch den Treugeber B. eine Einzahlung und eine Auszahlung von 100.000 DM abgewickelt.

Der zum Insolvenzverwalter der GmbH bestellte Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung seiner Stammeinlage von 100.000 DM in Anspruch. Das LG hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das OLG.

I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Einlage ordnungsgemäß erbracht worden. Falls nach der Einzahlung von 100.000 DM eine Auszahlung in gleicher Höhe erfolgt sei, berühre dies nicht die Wirksamkeit der Stammeinlageleistung, weil auf dem Konto auch nach der Barabhebung ein Betrag von 100.000 DM vorhanden gewesen sei. Im umgekehrten Fall einer zunächst bewirkten Auszahlung sei die Stammeinlage durch die spätere Einzahlung erbracht worden, weil kein Verbot bestanden habe, das auf dem Konto befindliche Guthaben zu entnehmen.

II. Diese Würdigung des OLG hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Dies gilt ungeachtet dessen, ob die Einzahlung oder die Auszahlung zuerst erfolgte. In beiden Fällen fehlt es an einer Bewirkung der Einlage zur endgültig freien Verfügung des Geschäftsführers (§ 8 Abs. 2 S. 1 GmbHG).

1. Wurde der am 4.5.1993 auf das Konto eingezahlte Betrag anschließend noch am selben Tage abgehoben, so wurde die Einlageschuld des Beklagten nicht erfüllt.

An einer Leistung der geschuldeten Bareinlage zur endgültigen freien Verfügung der Geschäftsführer fehlt es jedenfalls bei einer reinen Scheinzahlung, bei der die im Voraus abgesprochene Rückzahlung keinen außerhalb dieser Abrede liegenden Rechtsgrund hat (BGH v. 18.2.1991 - II ZR 104/90, BGHZ 113, 335 [347] = AG 1991, 230 = GmbHR 1991, 255 = MDR 1991, 606). Ebensowenig tilgt die Hin- und Herzahlung des Einlagebetrags binnen weniger Tage die Einlageschuld, weil in einem solchen Falle vermutet wird, dass die Leistung nicht zur endgültig freien Verfügung der Geschäftsführung gestanden hat (BGH v. 18.2.1991 - II ZR 104/90, BGHZ 113, 335 [348] = AG 1991, 230 = GmbHR 1991, 255 = MDR 1991, 606; Urt. v. 17.9.2001 - II ZR 275/99, MDR 2002, 41 = GmbHR 2001, 1114 = BGHReport 2002, 23 = ZIP 2001, 1997 m. w. N.; Urt. v. 16.3.1998 - II ZR 303/96, GmbHR 1998, 588 = ZIP 1998, 780 [782]). Eine Erfüllungswirkung kommt, ohne dass der nahe liegenden Möglichkeit eines Scheingeschäfts näher nachgegangen zu werden braucht, angesichts des überaus engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Ein- und Auszahlung nicht in Betracht. Es fehlt an einer effektiven Zufuhr der Bareinlage, durch die der Einleger seine Verfügungsmacht über die Barmittel endgültig und ohne Vorbehalte zu Gunsten der Gesellschaft aufgibt.

2. Ebenso scheidet eine Tilgung der Einlageschuld aus, wenn der am 4.5.1993 dem Konto entnommene Betrag von 100.000 DM unmittelbar danach dem Konto zwecks Begleichung der Einlageschuld wieder zugeführt wurde.

Die Stammeinlage kann von einem Dritten (§ 267 BGB) oder durch den Gesellschafter mithilfe von Mitteln eines Dritten erbracht werden. Zahlungen aus dem Vermögen der GmbH, die dem Gesellschafter als Darlehen oder in sonstiger Weise überlassen werden, sind jedoch zur Tilgung der Einlageschuld nicht geeignet (BGH v. 2.12.2002 - II ZR 101/02, BGHZ 153, 107 [110] = MDR 2003, 464 = GmbHR 2003, 231 = BGHReport 2003, 228; BGHZ 28, 77 f.). Durch die Einzahlung des zuvor abgehobenen Betrags wurde die Einlage aus Mitteln der GmbH erbracht. Diese Transaktion steht einem verbotenen Erlass der Einlageschuld (§ 19 Abs. 2 GmbHG) gleich, weil der Gesellschafter von seiner Einlageschuld befreit wird, ohne selbst etwas aufgewendet zu haben. Selbst wenn der Abhebung ein gegen die (Vor-)Gesellschaft gerichteter Entnahmeanspruch zu Grunde gelegen haben sollte, hätte die Erbringung der Einlage mithilfe der auf diese Weise erlangten Mittel unter den gegebenen Umständen nur unter Beachtung besonderer, im vorliegenden Fall nicht erfüllter Bedingungen (BGH v. 18.2.1991 - II ZR 104/90, BGHZ 113, 335 = AG 1991, 230 = GmbHR 1991, 255 = MDR 1991, 606; Urt. v. 26.5.1997 - II ZR 69/96, GmbHR 1997, 788 = ZIP 1997, 1337) schuldbefreiende Wirkung erlangen können.

III. Im Rahmen der neuen mündlichen Verhandlung wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die Einlageverpflichtung des Beklagten durch eine vor Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages geleistete Zahlung von 100.000,00 DM beglichen wurde. Eine die Einlageschuld tilgende Wirkung könnte eine solche Zahlung allerdings nur haben, wenn der Zahlungsbetrag als Einlage geleistet wurde und soweit er unversehrt auf die Vorgesellschaft überging. War allerdings unter Verwendung dieses Geldbetrages bereits ein Geschäftsbetrieb eröffnet und mit seinen Aktiva und Passiva auf die Vorgesellschaft übertragen worden, so scheidet eine Begleichung der Bareinlageverpflichtung aus (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2004 - II ZR 210/01, z.V. in BGHZ bestimmt; Urt. v. 22.6.1992 - II ZR 30/91, GmbHR 1992, 601 = MDR 1992, 1136 = NJW 1992, 2698 f.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1157802

DB 2004, 1199

DStR 2004, 1096

DStZ 2004, 464

WPg 2004, 638

NWB 2004, 2706

BBK 2004, 584

BGHR 2004, 1088

GmbH-StB 2004, 199

MittBayNot 2004, 373

NZG 2004, 618

StuB 2004, 576

WM 2004, 1140

WuB 2004, 673

ZIP 2004, 1046

MDR 2004, 889

Rpfleger 2004, 495

GmbHR 2004, 896

NJW-Spezial 2004, 125

ZNotP 2004, 365

SJ 2004, 39

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      (1) Die Einzahlungen auf die Geschäftsanteile sind nach dem Verhältnis der Geldeinlagen zu leisten.  (2) 1Von der Verpflichtung zur Leistung der Einlagen können die Gesellschafter nicht befreit werden. 2Gegen den Anspruch der Gesellschaft ist die ...

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