Kernaussage
Handelsrechtlich bleibt es bezüglich der Bilanzierung von Implementierungskosten bei Cloud Computing bei einer "diversity in theory and practice". Den Befürwortern einer Aktivierung von Implementierungskosten als eigenständiger immaterieller Vermögensgegenstand stehen die Befürworter einer unmittelbaren, aufwandswirksamen Erfassung der Implementierungskosten gegenüber. Das IDW hat sich zur Thematik bislang noch nicht offiziell geäußert. Dagegen haben sich 2 Mitglieder des IDW Fachausschusses Unternehmensberichterstattung (FAB) in einem Beitrag ("Streitgespräch") in der WPg 2022, S. 505 ff. zu den unterschiedlichen Sichtweisen geäußert. Mit rkr. Urteil des FG München vom 4.2.2021 wird eine Aktivierung von Implementierungskosten als Wirtschaftsgut (und Vermögensgegenstand) abgelehnt.
5.1 Ausgangssituation
Die Auslagerung betrieblicher Prozesse und Funktionen erfasst mit fortschreitender Digitalisierung vermehrt auch die für die Erbringung von Dienstleistungen erforderlichen IT-Systeme. Dabei wird dem auslagernden Anwender im Rahmen des sog. Cloud Computing die entgeltliche Nutzung von Software in der IT-Infrastruktur eines externen IT-Dienstleisters über Breitbandtechnologien (bspw. Internet) ermöglicht (Software as a Service, SaaS). Bevor die Software bestimmungsgemäß genutzt werden kann, fallen regelmäßig Ausgaben für die Konfiguration und/oder Anpassung der Software an die Anforderungen des Anwenders an, die oft ein Vielfaches der Kosten für die Überlassung der Software betragen.
Mangels gesetzlicher Grundlagen, höchstrichterlicher Rechtsprechung oder Verlautbarung des Berufsstandes fehlt es nach wie vor an einer einheitlichen Beurteilung der handelsbilanziellen Behandlung solcher Implementierungskosten in Theorie und Praxis.
5.2 Handelsrechtliche Auffassung(en) unverändert divers
Nach Auffassung des Befürworters der Aktivierung von Implementierungskosten scheidet die Aktivierung einer dem Servicemodell SaaS zugrunde liegenden Software – mangels wirtschaftlichen Eigentums an der genutzten Software selbst – zwar in der Regel aus. Ob es bei einer Nutzungsüberlassung im Servicemodell SaaS zum Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an einem eigenständigen Nutzungsrecht an der Software kommt oder ob ein schwebendes Geschäft vorliegt, für das der Grundsatz der Nichtbilanzierung gilt, sei jedoch im Einzelfall anhand der allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätze zu prüfen. Wird kein wirtschaftliches Eigentum an einem Nutzungsrecht erlangt, soll eine selbstständige Implementierung, deren Nutzung und Verwertung durch das Unternehmen vertraglich gesichert ist, für den Anwender einer Software einen greifbaren Wert haben. Die Ausgaben für die Implementierung seien danach Anschaffungskosten für einen selbstständigen Vermögensgegenstand im bilanzrechtlichen Sinn. Ein solches Verständnis des Vermögensgegenstandsbegriffs sei auch sachgerecht, da das Problem der fehlenden Verwertbarkeit des wirtschaftlichen Werts von Implementierungskosten gegenüber Dritten unabhängig davon besteht, ob wirtschaftliches Eigentum an der implementierten Software besteht oder nicht. Die andere Ansicht verkenne, dass die handelsrechtliche Bilanzierung die wirtschaftliche Realität abzubilden hat, die im Laufe der fortschreitenden Digitalisierung neue Sachverhalte schafft. So müsse sich das bilanzrechtliche Verständnis des Vermögensgegenstandsbegriffs daran messen lassen, ob es unter Berücksichtigung dieser Entwicklungen auch weiterhin in der Lage ist, neu auftretende Lebenssachverhalte in adäquater Weise in der handelsrechtlichen Rechnungslegung abzubilden. Dies sei mit dem herrschenden Verständnis eines Vermögensgegenstandes als Schuldendeckungsmasse nach den Grundsätzen der Fortführungsstatik auch möglich. Im Ergebnis seien Implementierungskosten für eine Software, die in dem Servicemodell SaaS genutzt wird, beim Anwender zu aktivieren und über die vereinbarte Grundlaufzeit des SaaS-Vertrags abzuschreiben.
Nach der Auffassung des Befürworters einer aufwandswirksamen Erfassung von Implementierungskosten scheidet eine Aktivierung der Implementierungskosten als selbstständiger immaterieller Vermögensgegenstand aus. Dies gilt umso mehr, als die Implementierung ohne das Nutzungsrecht an der Software wertlos ist. Zwar habe der Anwender Kontrolle über das Nutzungsrecht an der Software. Da das Nutzungsrecht an der Software aber nicht aktiviert werden kann, gelte: Ohne Anschaffungs-(haupt-)kosten gibt es keine Anschaffungsnebenkosten. Die andere Ansicht stehe nicht auf dem Boden des geltenden Bilanzrechts, sondern entwickele den Begriff des Vermögensgegenstands im Lichte der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft und unter dem Deckmantel einer (verfehlten) "Analogie zu Mietereinbauten" realiter (und bedenklich) fort. Im Ergebnis seien Implementierungskosten für eine Software, die in dem Servicemodell SaaS genutzt wird, beim Anwender als laufender Aufwand zu verrechnen.
Diesem letzten Befund ist u. E. beizupflichten.
Mit rkr. Urteil des FG München vom 4.2.2021 wird eine Aktivierung von Implementierungskosten ...