Leitsatz (amtlich)
Zum Tatbestandsmerkmal des geschäftsmäßigen Erwerbs von Forderungen.
Normenkette
RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1; 5. AVO zum RBerG § 1 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. März 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger klagt aus abgetretenem Recht auf Zahlung von Schadensersatz gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes. Dieser war persönlich haftender Gesellschafter der am 31. Dezember 1971 gegründeten H. D. I. KG (im folgenden: I.). An der I. beteiligten sich in den Jahren 1972 und 1973 etwa 150 bis 160 Kommanditisten mit unterschiedlichen Kapitalanteilen. Zweck der Gesellschaft war die Errichtung und Verpachtung von Wärmeversorgungsbetrieben. Die I. kaufte im Jahre 1972 fünf Heizkraftwerke, die von der V. GmbH & Co.KG (im folgenden: V.), an der H. D. maßgeblich beteiligt war, errichtet worden waren. Sie verpachtete diese Heizkraftwerke sodann an die V., später an die C. Gesellschaft mbH. Die Pächterin vereinbarte ihrerseits Wärmelieferungsverträge mit den Endabnehmern.
Die Anleger wurden auf der Grundlage eines Prospektes geworben. Darin wurde ihnen u.a. eine jährliche Mindestausschüttung von 8 % in Aussicht gestellt. Nachdem Anfang der achtziger Jahre vier der Heizkraftwerke verkauft worden waren, wurde das Kommanditkapital um 23,7 % herabgesetzt und der entsprechende Betrag an die Kommanditisten ausgeschüttet. Die I. zahlt seit 1984 keine Zinsen mehr auf die Kommanditeinlagen. Sie befindet sich jetzt in Liquidation. Die verbliebenen Kapitalbeteiligungen sind inzwischen wertlos.
Der Kläger ließ sich von 23 Kommanditisten deren Schadensersatzansprüche abtreten. Er verlangt von der Beklagten insgesamt 614.215,– DM. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Gesamtanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Die Abtretungen der Einzelforderungen der 23 Kommanditisten, denen ein entsprechendes Ersuchen des Klägers zugrunde liegt, verstoßen nicht gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG.
1. Dies folgt allerdings nicht schon daraus, daß das Factoring nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht der Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz bedarf.
a) Gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG darf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung und der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen, geschäftsmäßig nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Stelle die Erlaubnis erteilt ist. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Fünften Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes (5. AVO zum RBerG) erweitert die Erlaubnispflicht nach Art. 1 § 1 RBerG auf den geschäftsmäßigen Erwerb von Forderungen zum Zwecke der Einziehung auf eigene Rechnung. Die Vorschrift erfaßt nur den Forderungskauf sowie Vollabtretungen in Form der Abtretung an Erfüllungs Statt. Hierdurch soll die Umgehung von Art. 1 § 1 RBerG durch entsprechende zivilrechtliche Gestaltungen verhindert werden (BGHZ 58, 364, 368; BGH, Urt. v. 24. Oktober 2000 – XI ZR 273/99, Umdruck S. 6 f.).
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes fällt das Factoring nicht unter das Rechtsberatungsgesetz (BGHZ 115, 123, 124; 76, 119, 125; 58, 364, 368).
aa) Die Annahme eines erlaubnisfreien unechten Factorings wäre indes ersichtlich nicht begründet.
Bei dem unechten Factoring werden die Forderungen nur erfüllungshalber an den Factor übertragen. Der Zedent erhält zwar den Forderungsbetrag sofort, haftet aber nicht nur für den rechtlichen Bestand der Forderungen, sondern trägt auch das Ausfallrisiko. Ist die abgetretene Forderung nicht beitreibbar, so ist er zur Rückzahlung des Forderungsbetrages gegen Rückübertragung der Forderung verpflichtet. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise stellt sich das unechte Factoring damit als ein Kreditgeschäft dar, das sich kaum von der gewöhnlichen Sicherungsabtretung unterscheidet (BGHZ 58, 364, 366 ff.). Der Factor nimmt keine fremde, sondern eine eigene Rechtsangelegenheit wahr (BGHZ 58, 364, 367).
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Der Kläger hat sich die Forderungen der Anleger weder in unmittelbarem Zusammenhang mit einem von ihm betriebenen gewerblichen Unternehmen (Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG) nur erfüllungshalber abtreten lassen, noch hat er die Forderungsbeträge sofort an die Anleger mit der Maßgabe ausgezahlt, daß sie im Falle der Nichtbeitreibbarkeit zurückzuerstatten sind.
bb) Ebensowenig treffen im vorliegenden Fall die Erwägungen zu, aufgrund derer der Bundesgerichtshof das echte Factoring als erlaubnisfrei ansieht.
Bei dem echten Factoring erwirbt der Factor die Forderungen endgültig. Mit deren Einziehung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung besorgt er deshalb keine fremden, sondern eigene Rechtsangelegenheiten. Das echte Factoring erschöpft sich jedoch nicht in dem Kauf der Forderung. Auch hier werden die – angekauften – Forderungen bevorschußt. Hinzukommt, daß der Factor das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners übernimmt (Delkredere-Risiko) und das echte Factoring gleichzeitig eine Versicherungsfunktion hat. Dadurch unterscheidet sich das echte Factoring vom reinen Inkassogeschäft (BGHZ 76, 119, 125 f.).
Diese Merkmale erfüllt die Tätigkeit des Klägers nicht. Er hat den Gegenwert der Forderungen nicht sofort an die Zedenten ausgezahlt und auch das Delkredere-Risiko nicht übernommen. Sein Vorgehen hat weder eine Vorfinanzierungs- noch eine Versicherungsfunktion. Es fehlen damit die Charakteristika des echten Factorings, die dieses dem Anwendungsbereich des Rechtsberatungsgesetzes entziehen.
2. Die Anwendung dieses Gesetzes scheitert jedoch daran, daß das Vorgehen des Klägers bei dem Forderungserwerb zwar die übrigen Tatbestandsmerkmale mindestens des § 1 Abs. 1 der 5. AVO zum RBerG erfüllt, ein geschäftsmäßiges Handeln, das Voraussetzung für die Erlaubnispflicht nach Art. 1 § 1 RBerG und § 1 der 5. AVO zum RBerG ist, aber nicht feststellbar ist. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung läßt die im Revisionsverfahren nur beschränkt nachprüfbare tatrichterliche Würdigung, mit der das Berufungsgericht die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals verneint, einen Rechtsfehler nicht erkennen. Geschäftsmäßig handelt nur derjenige, der beabsichtigt – sei es auch nur bei sich bietender Gelegenheit – die Tätigkeit zu wiederholen, um sie dadurch zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil eines Erwerbs zu machen (BGH, Urt. v. 28. Februar 1985 – I ZR 191/82, WM 1985, 1214, 1215 = NJW 1985, 1223; v. 5. Juni 1985 – IVa ZR 55/83, NJW 1986, 1050, 1051). Als Anzeichen für eine solche Wiederholungsabsicht kann bereits der Umstand ausreichen, daß der Berater für seine rechtsberatende oder rechtsbesorgende Tätigkeit ein Honorar gefordert hat, zumal, wenn dies im Rahmen seiner hauptberuflichen Tätigkeit geschehen ist (BGH, Urt. v. 5. Juni 1985 – IVa ZR 55/83 aaO 1052). Anders liegt der Fall, wenn nur ausnahmsweise aus besonderen Gründen eine Forderungseinziehung vorgenommen wird (BGH, Urt. v. 28. Februar 1985 – I ZR 191/82 aaO).
Von diesen rechtlichen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Angesichts der Beschränkung des Klägers auf einen bestimmten Personenkreis, nämlich die Kommanditisten der I., und deren Forderungen aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt, seiner Kenntnis der Verhältnisse der Gegenseite sowie seines unwiderlegten Vortrags, einmalig und ohne Wiederholungsabsicht gehandelt zu haben, hat es den Umständen, daß er Angestellter eines Anlageberatungsunternehmens ist und für seine Tätigkeit ein Erfolgshonorar vereinbart hat, keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Dies ist als tatrichterliche Würdigung jedenfalls vertretbar und frei von Rechtsfehlern.
II. Die Angriffe der Revision gegen das Berufungsurteil haben Erfolg.
1. Mit dem zu dem gleichen Komplex ergangenen Urteil vom 17. Juni 1991 (II ZR 121/90, WM 1991, 1543) hat der Senat entschieden, daß der Prospekt in zwei wesentlichen Punkten unrichtig oder unvollständig war und der damalige Beklagte – der verstorbene Ehemann der jetzigen Beklagten – darüber hätte aufklären müssen.
Nach der in allen Kaufverträgen über den Erwerb der Heizkraftwerke identischen Bestimmung des § 8 war die Gesellschaft verpflichtet, „das Vertragsgrundstück sowie das Eigentum an allen Anlagen und Einrichtungen” insbesondere im Konkursfall (einschließlich des Falles der Ablehnung der Eröffnung des Konkurses mangels Masse) und bei Auflösung der Gesellschaft gegen Zahlung von 80 % des Zeitwertes auf die V. zu übertragen. Diese Vereinbarungen hatten im praktischen Ergebnis die Bedeutung, daß bei einer Liquidation der Gesellschaft 20 % des Gesellschaftsvermögens (vor Abzug der Passiva) vorweg einer von dem verstorbenen Ehemann der Beklagten beherrschten Gesellschaft zufallen sollten. Ein Vorteil war damit für die übrigen Gesellschafter selbst dann nicht verbunden, wenn bei einem anderweitigen Verkauf der Heizkraftwerke weniger als 80 % zu erzielen gewesen wäre; denn die V. war zur Übernahme nur berechtigt, nicht aber verpflichtet. Über eine Vertragsgestaltung von so großer Tragweite hätten die Beitrittsinteressenten aufgeklärt werden müssen.
Ein zweiter wesentlicher Punkt ist nach dieser Entscheidung die irreführende Erklärung über die Anpassungsklauseln. Im Prospekt wurde den Zeichnern eine jährliche Mindestausschüttung von 8 % aus der mit der Pächterin vereinbarten „Festpacht” in Aussicht gestellt. Als Erläuterung hieß es dazu, die „Festpacht” sei an den Lebenshaltungskostenindex gekoppelt; die Indexklausel sei von der Landeszentralbank genehmigt. Diese Angabe war an sich zutreffend. Mit der Pächterin war – neben einem umsatz- und ertragsabhängigen Pachtzins – ein fester Grundpachtzins von 450.500,– DM vereinbart, der sich ohne weiteres entsprechend veränderte, wenn der Lebenshaltungskostenindex um mindestens 5 % stieg oder fiel (§ 6 des Pachtvertrages). Diese Regelung hatte die Landeszentralbank durch Verfügung vom 29. Mai 1972 für die Zeit bis zum 31. Dezember 2004 genehmigt. Das Entgelt, das die Endabnehmer für die Wärmelieferungen an die Pächterin zu leisten hatten, war indes nicht in gleicher Weise an den Lebenshaltungskostenindex gekoppelt. Die Verträge mit den Verbrauchern enthielten zwar ebenfalls eine Anpassungsklausel. Diese orientierte sich aber nicht an den Lebenshaltungskosten, sondern an den Löhnen und den Brennstoffpreisen. Die Landeszentralbank hatte auch sie genehmigt, aber zunächst nur für ein Jahr; die Genehmigung wurde später immer wieder verlängert, letztmals bis zum 30. September 1978. Eine weitere Verlängerung lehnte die Landeszentralbank ab, weil sie inzwischen ihre Genehmigungspraxis geändert hatte. Der auf Seite 5 des Prospekts enthaltene Hinweis auf die Koppelung der „Festpacht” an den Lebenshaltungskostenindex wurde auf Seite 8 des Prospekts inhaltlich nochmals aufgegriffen und um die Mitteilung der Genehmigung durch die Landeszentralbank ergänzt. Dies alles in seinem Gesamtzusammenhang konnte auch von einem aufmerksamen Leser dahin verstanden werden, daß das Entgelt für die Wärmelieferungen in derselben Weise abgesichert sei wie der Pachtzinsanspruch. Der in den Prospekt aufgenommene Hinweis auf die festen, dinglich gesicherten Wärmeabnahmeverpflichtungen bezog sich gerade auf das Verhältnis zu den einzelnen Verbrauchern und sollte den Zeichnern die Sicherheit vermitteln, daß nicht nur das Vertragsverhältnis zu der Pächterin, sondern auch der Betrieb der Heizkraftwerke als solcher und damit die für die Anleger zu erwartende Rendite auf Dauer eine feste Grundlage habe. Gerade hieran mußte der künftige Gesellschafter vor allem interessiert sein. Der günstigste Pachtvertrag war wirtschaftlich und auf längere Sicht wertlos, wenn der Pächter den Pachtzins nicht zahlen konnte, weil er die produzierte Wärme nicht gewinnbringend absetzen konnte. Wenn in diesem Zusammenhang die Absicherung eines auskömmlichen Pachtzinses durch eine genehmigte Anpassung an die Lebenshaltungskosten auf die Dauer von mehr als 30 Jahren hervorgehoben wurde, dann war das geeignet, so verstanden zu werden, daß dies seine Grundlage in einer entsprechenden Absicherung im Verhältnis zu den Endabnehmern habe. Gerade das traf aber nicht zu; der Prospekt war daher in diesem Punkt irreführend.
2. Dieser Entscheidung, an der der Senat festhält, wird das Urteil des Berufungsgerichts nicht gerecht. Seine Argumentation, die beiden Punkte seien für die Werthaltigkeit des Anlageobjekts von völlig untergeordneter Bedeutung gewesen, ist nicht haltbar. Damit stellt das Berufungsgericht sich in nicht hinnehmbarer Weise auf einen der Senatsrechtsprechung diametral entgegengesetzten Standpunkt.
3. Das Berufungsgericht meint, die Erwägungen des Senats in seinem Urteil vom 17. Juni 1991 seien durch den Nichtannahmebeschluß des XI. Zivilsenats vom 19. Mai 1998 (XI ZR 376/97), der nicht näher begründet worden ist, überholt. Diese Annahme ist unrichtig. In dem dem Nichtannahmebeschluß zugrundeliegenden Urteil des OLG München vom 7. November 1996 ging es um eine von mehreren Kommanditisten derselben KG gegen die B. AG als Vermittlerin gerichtete Klage. Das OLG hat dort eine Aufklärungspflicht der dortigen Beklagten verneint. Es liegt nahe, daß der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat die einem Kreditinstitut aus einem Auskunfts- und Beratungsvertrag obliegenden Hinweispflichten im Vergleich zu gesellschaftsrechtlichen Maßstäben geringeren Anforderungen unterwerfen wollte. Jedenfalls ist es unzutreffend zu behaupten, durch den Nichtannahmebeschluß des XI. Zivilsenats habe sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fortentwickelt. Hätte der XI. Zivilsenat von der Rechtsprechung des II. Zivilsenats abweichen wollen, so wäre der Senat gemäß § 132 Abs. 3 GVG zuvor befragt worden, ob er an seiner Auffassung festhalten will. Bei einer fortbestehenden Divergenz hätte gemäß § 132 Abs. 2 GVG der Große Senat angerufen werden müssen.
III. Da die Höhe des eingetretenen Schadens und der Zinsanspruch des Klägers streitig sind und das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, ist die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Prof. Dr. Henze ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Röhricht, Kraemer, Münke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.11.2000 durch Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 519145 |
BB 2001, 331 |
DB 2001, 430 |
DStR 2001, 543 |
DStZ 2001, 220 |
NJW 2001, 756 |
BGHR 2001, 216 |
GRUR 2001, 357 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 310 |
WuB 2002, 92 |
AnwBl 2002, 372 |
MDR 2001, 444 |
MittRKKöln 2001, 157 |