Leitsatz (amtlich)
a) So genannte Schriftformheilungsklauseln sind mit der nicht abdingbaren Vorschrift des § 550 BGB unvereinbar und daher unwirksam. Sie können deshalb für sich genommen eine Vertragspartei nicht daran hindern, einen Mietvertrag unter Berufung auf einen Schriftformmangel ordentlich zu kündigen (Fortführung der BGH BGHZ 200, 98 = NJW 2014, 1087; v. 30.4.2014 - XII ZR 146/12, NJW 2014, 2102).
b) Es verstößt gegen Treu und Glauben, wenn eine Mietvertragspartei eine nachträglich getroffene Abrede, die lediglich ihr vorteilhaft ist, allein deshalb, weil sie nicht die schriftliche Form wahrt, zum Anlass nimmt, sich von einem ihr inzwischen lästig gewordenen langfristigen Mietvertrag zu lösen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 25.11.2015 - XII ZR 114/14, NJW 2016, 311; v. 19.9.2007 - XII ZR 198/05, NJW 2008, 365).
Normenkette
BGB §§ 242, 550 S. 1
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 26.10.2016; Aktenzeichen 6 U 97/15) |
LG Mannheim (Entscheidung vom 18.05.2015; Aktenzeichen 5 O 209/14) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 26.10.2016 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin begehrt als Vermieterin vom Beklagten als Mieter Räumung und Herausgabe von Gewerberäumen.
Rz. 2
Mit Vertrag vom 8.12.1998 mietete der Beklagte von der D. K. AG Ladenräume. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen Gewerbemietvertrag (AVB) und die Hausordnung waren als Bestandteile in den Vertrag einbezogen. Nach Ziff. 6.1 Buchstabe e der AVB gehören zu den vom Mieter zu tragenden Betriebskosten u.a. die für die Müllabfuhr zu entrichtenden Gebühren.
Rz. 3
Am 11.10.2006 schlossen die Vertragsparteien einen "1. Nachtrag zum Mietvertrag vom 04.12./8.12.1998". Mit diesem ersetzten sie u.a. - unter Aufrechterhaltung der Bestimmungen des Ausgangsmietvertrags im Übrigen - die im ursprünglichen Mietvertrag enthaltene Indexklausel wie folgt:
"Verändert sich der vom Statistischen Bundesamt für die Bundesrepublik Deutschland festgestellte Verbraucherpreisindex ... gegenüber dem Stand Juni 1999 (2000 = 100) um mindestens 10 Punkte, so verändert sich die Miete in dem gleichen prozentualen Verhältnis ... Sollte der bisherige Preisindex vom Statistischen Bundesamt ... umbasiert oder in seiner bisherigen Form nicht mehr fortgeführt werden, so tritt an seine Stelle der ihm am nächsten kommende neue Index."
Rz. 4
Außerdem enthielt der Nachtrag in Ziff. 6 folgende Regelung:
"Den Parteien ist bekannt, dass dieser Mietvertrag, der eine Laufzeit von mehr als einem Jahr hat, ... der Schriftform bedarf. Die Parteien wollen diese Schriftform einhalten. Sie verpflichten sich deshalb gegenseitig, auf jederzeitiges Verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um den gesetzlichen Schriftformerfordernissen Genüge zu tun. Das gilt sowohl für den Mietvertrag, als auch für sämtliche Nachtrags-, Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen."
Rz. 5
Am 16.12.2009 wurde ein "2. Nachtrag zum Mietvertrag vom 04.12./8.12.1998 nebst 1. Nachtrag vom 07.10./11.10.2006" abgeschlossen. Auf Vermieterseite war daran die aufgrund zwischenzeitlichen Eigentumserwerbs in die Vermieterstellung eingetretene G. S.à.r.l. & Co. KG beteiligt. Diese wiederum hatte mit notariellem Kaufvertrag vom 8.12.2009 das Grundstück an die Klägerin verkauft, die nach dem 16.12.2009 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde. In dem 2. Nachtrag wurde u.a. - unter Aufrechterhaltung der Bestimmungen des Ausgangsmietvertrags und des ersten Nachtrags im Übrigen - die Mietzeit bis zum 31.5.2020 (mit einer einmaligen Verlängerungsoption für den Beklagten um fünf Jahre) verlängert. Außerdem war unter Ziff. 7 Folgendes vereinbart:
"Die Parteien verpflichten sich gegenseitig, ... jederzeit alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis gem. § 550 BGB, insb. im Zusammenhang mit dem Abschluss dieses Nachtrages sowie weiteren Nachträgen, Genüge zu tun und bis dahin den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der Schriftform vorzeitig zu kündigen."
Rz. 6
In einem Schreiben vom 15.1.2011 legte die Klägerin dem Beklagten das Begehren dar, die Wertsicherungsklausel dahingehend zu ändern, dass bei Veränderung des Verbraucherpreisindex um 5 % eine entsprechende Änderung der Miete eintreten solle. Der Beklagte vermerkte auf dem Schreiben handschriftlich "6 % einverstanden", unterschrieb diesen Vermerk und gab das Schreiben an die Klägerin zurück. Diese teilte dem Beklagten im Mai 2011 mit, dass der Verbraucherpreisindex seit der letzten Mietkorrektur um 6 % gestiegen sei und sich daher eine entsprechend erhöhte Miete ergebe, die der Beklagte fortan auch entrichtete.
Rz. 7
Mit Schreiben vom 20.6.2014 erklärte die Klägerin die ordentliche Kündigung zum 31.12.2014. Ihre auf Räumung und Herausgabe gerichtete Klage hat das LG abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ein Schreiben des Beklagten vom 24.12.2015 vorgelegt, mit dem dieser sich gegen die Aufnahme von Müllgebühren in die Betriebskostenabrechnung 2013 gewandt und ausgeführt hat, mit dem früheren Eigentümer habe es eine Absprache gegeben, dass für ihn - den Beklagten - keine Mülltonne angeschafft werde. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.
Rz. 8
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Räumungs- und Herausgabebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 10
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Rz. 11
Wegen der im zweiten Nachtrag vereinbarten festen Laufzeit sei das Mietverhältnis durch die von der Klägerin erklärte ordentliche Kündigung nicht beendet worden. Dass die damalige Vermieterin im Verhältnis zur Klägerin nicht ohne deren vorherige Zustimmung zum Abschluss dieses Nachtrags berechtigt gewesen sein möge, sei für die Wirksamkeit der Vereinbarung im Außenverhältnis zum Beklagten ohne Belang. Die im Ausgangsvertrag und den beiden Nachträgen niedergelegte Vereinbarung wahre die Schriftform des § 550 BGB. Der zweite Nachtrag nehme auf den Ursprungsmietvertrag und den ersten Nachtrag ausdrücklich Bezug, zähle die zu ändernden Regelungen abschließend auf und erkläre die übrigen Bestimmungen für weiterhin anwendbar. Er sei von den Mietvertragsparteien unterschrieben und enthalte die essentialia negotii. Einer körperlichen Verbindung mit dem ursprünglichen Mietvertrag bedürfe es ebenso wenig wie einer Bezugnahme im Ursprungsvertrag auf die Änderungsvereinbarungen. Ohne Belang sei auch, ob die zu Vertragsbestandteilen erklärten Anlagen körperlich mit dem Ursprungsvertrag verbunden gewesen seien.
Rz. 12
Keiner Entscheidung bedürfe, ob es sich bei der Frage der anteiligen Beteiligung des Beklagten an den Müllgebühren um eine wesentliche Vertragsbedingung handele. Denn anhand des Schreibens des Beklagten vom 24.12.2015 lasse sich keine vom schriftlichen Vertrag abweichende mündliche Vertragsregelung feststellen. Der Beklagte verweise auf eine abgesprochene "Praxis". Dass dies rechtsverbindlich unter Abänderung des geschlossenen Vertrags geregelt worden sein soll, lasse sich dem nicht mit der zu fordernden Deutlichkeit entnehmen. Sofern der Beklagte nämlich lediglich die Fortsetzung einer langjährigen, aber unverbindlichen Übung fordere, lasse dies keinen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis erkennen.
Rz. 13
Bei der Vereinbarung einer neuen Wertsicherungsregelung durch die Parteien im Jahre 2011 handele es sich um eine wesentliche Vertragsbedingung. Insoweit fehle es an der Bezugnahme auf den Ausgangsvertrag und die beiden Nachträge und damit an der für § 550 BGB erforderlichen Urkundeneinheit. Indessen liege ein Ausnahmefall vor, in dem die Klägerin nach Treu und Glauben gehindert sei, sich auf den Schriftformverstoß zu berufen. Dabei komme es nicht entscheidend auf den Gesichtspunkt der existenziellen Bedrohung des Beklagten durch die Kündigung an. Die Klägerin habe auf die Änderung der aus ihrer Sicht undurchführbar oder zumindest unpraktikabel gewordenen früheren Wertsicherungsklausel gedrungen und aus der allein ihren Interessen dienenden Neuregelung Rechtsfolgen hergeleitet. Zudem seien ihr zum Zeitpunkt der Änderungsvereinbarung die beiden Nachträge mit den Regelungen in Ziff. 6 des ersten Nachtrags bzw. Ziff. 7 des zweiten Nachtrags bekannt gewesen. Die darin enthaltenen Schriftformheilungsklauseln seien individualvertraglich vereinbart. Geklärt sei zwar, dass solche Klauseln für sich genommen einen Grundstückserwerber nicht daran hindern könnten, einen Mietvertrag, in den er eingetreten sei, unter Berufung auf den Schriftformmangel zu kündigen, ohne zuvor vom Mieter die Heilung des Mangels zu verlangen. Das schließe es aber nicht aus, der Klausel die auch für den Erwerber geltende Verpflichtung zu entnehmen, auf die Einhaltung des Schriftformerfordernisses hin- und daran mitzuwirken. Ein schuldhafter Verstoß hiergegen könne als einer von mehreren Aspekten im Rahmen der Beurteilung der Treuwidrigkeit berücksichtigt werden. Den vom BGH entschiedenen Fällen habe die Konstellation zugrunde gelegen, dass der Grundstückserwerber den Mietvertrag wegen eines vor seinem Eintritt geschehenen Schriftformverstoßes gekündigt habe. Im vorliegenden Fall habe hingegen der aktuelle Vermieter selbst und in Kenntnis der ihn bindenden Klausel den Schriftformverstoß herbeigeführt. Angesichts der Umstände würde daher die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung zu einem mit Treu und Glauben schlechterdings nicht vereinbaren Ergebnis führen.
II.
Rz. 14
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Obwohl der Mietvertrag, in den die Klägerin gem. §§ 578 Abs. 1, 566 Abs. 1 BGB eingetreten ist, nicht der Schriftform nach §§ 578 Abs. 1, 550 Satz 1 BGB entspricht, ist die Klägerin nach Treu und Glauben gehindert, von dem aus §§ 550 Satz 1, 542 Abs. 1 BGB folgenden ordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch zu machen.
Rz. 15
1. Zutreffend hat das OLG angenommen, dass der Mietvertrag zwar bei Eintritt der Klägerin in den Vertrag der Schriftform des § 550 BGB entsprach sowie eine feste Laufzeit bis zum 31.5.2020 aufwies, die von den Parteien im Januar 2011 vorgenommene Änderung der Wertsicherungsklausel jedoch schriftformwidrig erfolgte.
Rz. 16
a) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Schriftform des § 550 BGB sei vorliegend nicht gewahrt, weil es im Ausgangsvertrag an einer Verweisung auf die beiden Nachträge fehle.
Rz. 17
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfordert § 550 BGB, dass sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen - insb. den Mietgegenstand, die Miethöhe sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses - aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser "verstreuten" Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss. Ergibt sich der Zusammenhang mehrerer Schriftstücke aus einer Bezugnahme, ist es erforderlich, dass vom aktuellen Vertrag auf den Ausgangsvertrag und auf alle ergänzenden Urkunden verwiesen ist, mit denen die der Schriftform unterliegenden vertraglichen Vereinbarungen vollständig erfasst sind. Treffen die Mietvertragsparteien nachträglich eine Vereinbarung, mit der wesentliche Vertragsbestandteile geändert werden sollen, muss diese zur Erhaltung der Schriftform des § 550 Satz 1 BGB hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nehmen, die geänderten Regelungen aufführen und erkennen lassen, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrages verbleiben soll (BGH BGHZ 205, 99 = NJW 2015, 2034 Rz. 27; v. 11.12.2013 - XII ZR 137/12, ZMR 2014, 439 Rz. 16; v. 30.1.2013 - XII ZR 38/12, NJW 2013, 1083 Rz. 22 m.w.N.).
Rz. 18
bb) Diesen Anforderungen genügen der ursprüngliche Mietvertrag sowie die beiden Nachträge. Im Ausgangsvertrag ist auf die Anlagen, in die vertragswesentliche Regelungen ausgelagert waren, hinreichend deutlich Bezug genommen. Die beiden Nachträge wiederum bezeichnen das jeweils abzuändernde Vertragswerk sowie die Neuregelungen und stellen klar, dass es im Übrigen bei den bestehenden Vereinbarungen bleibt. Mehr - insb. das Anbringen eines Hinweises bezüglich der Nachträge auf der Urkunde des Ausgangsvertrags (so Schmidt-Futterer/Lammel Mietrecht 13. Aufl., § 550 BGB Rz. 44 f.) - ist im Rahmen von § 550 BGB nicht zu verlangen. Die erforderliche gedankliche Verklammerung zwischen ursprünglichem Vertrag und Nachtrag ist vielmehr im jeweiligen Nachtrag hergestellt, der durch die Dokumentation der Änderungen und - durch die Inbezugnahme des Ausgangsvertrags - des im Übrigen fortgeltenden Regelungsbestands den aktuellen Vertragsstand wiedergibt (vgl. BGH BGHZ 176, 301 = NJW 2008, 2178 Rz. 21).
Rz. 19
cc) Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Schriftformverstoß auch im Zusammenhang mit der Betriebskostenposition der Müllkosten abgelehnt. Dem Schreiben des Beklagten, auf das sich die Klägerin insoweit beruft, lässt sich bereits nicht die Behauptung einer mündlichen, den schriftlichen Vertrag abändernden Vereinbarung entnehmen. Denn die insoweit einschlägigen AVB enthalten neben der an Anlage 3 zur II. Berechnungsverordnung (vgl. heute § 2 BetrKV) orientierten Aufzählung umlagefähiger Betriebskosten keine abschließende Bestimmung, welche der umlagefähigen Positionen tatsächlich entstehen und wie die Umlage erfolgt. Vielmehr ist in Ziff. 6.3 der AVB geregelt, dass die Umlage nach dem Verhältnis der jeweiligen Mietflächen erfolgt, soweit nicht der Vermieter für einzelne oder alle Betriebskosten einen anderen Umlageschlüssel wählt. Nimmt er - was der Beklagte mit dem Schreiben geltend gemacht hat - angesichts des Umstands, dass für die vom Beklagten gemietete Gewerbeeinheit Müllkosten nicht anfallen, von einer Umlage insoweit Abstand, dann ist dies bereits von der schriftlichen Vereinbarung gedeckt.
Rz. 20
b) Die mit dem zweiten Nachtrag getroffene Vereinbarung der Vertragslaufzeit bis zum 31.5.2020 war ebenfalls wirksam. Die von der Klägerin behauptete kaufvertragliche Verpflichtung ihrer Voreigentümerin, nach Abschluss des notariellen Kaufvertrags Änderungen bestehender Verträge nur mit Zustimmung der Klägerin durchzuführen, bleibt ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der zwischen dem Beklagten und seiner - mangels bereits erfolgter Eintragung der Klägerin in das Grundbuch - damaligen Vermieterin abgeschlossenen Nachtragsvereinbarung.
Rz. 21
Dafür, dass - wie die Revision andeutet - insoweit ein kollusives Zusammenwirken des Beklagten mit der früheren Vermieterin vorliegt, das seiner Berufung auf die Vertragslaufzeit gem. § 242 BGB entgegenstehen könnte, ist nichts ersichtlich. Die von der Revision angestellte Erwägung, der im Abschluss des zweiten Nachtrags liegende Rechtsmissbrauch der Vorvermieterin habe sich auch dem Beklagten aufdrängen müssen, stellt eine reine Mutmaßung dar. Selbst wenn die Voreigentümerin vorsätzlich der gegenüber der Klägerin bestehenden vertraglichen Verpflichtung zuwider gehandelt haben sollte, gibt es für ein Wissen des Beklagten um den bereits geschlossenen notariellen Kaufvertrag oder gar die von der Klägerin aus diesem herangezogene Einzelklausel keinerlei Anhaltspunkte. Aus der von der Revision bemühten Lebenserfahrung lässt sich hierfür ebenfalls nichts ableiten. Die Revision irrt zudem in ihrer Einschätzung, der zweite Nachtrag habe einseitig dem Beklagten vertragliche Vorteile verschafft. Vielmehr berechtigt und verpflichtet die feste Vertragslaufzeit beide Vertragsparteien gleichermaßen.
Rz. 22
c) Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, fehlt es dem Mietvertrag allerdings an der gesetzlichen Schriftform, weil mit der Wertsicherungsklausel im Januar 2011 eine die Miethöhe betreffende und damit vertragswesentliche (vgl. BGH, Urt. v. 25.11.2015 - XII ZR 114/14, NJW 2016, 311 Rz. 17) Vereinbarung geändert wurde, ohne dass diese Änderung den Anforderungen des § 550 BGB genügte. Denn dem Schreiben vom 15.1.2011 mit dem handschriftlich gefertigten und unterschriebenen Zusatz des Beklagten fehlt es schon an der ausreichenden Bezugnahme auf den Ausgangsvertrag und die Nachträge.
Rz. 23
2. Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht der Auffassung, dass der Klägerin eine Berufung auf diesen Schriftformverstoß jedoch nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB verwehrt ist.
Rz. 24
a) Grundsätzlich darf sich jede Partei darauf berufen, die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten. Nur ausnahmsweise, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrags zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es gem. § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, wenn sie sich darauf beruft, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar. Das kommt insb. dann in Betracht, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder wenn bei Formwidrigkeit die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht wäre (BGH BGHZ 200, 98 = NJW 2014, 1087 Rz. 16; v. 30.4.2014 - XII ZR 146/12, NJW 2014, 2102 Rz. 27; v. 25.11.2015 - XII ZR 114/14, NJW 2016, 311 Rz. 25).
Rz. 25
b) Eine solche Treuwidrigkeit folgt hier allerdings nicht aus der in Ziff. 7 des zweiten Nachtrags enthaltenen sog. Schriftformheilungsklausel, wonach die Vertragsparteien zur Nachholung der Schriftform verpflichtet sind.
Rz. 26
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann eine Mitwirkungspflicht der Vertragsparteien am Zustandekommen eines der Schriftform entsprechenden Mietvertrages bestehen. Das kann etwa der Fall sein, wenn in einem Vorvertrag vereinbart worden ist, ein langfristiges Mietverhältnis zu begründen. Möglich ist auch, dass sich Vertragsparteien im Hinblick auf nachträglich zustande gekommene Vereinbarungen verpflichten, insofern dafür zu sorgen, dass die Schriftform gewahrt und damit die langfristige Bindung an den Mietvertrag sichergestellt wird. In derartigen Fällen geht es entweder darum, den Vorgaben des Vorvertrags zu entsprechen und in Anknüpfung an die darin getroffenen Abreden einen formwirksamen Mietvertrag zu vereinbaren oder einem konkret befürchteten Formmangel entgegenzuwirken (BGH BGHZ 200, 98 = NJW 2014, 1087 Rz. 18 m.w.N.).
Rz. 27
bb) Im Unterschied hierzu enthält eine Schriftformheilungsklausel wie die vorliegende eine generelle Verpflichtung der Mietvertragsparteien, Schriftformverstöße jedweder Art nachträglich zu beseitigen, um so eine "vorzeitige" Vertragsbeendigung durch ordentliche Kündigung zu unterbinden. Ob und inwieweit eine derartige Regelung - durch Individualvertrag oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen - rechtswirksam getroffen werden kann, ist streitig.
Rz. 28
(1) Der Senat hat allerdings bereits entschieden, dass es mit § 550 BGB nicht vereinbar ist, einen Erwerber aufgrund einer Heilungsklausel als verpflichtet anzusehen, von einer ordentlichen Kündigung wegen eines nicht aus seiner Vertragszeit stammenden Schriftformmangels Abstand zu nehmen (vgl. BGH BGHZ 200, 98 = NJW 2014, 1087 Rz. 24 ff.; v. 30.4.2014 - XII ZR 146/12, NJW 2014, 2102 Rz. 28 ff.), und zwar selbst dann, wenn die langfristige Vertragsbindung erst unter seiner Beteiligung vereinbart worden ist (BGH, Beschl. v. 25.1.2017 - XII ZR 69/16, NJW 2017, 1017 Rz. 10 f. m.w.N.).
Rz. 29
Denn mit § 550 BGB soll erreicht werden, dass der Erwerber die Bedingungen, zu denen er in ein Mietverhältnis eintritt, im Grundsatz aus der Mietvertragsurkunde ersehen kann. Er soll davor geschützt werden, sich auf einen Mietvertrag einzulassen, dessen wirtschaftliche Bedingungen sich, etwa infolge einer Mietreduzierung, anders als erwartet und deshalb finanziell einkalkuliert darstellen. Ist das infolge formunwirksamer, z.B. nur mündlicher Abreden gleichwohl der Fall, so hat er die Möglichkeit, sich vorzeitig durch ordentliche Kündigung von dem Mietvertrag zu lösen. Diese Möglichkeit würde ihm genommen, wenn er infolge der Heilungsklausel verpflichtet wäre, den langfristigen Bestand des Mietverhältnisses sicherzustellen. Dass ihm im Fall unterlassener Information über ihm nachteilige formunwirksame Vereinbarungen gegenüber dem Veräußerer Schadensersatzansprüche zustehen mögen, rechtfertigt nicht die Annahme, der Schutzzweck des § 550 BGB trete deshalb zurück. Nach der gesetzlichen Konzeption soll der Erwerber bei einer derartigen Fallgestaltung nämlich nicht allein auf Schadensersatzansprüche verwiesen werden, sondern ihm soll ein ordentliches Kündigungsrecht zustehen, um die aus der Mietvertragsurkunde nicht in allen maßgeblichen Einzelheiten erkennbaren Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis beenden zu können. Da ihm bei einer Geltung der Heilungsklausel auch ihm gegenüber diese Möglichkeit im Falle einer vollzogenen Heilung genommen würde, würde der Schutzzweck des § 550 BGB verfehlt. Das gilt unabhängig davon, ob dem Erwerber im Einzelfall die Umstände, die vor seinem Eintreten in den Mietvertrag zu der Formunwirksamkeit geführt haben, bekannt waren (BGH BGHZ 200, 98 = NJW 2014, 1087 Rz. 27).
Rz. 30
(2) Inwieweit einer Schriftformheilungsklausel im Übrigen Rechtswirkungen mit Blick auf § 550 BGB zukommen können, hat der Senat dagegen bislang offen gelassen. Hierzu werden in Rechtsprechung und Literatur auch in jüngerer Zeit (vgl. zum früheren Meinungsstand BGH BGHZ 200, 98 = NJW 2014, 1087 Rz. 20 ff.) verschiedene Auffassungen vertreten.
Rz. 31
Teilweise werden vertragliche Schriftformheilungsklauseln nach wie vor als uneingeschränkt wirksam angesehen (OLG Braunschweig NZM 2016, 197, 200; OLG Frankfurt ZMR 2015, 709, 712; jurisPK/BGB/Schur [Stand: 1.12.2016] § 550 Rz. 28). Vertreten wird auch, dass sie jedenfalls zwischen den Vertragsschließenden selbst wirksam seien und zur Treuwidrigkeit einer auf die Schriftformwidrigkeit gestützten Kündigung führten, solange der Kündigende den Vertragspartner nicht zur Nachholung aufgefordert habe (vgl. OLG Dresden ZfIR 2017, 321, 323 f.; KG ZMR 2016, 775, 776; OLG Köln Urt. v. 18.9.2015 - 1 U 28/15 - juris Rz. 35; vgl. auch Lindner-Figura in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete 4. Aufl. Kap. 6 Rz. 62; Neuhaus Handbuch der Geschäftsraummiete 6. Aufl. Kap. 5 Rz. 279 ff.; Schmidt-Futterer/Lammel Mietrecht 13. Aufl., § 550 BGB Rz. 66, 74).
Rz. 32
Andere halten derartige Klauseln als individualvertragliche Vereinbarung zwischen Vertragsparteien für zulässig, nicht hingegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen (OLG Düsseldorf ZMR 2017, 471, 473 f.; Erman/Lützenkirchen BGB, 14. Aufl., § 550 Rz. 27) bzw. als solche nur zu Lasten des Verwenders (vgl. Schweitzer in Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer Gewerberaummiete § 550 BGB Rz. 92 ff.). Es findet sich auch die Einschätzung, die Heilungsklauseln seien in ihrer bisher üblichen Form sinnlos, weil sie nur auf die schriftliche Bestätigung des durch den Schriftformverstoß bereits unbefristet gewordenen Mietvertrags gerichtet seien. Formuliert als die den Erwerber nicht bindende Verpflichtung, die Laufzeit wieder herzustellen, seien sie jedoch wirksam (Streyl NZM 2015, 28, 29 f.).
Rz. 33
Schließlich gibt es Stimmen, denen zufolge Schriftformheilungsklauseln unabhängig davon, ob sie individualvertraglich oder als Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden, unwirksam sind und deshalb nicht über § 242 BGB einer auf einen Schriftformverstoß gestützten ordentlichen Kündigung entgegenstehen können (LG Krefeld ZMR 2016, 547; BeckOGK/Dittert [Stand: 1.7.2017] § 550 BGB Rz. 174 ff.; BeckOK/BGB/Herrmann [Stand: 1.11.2016] § 550 Rz. 17; BeckOK MietR/Leo [Stand: 1.6.2017] § 550 BGB Rz. 386 ff.; Lützenkirchen/Lützenkirchen Mietrecht 2. Aufl., § 550 BGB Rz. 86; wohl auch Staudinger/Emmerich BGB [Updatestand: 27.3.2017] § 550 Rz. 46 f.).
Rz. 34
cc) Die zuletzt genannte Meinung, nach der Schriftformheilungsklauseln stets unwirksam sind, ist zutreffend.
Rz. 35
(1) Bei der Vorschrift des § 550 BGB handelt es sich nach allgemeiner Ansicht um zwingendes Recht (BGH BGHZ 200, 98 = NJW 2014, 1087 Rz. 27; vgl. auch BT-Drucks. 14/4553, 47; Staudinger/Emmerich BGB [Updatestand: 27.3.2017] § 550 Rz. 46). Sie will nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Mietvertrag ersehen kann. Vielmehr dient sie ebenfalls dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen (BGH, Urt. v. 17.6.2015 - XII ZR 98/13, NJW 2015, 2648 Rz. 33; BGHZ 200, 98 = NJW 2014, 1087 Rz. 26; BGHZ 176, 301 = NJW 2008, 2178 Rz. 17; BGHZ 139, 123 = NJW 1998, 2664, 2666 und BGHZ 136, 357 = NJW 1998, 58, 61). In Kenntnis dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber die frühere Vorschrift des § 566 BGB im Zuge des Mietrechtsreformgesetzes vom 19.6.2001 (BGBl. I, 1149) nur redaktionell geändert, nicht aber - was nahe gelegen hätte, wäre nur der Schutz des Erwerbers bezweckt - die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung auf den Erwerber beschränkt (vgl. BGH BGHZ 176, 301 = NJW 2008, 2178 Rz. 17).
Rz. 36
(2) Mit Blick auf diesen Schutzzweck sind Schriftformheilungsklauseln mit dem nicht abdingbaren § 550 BGB unvereinbar. Denn sie hätten zur Folge, dass die Vertragsparteien an eine nicht schriftliche Vereinbarung für die volle Vertragslaufzeit gebunden wären, der mit der Vorschrift jedenfalls auch beabsichtigte Übereilungsschutz ausgehöhlt und die wichtige Warnfunktion der Bestimmung weitgehend leerlaufen würde (vgl. BeckOGK/Dittert [Stand: 1.7.2017] § 550 BGB Rz. 175, 180; BeckOK/BGB/Hermann [Stand: 1.11.2016] § 550 Rz. 17; BeckOK MietR/Leo [Stand: 1.6.2017] § 550 BGB Rz. 394; Lützenkirchen/Lützenkirchen Mietrecht 2. Aufl., § 550 BGB Rz. 86).
Rz. 37
Dem lässt sich nicht mit Erfolg entgegenhalten, derartige Klauseln verhülfen dem Grundsatz pacta sunt servanda erst zur Geltung, weil sie die vereinbarte Langfristigkeit des Mietverhältnisses auch bei Schriftformfehlern bewahrten (vgl. dazu etwa OLG Braunschweig NZM 2016, 197, 200; Bub in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 4. Aufl. Kap. II Rz. 1792). Mit §§ 578, 550 BGB hat der Gesetzgeber die Vertragsfreiheit bewusst dahingehend eingeschränkt, dass langfristige mietvertragliche Bindungen über Grundstücke und (Wohn-)Räume der Schriftform bedürfen. Fehlt es an dieser, besteht als gesetzliche Folge auch kein langfristiges Mietverhältnis, das es zu bewahren gälte (vgl. Lützenkirchen/Lützenkirchen Mietrecht 2. Aufl., § 550 BGB Rz. 86). Durch Schriftformheilungsklauseln wird nicht lediglich das rechtliche Ergebnis hergestellt, das bestünde, wäre von vornherein die gesetzliche Schriftform gewahrt gewesen (so aber Bieber/Eupen Mietrecht in Einkaufszentren und anderen Spezialimmobilien B.II. Rz. 34). Vielmehr soll mit ihnen die in § 550 BGB enthaltene bewusste gesetzgeberische Entscheidung in unzulässiger Weise umgangen werden.
Rz. 38
Unzutreffend ist auch der insoweit erhobene Einwand, die Kündigung bleibe doch möglich und werde nur in zulässiger Weise eingeschränkt (vgl. etwa Neuhaus Handbuch der Geschäftsraummiete 6. Aufl. Kap. 5 Rz. 281). Hielte man nämlich die Klausel für wirksam, dann ergäbe sich aus ihr eine vertragliche Pflicht zur Nachholung der Schriftform, die über § 242 BGB de facto regelmäßig die auf einen Schriftformmangel gestützte ordentliche Kündigung hindern würde. Mit einer Schriftformheilungsklausel wird zudem weder gegenüber den Vertragsschließenden noch gegenüber Rechtsnachfolgern die Warnfunktion erfüllt. Denn die Warnfunktion zielt nicht darauf ab, auf die Schriftformbedürftigkeit - die den Vertragsparteien jedenfalls angesichts der Heilungsklausel bewusst sein muss (vgl. BeckOK MietR/Leo [Stand: 1.6.2017] § 550 BGB Rz. 393) - hinzuweisen, sondern dem unbedachten Eingehen langfristiger Vertragsbindungen vorzubeugen bzw. dem potentiellen Erwerber vor Augen zu führen, in welche langfristig wirkenden vertraglichen Rechte und Pflichten er eintreten wird. Inwieweit sich eine Schriftformheilungsklausel letztlich zum Nachteil einer Vertragspartei auswirkt (vgl. dazu OLG Braunschweig NZM 2016, 197, 200), ist keiner abstrakt generellen Beurteilung zugänglich und angesichts des zwingenden Charakters von § 550 BGB auch ohne Bedeutung.
Rz. 39
(3) § 550 BGB wirkt dabei nicht als gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB (so aber LG Krefeld ZMR 2016, 547; Schweitzer in Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer Gewerberaummiete § 550 BGB Rz. 94 a.E.). Denn bei § 550 BGB handelt es sich nicht um ein Verbotsgesetz, sondern um eine gesetzliche Einschränkung der grundsätzlichen Formfreiheit von Rechtsgeschäften dahingehend, dass die von der Bestimmung erfassten Mietverträge nur bei Wahrung der Schriftform einer langfristigen Bindung zugänglich sind (vgl. Staudinger/Sack/Seibl BGB [2017] § 134 Rz. 33 m.w.N.). Schriftformheilungsklauseln können vielmehr keine rechtliche Wirksamkeit erlangen, weil sie mit § 550 BGB als zwingendem Recht unvereinbar sind. Dies gilt unabhängig davon, ob sie - wie im vorliegenden Fall - zusätzlich eine Verpflichtung enthalten, von einer Kündigung wegen des Schriftformfehlers abzusehen.
Rz. 40
c) Gleichwohl ist die angefochtene Entscheidung im Ergebnis zutreffend, weil sich die Berufung der Klägerin auf den Schriftformverstoß aus anderen Gründen als treuwidrig darstellt.
Rz. 41
aa) Es verstößt gegen Treu und Glauben, wenn eine Mietvertragspartei eine nachträglich getroffene Abrede, die lediglich ihr vorteilhaft ist, allein deshalb, weil sie nicht die schriftliche Form wahrt, zum Anlass nimmt, sich von einem ihr inzwischen lästig gewordenen langfristigen Mietvertrag zu lösen (BGH, Urt. v. 25.11.2015 - XII ZR 114/14, NJW 2016, 311 Rz. 27; v. 19.9.2007 - XII ZR 198/05, NJW 2008, 365 Rz. 16; BGHZ 65, 49 = NJW 1975, 1653, 1655; vgl. auch MünchKomm/BGB/Bieber 7. Aufl., § 550 Rz. 19 m.w.N.; Staudinger/Emmerich BGB [Updatestand: 27.3.2017] § 550 Rz. 41 m.w.N.).
Rz. 42
bb) So verhält es sich hier.
Rz. 43
(1) Nach den mit der Revision nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen ist die die neue Wertsicherungsklausel beinhaltende Vertragsänderung auf Drängen der Klägerin erfolgt.
Rz. 44
(2) Diese Neuregelung diente auch - wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig gesehen hat - ausschließlich den Interessen der Klägerin als Vermieterin.
Rz. 45
Hiergegen wendet sich die Revision zwar mit dem Einwand, indem die Parteien nun anstelle einer auf ein bestimmtes Basisjahr bezogenen Punkteregelung an eine prozentuale Preissteigerung anknüpften, hätten sie jedenfalls auch den Beklagten begünstigt. Die prozentuale Preissteigerung, die für das Erreichen des ursprünglich erforderlichen Punkteunterschieds erforderlich sei, werde nämlich umso geringer, je weiter der Indexstand entfernt sei. Erhöhe sich etwa der Indexstand von 200 auf 210, entspreche das nur noch einer prozentualen Steigerung von 5 %. Außerdem habe der Beklagte mit der Neuregelung nur seiner vertraglichen Verpflichtung entsprochen, an der Neufassung der Wertsicherungsklausel - die aufgrund des Umstands, dass das Statistische Bundesamt die Veröffentlichung der Umbasierungsfaktoren eingestellt habe, undurchführbar geworden sei - mitzuwirken.
Rz. 46
Damit dringt die Revision aber nicht durch. Denn die im ersten Nachtrag enthaltene frühere Wertsicherungsklausel enthielt ohnedies eine automatische Ersetzungsregel für den Fall der Umbasierung. Eine solche ist im Übrigen - worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist - in der Vergangenheit regelmäßig, zuletzt im Jahre 2008 auf das Basisjahr 2005 und im Jahre 2013 auf das Basisjahr 2010, erfolgt. Dass die Preissteigerung binnen der Vertragslaufzeit - selbst unter Einschluss der fünfjährigen Verlängerungsoption des Beklagten - auch nur annähernd die Größenordnung erreichen konnte, ab der eine Steigerung um zehn Indexpunkte eher eintritt als eine 6 %ige Preissteigerung, liegt ebenso fern wie ein Preisverfall um mindestens 6 %. Damit konnte bei realistischer Betrachtung allein die Klägerin von der Vertragsänderung profitieren, weil wesentlich früher als nach der alten Regelung eine Mieterhöhung aufgrund der Steigerung des Verbraucherpreisindex eintrat. Tatsächlich hat die Klägerin auch wenige Monate nach der Vertragsänderung mit Erfolg eine um 6 % höhere Miete vom Beklagten verlangt.
Rz. 47
(3) Dass die Klägerin diese im wirtschaftlichen Ergebnis ihr allein günstige und zudem von ihr geforderte Vertragsänderung mit Blick auf die Formwidrigkeit dieser Änderungsvereinbarung zum Anlass nimmt, den Mietvertrag ordentlich zu kündigen, stellt einen Fall des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens dar. Eine auf dieser Kündigung beruhende Vertragsbeendigung wäre ein schlechthin untragbares Ergebnis, so dass der Klägerin die Berufung auf den Schriftformverstoß gem. § 242 BGB versagt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 11348978 |
BGHZ 2019, 68 |
BB 2017, 2689 |
BB 2017, 2761 |
NJW 2017, 3772 |
NWB 2017, 3559 |
EWiR 2018, 303 |
IBR 2017, 708 |
NZM 2018, 38 |
ZIP 2017, 87 |
ZIP 2018, 328 |
ZMR 2018, 30 |
JZ 2017, 770 |
JZ 2018, 78 |
JZ 2018, 789 |
MDR 2017, 1351 |
MietRB 2017, 341 |
MietRB 2017, 342 |
NJW-Spezial 2018, 34 |
NWB direkt 2017, 1193 |
NZBau 2018, 218 |
NZBau 2018, 5 |
RdW 2018, 220 |
GuG 2018, 53 |
LL 2018, 75 |
ZP 2018, 11 |