Leitsatz (amtlich)
Hat das für die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern zuständige Organ einem aus seiner Mitte gebildeten Ausschuß die Regelung des Anstellungsverhältnisses der Vorstandsmitglieder übertragen, so darf dieser Ausschuß nicht durch den verfrühten Abschluß eines Anstellungsvertrags oder dessen vorzeitige Kündigung einer Entscheidung des übergeordneten Gesamtorgans über die Bestellung oder deren Widerruf vorgreifen. Ebensowenig kann er wirksam durch Vertrag mit einem Vorstandsmitglied einverständlich die Beendigung des Vorstandsamts herbeiführen, auch nicht in Verbindung mit einer Bereinigung des Anstellungsverhältnisses.
Normenkette
AktG § 107; NRW-SparkassenG (NRW-SpkG) § 42
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 13.07.1979) |
LG Düsseldorf (Urteil vom 31.05.1978) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. Juli 1979 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 31. Mai 1978 wird zum Hauptantrag der Klage zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über den Hilfsantrag des Klägers wird die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten sämtlicher Rechtszüge vorbehalten bleibt.
Tatbestand
Der Kläger war seit dem 1. Januar 1969 Mitglied und Vorsitzender des Vorstands der Beklagten, eines Kreditinstituts in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, deren Gewährträger das Land Nordrhein-Westfalen, die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe sowie der Rheinische und der Westfälisch-Lippische Sparkassen- und Giroverband sind. Sein Anstellungsverhältnis war durch Vertrag vom 30. Januar 1969 geregelt.
Seit Juni 1977 lief gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechung. Am 2. Dezember 1977 beschloß der Verwaltungsrat der Beklagten, die sonst am 31. Dezember 1978 auslaufende Amtszeit des Klägers auf weitere fünf Jahre zu verlängern und die Bedingungen des Anstellungsvertrages bis zu einer vorgesehenen Neuregelung fortgelten zu lassen. In der Folgezeit wurden im Landeskabinett Überlegungen angestellt, wie man mit Rücksicht auf das gegen den Kläger schwebende Ermittlungsverfahren Schaden von der Beklagten abwenden könnte. Nachdem der Justizminister einen Bericht der Staatsanwaltschaft angefordert und erhalten hatte, kam es auf Einladung des Finanzministers, der dem Verwaltungsrat der Beklagten und zugleich dessen Präsidialausschuß angehörte, und im Einvernehmen mit der Bankenaufsicht am 22. Dezember 1977 zu einer Besprechung, an der Vertreter der fünf Gewährträger sowie der Kläger und ein weiteres Vorstandsmitglied der Beklagten teilnahmen.
Nach längeren Verhandlungen wurden beiderseitige Erklärungen formuliert; danach bekundete der Kläger mit einer für die Presse bestimmten Begründung seine Bereitschaft, Vorsitz und Mitgliedschaft im Vorstand der Beklagten niederzulegen, wogegen die Vertreter der Gewährträger folgendes vorschlugen:
- „Die Rücktrittserklärung von Herrn Dr. P. (Kläger) wird angenommen.
An die Stelle des noch laufenden und des Verlängerungsvertrages tritt ein Auflösungsvertrag mit folgendem Inhalt:
- Bezüge und Tantiemen aus dem noch laufenden Vertrag werden bis zu dessen Ablauf (31. Dezember 1978) gewährt.
Die Bezüge ohne Tantiemen werden gezahlt in der Zeit vom 1. Januar 1979 bis 31. Dezember 1983.
Diese Vereinbarung steht unter der auflösenden Bedingung, daß es nicht zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommt. In diesem Fall wird die am 1. Januar 1979 erdiente Pension ungekürzt gezahlt.
- Ab 1. Januar 1984 wird die vertragsgemäße Pension jedenfalls gezahlt.
- Die Nebenabreden aus dem bestehenden Dienstrechtsverhältnis gelten sinngemäß weiter.”
Diesem Verhandlungsergebnis stimmte der Präsidialausschuß des Verwaltungsrats in einer Sitzung vom folgenden Tage zu.
Nachdem das anschließend bekanntgegebene Ausscheiden des Klägers zu Diskussionen in der Öffentlichkeit und zu politischen Auseinandersetzungen geführt hatte, beschloß der Verwaltungsrat der Beklagten am 16. Januar 1978, den Kläger als Mitglied und Vorsitzenden des Vorstands aus wichtigen Gründen abzuberufen und seinen Anstellungsvertrag fristlos zu kündigen. Dieser Beschluß wurde dem Kläger am folgenden Tage mitgeteilt.
Der Kläger hält den Beschluß für unwirksam, weil seine Rechtsbeziehungen zur Beklagten schon am 22. und 23. Dezember 1977 durch Vergleich mit dem hierfür zuständigen Präsidialausschuß endgültig und unter Ausschluß künftiger Erörterungen geregelt worden seien. Er hat beantragt festzustellen, daß dieser Vergleich rechtswirksam sei.
Demgegenüber sieht sich die Beklagte durch jene Vereinbarung nicht als gebunden an, weil sie auch die Organstellung des Klägers betroffen habe und hierfür allein ihr Verwaltungsrat in seiner Gesamtheit zuständig gewesen sei. Außerdem habe dem Vergleich die Grundlage gefehlt; denn wesentliche Pflichtverletzungen des Klägers seien dem Präsidialausschuß damals noch unbekannt gewesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger seinen bisherigen Antrag weiterverfolgt und hilfsweise die Feststellung beantragt, daß Abberufung und Kündigung vom 17. Januar 1978 unwirksam seien; der Zulassung dieses Antrags hat die Beklagte widersprochen. Das Oberlandesgericht hat dem Hauptantrag des Klägers stattgegeben.
Mit der Revision, die der Kläger zurückzuweisen beantragt, möchte die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils unter Abweisung auch des hilfsweise gestellten Klageantrags erreichen.
Entscheidungsgründe
I. Mit Recht wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Vergleich vom 22./23. Dezember 1977 über das Ausscheiden des Klägers aus den Diensten der Beklagten sei wirksam, insbesondere sei die Beklagte hierbei durch ihren Präsidialausschuß im Einklang mit Gesetz, Satzung und Geschäftsordnung vertreten gewesen.
1. Nach § 42 Abs. 2 a) und b) des Sparkassengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 2. Juli 1975 (GVBl I 498 – im folgenden „SpkG”) und den damit übereinstimmenden § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Satzung der Beklagten von 1975 (MBl NW 1975, 1868) ist für die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder sowie die Regelung ihrer Vertragsbedingungen und sonstigen Angelegenheiten der Verwaltungsrat zuständig. Jedoch überträgt die seit dem 24. November 1975 geltende Geschäftsordnung für den Präsidialausschuß – einen nach § 42 Abs. 4 SpkG zu bildenden Ausschuß des Verwaltungsrats – diesem Auschuß „die Regelung der Vertragsbedingungen für die Vorstandsmitglieder und ihrer sonstigen Angelegenheiten”. Diese vom Verwaltungsrat beschlossene Vorschrift stützt sich auf eine Ermächtigung in § 15 Abs. 3 der Satzung, die ihrerseits auf § 35 und § 42 Abs. 6 SpkG beruht.
2. Zutreffend erblickt das Berufungsgericht den Grundgedanken dieser Vorschriften darin, die Zuständigkeiten für die Gestaltung der Rechtsverhältnisse von Vorstandsmitgliedern in ähnlicher Weise aufzuteilen, wie es in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG geschehen ist: Abschluß, Änderung und Aufhebung des Anstellungsvertrages können grundsätzlich einem Ausschuß übertragen werden. Dagegen bleibt alles, was die Organstellung betrifft, wie insbesondere die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder oder die Ernennung des Vorsitzenden, wegen seiner wesentlichen Bedeutung für die eigenverantwortliche Leitung und gesetzliche Vertretung des Unternehmens zwingend dem Bestellungsorgan in seiner Gesamtheit – hier also dem Verwaltungsrat – vorbehalten (BGHZ 65, 190, 192 f).
3. Diese Zuständigkeitsordnung sieht das Berufungsgericht bei dem hier umstrittenen Vergleich als gewahrt an, weil die einverständliche Aufhebung oder Umgestaltung eines Dienstverhältnisses ebenso wie seine Kündigung (entsprechend der Rechtslage bei einer Aktiengesellschaft) nicht zu den ausschließlich dem Verwaltungsrat vorbehaltenen Aufgaben gehöre. Das sei auch dann der Fall, wenn sich eine solche Vereinbarung, wie hier, zugleich auf die Organstellung auswirke, indem sie das Vorstandsmitglied verpflichte, als Folge der verabredeten Beendigung des Dienstverhältnisses sein Amt niederzulegen. Diese Auffassung ist rechtlich nicht haltbar.
Die Befugnis eines vom Bestellungsorgan eingesetzten Ausschusses, das Anstellungsverhältnis der Vorstandsmitglieder zu regeln, hat dort seine Grenzen, wo eine solche Regelung in die ausschließliche Bestellungs- und Abberufungszuständigkeit des übergeordneten Organs eingreift. Zwar sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats Bestellung und Anstellung eines Vorstandsmitglieds verschiedene Rechtsverhältnisse, die ein unterschiedliches Schicksal haben können. Wie aber das Berufungsgericht zutreffend ausführt, bestehen gleichwohl zwischen ihnen gewisse Zusammenhänge, die zu tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen aufeinander führen können. So hat zwar die Beendigung der Organstellung nicht ohne weiteres das Erlöschen des Dienstverhältnisses zur Folge, wenn sie auch oft aus tatsächlichen Gründen mit dessen Auflösung verbunden sein wird. Andererseits entzieht jedoch eine wirksame Kündigung des Dienstverhältnisses regelmäßig zugleich der Organstellung den Boden, weil ein Geschäftsführer im allgemeinen nicht ohne Vertragsgrundlage weiterarbeiten wird (vgl. Urt. d. Sen. v. 11.7.53 – II ZR 142/52, LM AktG § 75 Nr. 5). In solchen Fällen dürfen Sinn und Zweck der in Gesetz, Satzung oder Geschäftsordnung getroffenen, an der Wichtigkeit der jeweiligen Angelegenheit ausgerichteten Kompetenzverteilung nicht außer Betracht bleiben.
Deshalb kann sich eine Zuständigkeit, die auf die Regelung des Anstellungsverhältnisses beschränkt ist, nicht auf Maßnahmen erstrecken, die notwendigerweise auch die Organstellung berühren und damit in einen der Entscheidungsgewalt des Bestellungsorgans unterliegenden Bereich übergreifen.
So hat der Senat für die GmbH entschieden, daß für den Abschluß und die Kündigung von Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern die Gesellschafterversammlung jedenfalls dann zuständig ist, wenn diese Rechtsgeschäfte mit der ihr in § 46 Nr. 5 GmbHG zugewiesenen Bestellung oder Abberufung eng zusammenhängen (vgl. Urt. d. Sen. v. 17.4.58 – II ZR 222/56 u. v. 18.11.68 – II ZR 121/67, LM GmbHG § 46 Nr. 3 u. 9 m.w.N.).
Desgleichen hat er für eine Genossenschaft ausgesprochen, daß der Aufsichtsrat, wenn er nach der Satzung die Anstellungsverträge von Vorstandsmitgliedern fristgerecht kündigen kann, durch eine solche Erklärung nicht in das Abberufungsrecht der Generalversammlung eingreifen darf, indem er einer noch laufenden Bestellung vorzeitig den Boden entzieht (Urt. v. 4.10.73 – II ZR 130/71, LM GenG § 24 Nr. 4).
Nicht grundsätzlich anders ist es zu beurteilen, wenn in einer Aktiengesellschaft oder, wie hier, in einer öffentlich-rechtlichen Kreditanstalt das für die Rechtsverhältnisse der Vorstandsmitglieder zuständige Verwaltungsorgan deren Vertragsangelegenheiten einem Ausschuß zugewiesen hat. In diesem Fall ist der Ausschuß weder ermächtigt, durch den verfrühten Abschluß eines Anstellungsvertrags der ihm nicht zustehenden Entscheidung über die Bestellung vorzugreifen, noch darf er die Bestellung vor ihrem Widerruf durch das allein dazu berufene Organ (oder dessen Entscheidung über ihre etwaige Verlängerung) dadurch unterlaufen, daß er ihr durch eine Auflösung des Anstellungsverhältnisses die Grundlage nimmt (so zutreffend Säcker, BB 1979, 1321 ff; Mertens in Köln. Komm. z. AktG § 107 Anm. 102). Daß ein solcher Ausschuß im Unterschied zur Rechtslage in einer GmbH oder einer Genossenschaft aus der Mitte des Bestellungsorgans selbst gebildet ist, kann entgegen der Revisionserwiderung vom dargelegten Sinn der Zuständigkeitsaufteilung her keinen Unterschied machen.
4. Hier geht es freilich nicht um die Kündigung, sondern um die einverständliche Lösung und Abwicklung des Anstellungsverhältnisses und die damit zusammenhängende Amtsniederlegung des Vorstandsvorsitzenden. Aber auch in diesem Fall ist ein Ausschuß aufgrund seiner nur akzessorischen Regelungskompetenz (Säcker a.a.O.) nicht für Rechtsgeschäfte zuständig, die im Ergebnis darauf hinauslaufen, eine Entscheidung des Bestellungsorgans über Fortdauer oder Ende der Amtszeit des Vorstandsmitglieds vorwegzunehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Amtsniederlegung auch ohne objektiv ausreichenden wichtigen Grund sofort wirksam sein kann (vgl. Urt. d. Sen. v. 14.7.80 – II ZR 161/79, NJW 1980, 2415).
Denn das betrifft nur die äußere Vertretungsmacht, nicht aber die Frage, ob ein solcher Schritt auch gegenüber dem Dienstherrn gerechtfertigt ist. Ein Vergleich über diese Frage, mit dem der Dienstberechtigte einverständlich die Beendigung des Vorstandsamtes in Verbindung mit einer Bereinigung des Anstellungsverhältnisses herbeiführt, um einen Streit beizulegen, fällt wiederum in die Zuständigkeit desjenigen Organs, das über das Schicksal der Vorstandsbestellung ausschließlich zu befinden hat.
5. Hieraus folgt, daß der Präsidialausschuß der Beklagten mit dem Vergleichsabschluß vom 22./23 Dezember 1977 seine Kompetenzen überschritten hat, weil der Vergleich auch dem Amt des Klägers als Vorsitzenden des Vorstands sofort ein Ende setzen sollte und hierüber allein der Verwaltungsrat beschließen konnte. Zu Unrecht hält das Berufungsgericht – und ihm folgend die Revisionserwiderung – die Erklärung des Präsidialausschusses laut Niederschrift vom 23. Dezember 1977, die Rücktrittserklärung des Klägers werde „angenommen”, für unerheblich, weil diese Erklärung nur eine selbstverständliche Folge der vereinbarten Auflösung des Anstellungsvertrages gewesen sei und es daher ihrer Annahme durch den Ausschuß nicht bedurft habe. Es kann auf sich beruhen, wie es zu beurteilen wäre, wenn der Kläger zunächst vorbehaltlos sein Amt niedergelegt und alsdann mit dem Präsidialausschuß nur noch die Bedingungen für die Abwicklung seines Vertragsverhältnisses ausgehandelt hätte. Denn so liegt der Fall nicht.
Nach dem Vortrag des Klägers war vielmehr eindeutig seine Bereitschaft zum Verzicht auf sein Amt von einer seinen Wünschen entsprechenden Einigung über die Bedingungen seines Ausscheidens abhängig und umgekehrt; ohne eine befriedigende Regelung seiner künftigen Bezüge wäre er nicht zurückgetreten, und andererseits hätte sich der Präsidialauschuß ohne seinen Amtsrücktritt auf einen Vergleich mit so erheblichen finanziellen Zugeständnissen nicht eingelassen (Schrifts. des Klägers v. 11.12.78 S. 17, 33/34 u. v. 2.5.79 S. 19). Vertragsabwicklung und Amtsniederlegung standen also in einem unlösbaren Zusammenhang, gleichgültig, ob der das Vorstandsamt betreffende Teil des Vergleichs äußerlich in die Form eines vom Ausschuß angenommenen Rücktrittsangebots oder einer einseitigen, aber aufgrund vorheriger Verpflichtung ausgesprochenen Rücktrittserklärung gekleidet war, wie sie dem Berufungsgericht vorgeschwebt hat. Die Ansicht des Landgerichts, das beide Rechtsgeschäfte als Einheit betracht hat, erweist sich daher als richtig: Der Vergleich umfaßte die Organstellung des Klägers – nämlich die Frage, ob und zu welchen Bedingungen sie beendet werden sollte – und lag infolgedessen außerhalb der Vertretungsmacht des Präsidialausschusses.
6. Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, der Verwaltungsrat in seiner Gesamtheit sei ja mit seiner Amtsniederlegung einverstanden gewesen, wie sich schon daraus ergebe, daß er von ihm niemals mehr die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit verlangt, sondern ihn im Gegenteil seinerseits abberufen hat. Eine stillschweigende Genehmigung des Vergleichs durch den Verwaltungsrat scheidet schon deshalb aus, weil es zur Genehmigung eines förmlichen Beschlusses bedurft hätte (vgl. für den Aufsichtsrat: BGHZ 41, 282, 286; Urt. d. Sen. v. 21.9.70 – II ZR 13/69, WM 1970, 1394 zu I 2); selbst wenn man eine gegenüber dem Kläger außerhalb einer Sitzung abgegebene übereinstimmende Äußerung sämtlicher 27 Verwaltungsratsmitglieder als ausreichend ansehen wollte, fehlt es hierzu an einem konkreten Vortrag. In der ersten auf den Vergleich folgenden Sitzung vom 16. Januar 1978 hat der Verwaltungsrat aber durch seinen Abberufungs- und Kündigungsbeschluß unzweideutig zum Ausdruck gebracht, daß er die Organstellung des Klägers zwar ebenfalls beendet sehen wolle, jedoch nicht zu den mit dem Präsidialausschuß ausgehandelten Bedingungen; damit hat er zugleich seine alleinige Zuständigkeit für solche Regelungen alsbald klargestellt. Da hinter diesem Beschluß erhebliche sachliche, vor allem auch finanzielle Interessen standen, trifft die Beklagte nicht der Vorwurf des Klägers, sie nutze die Unzuständigkeit des Präsidialausschusses für einen auch von ihrem Verwaltungsrat angestrebten Tatbestand, das Ausscheiden des Klägers aus seinem Amt, zu seinem Schaden aus, um sich einseitig von den ihr lästigen Folgen dieses Tatbestands loszusagen.
7. Da die vom Kläger in erster Linie gewünschte Feststellung, daß der Vergleich wirksam sei, schon an der Unzuständigkeit des Präsidialausschusses scheitert, kommt es auf die Ausführungen der Revision zu der Frage, ob der Vergleich wegen unangemessener Begünstigung des Klägers auch inhaltlich zu beanstanden ist, sowie auf die weiterhin geltend gemachten Unwirksamkeits- und Anfechtungsgründe nicht mehr an. Ebenso kann auf sich beruhen, ob dem Vergleich etwa deshalb eine Grundlage gefehlt haben könnte, weil bei der frühzeitigen Verlängerung der Bestellung des Klägers und seines Anstellungsvertrages am 2. Dezember 1977 mindestens zwei Mitglieder des Verwaltungsrats von dem gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren gewußt haben (BU S. 6) und ihre Mitwirkung an dem Verlängerungsbeschluß unter diesen Umständen mit einer pflichtgemäßen Vertretung der Beklagten ersichtlich nicht zu vereinbaren war (vgl. den Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses NW, LTDs 8/4557, zu 4.4 und 13.2.2).
Das zum Hauptantrag des Klägers ergangene klagabweisende Urteil des Landgerichts ist hiernach wiederherzustellen.
III. Es bleibt damit über den Hilfsantrag des Klägers auf Feststellung zu entscheiden, daß seine Abberufung und die Kündigung seines Anstellungsvertrages aufgrund des Verwaltungsratsbeschlusses vom 16. Januar 1978 unwirksam seien.
1. Diesen Antrag hat der Kläger erst in der Berufungsinstanz gestellt. Er enthält eine Klageänderung, der die Beklagte alsbald widersprochen hat und deren Zulässigkeit daher davon abhängt, ob sie für sachdienlich zu erachten ist (§§ 263, 267 ZPO). Hierüber hat der Senat selbst zu entscheiden, da das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus keine Veranlassung hatte, die Sachdienlichkeit zu prüfen (BGH, Urt. v. 14.3.79 – IV ZR 80/78, MDR 1979, 829). Er hält den Antrag für sachdienlich. Denn wenn auch die Rechtsgültigkeit des Vergleichs und die Wirksamkeit von Abberufung und Kündigung rechtlich verschiedene Streitgegenstände sind, so handelt es sich bei ihnen doch in einem weiteren Sinne sachlich um denselben Streitstoff, nämlich die Frage nach Art, Zeitpunkt und Bedingungen des Ausscheidens des Klägers aus den Diensten der Beklagten. Die Zulassung des Hilfsantrags ist geeignet, diesen Streit ohne neuen Prozeß endgültig und umfassend zu bereinigen, wobei Gericht und Parteien zu einem wesentlichen Teil auf die bisherigen Erörterungen zurückgreifen können. Sie dient daher der Prozeßwirtschaftlichkeit.
2. Über den Hilfsantrag kann nach § 13 GVG nur dann im ordentlichen Rechtsweg entschieden werden, wenn die vom Kläger bekämpften Maßnahmen des Verwaltungsrats keine Hoheitsakte, sondern dem bürgerlichen Recht zuzuordnen sind. Auf die Kündigung trifft dies zweifelsfrei zu, da der Kläger, wie sich aus seinem gemäß § 42 Abs. 2 b) SpkG und § 14 Abs. 2 Nr. 3 der Satzung der Beklagten abgeschlossenen Anstellungsvertrag ergibt, in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis für die Beklagte tätig gewesen ist. Aber auch der Widerruf der Bestellung zum Mitglied und Vorsitzenden des Vorstands war keine hoheitliche Maßnahme, sondern ein nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilender körperschaftlicher Akt ähnlich einer Abberufung nach § 84 Abs. 3 AktG, mit dem die auf dem Dienstvertrag beruhende Organstellung ein Ende fand (vgl. auch § 17 Abs. 4 Satz 1 SpkG: „aufgrund eines Dienstvertrages … bestellt”; dazu Heinevetter, SparkassenG NW 2. Aufl. § 17 Erl. 3.4, 5). Er wurde nicht als behördliche Anordnung ausgesprochen, sondern vollzog sich in der zivilrechtlich üblichen Form eines Beschlusses des zuständigen Bestellungsorgans mit anschließender Bekanntgabe an den Betroffenen, Die Rechtsnatur des Bestellungsverhältnisses als einer privatrechtlichen Beziehung wird nicht dadurch infrage gestellt, daß die Beklagte auch mit öffentlichen Aufgaben betraut ist (§ 36 SpkG, § 5 Abs. 2 der Satzung) und der Kläger als Vorstandsvorsitzender für die ordnungsmäßige Erfüllung dieser Aufgaben mit zu sorgen hatte. Denn öffentliche Aufgaben können auch einem im Privatdienst angestellten Organmitglied in rechtsgeschäftlicher Form übertragen und in gleicher Weise wieder entzogen werden. Die Frage, ob ein solches Organmitglied im strafrechtlichen Sinne als Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB zu betrachten ist (so OLG Hamm, Beschl. v. 9.7.80 – V Ws 28/80, ZIP 1980, 870), hat mit der zivilrechtlichen Begründung und Beendigung seiner Organstellung nichts zu tun.
3. Die Abberufung des Klägers durch den Verwaltungsrat wäre gegenstandslos gewesen, wenn der Kläger sein Amt schon am 22. Dezember 1977 rechtswirksam niedergelegt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Wie bereits ausgeführt wurde, waren seine Rücktrittserklärung und die Vereinbarungen über die Auflösung seines Dienstvertrages Teile eines einheitlichen Vertragswerks, das in seiner Gesamtheit an der Unzuständigkeit des Präsidialausschusses gescheitert ist.
4. Es kommt daher darauf an, ob der Verwaltungsrat der Beklagten genügend wichtige Gründe hatte, den Kläger vorzeitig aus seinem Amt abzuberufen und sein Dienstverhältnis fristlos zu kündigen und, soweit es um die Kündigung geht, ob er diese rechtzeitig erklärt hat (§ 626 Abs. 2 BGB). Da es hierzu weiterer Tatsachenfeststellungen bedarf, ist die Sache zur Entscheidung über den Hilfsantrag des Klägers an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Stimpel, Fleck, Dr. Kellermann, Bundschuh, Brandes
Fundstellen
Haufe-Index 648024 |
BGHZ |
BGHZ, 38 |
NJW 1981, 757 |
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