Die klassische Bilanzanalyse konzentriert sich auf die Analyse und Bewertung von Vermögens-, Kapital- und Liquiditätslage.
4.1 Analyse der Vermögensstruktur
Bei der Untersuchung der Fristigkeit der Vermögenspositionen unterscheidet man nach langfristigem (Anlage-)Vermögen und kurzfristigem (Umlauf-)Vermögen, wobei diese beiden Blöcke weiter nach Laufzeiten untergliedert werden. Aus dem Verhältnis von Anlage- zum Gesamtvermögen oder vom Anlage- zum Umlaufvermögen lassen sich z. B. Rückschlüsse auf die Kostenstruktur ableiten. Ein hohes Anlagevermögen deutet u. a. auf hohe Abschreibungen und Zinsen hin. Einige der am häufigsten verwendeten Kennzahlen zur Vermögensstruktur sind in Abb. 3 festgehalten.
Besonders hervorzuheben sind Working Capital und Working Capital Ratio. Sie bilden das Netto-Umlaufvermögen eines Betriebes ab, indem sie die Deckungsfähigkeit der kurzfristigen Verbindlichkeiten durch das Umlaufvermögen darstellen. Das Working Capital zeigt die Höhe des Überschussbetrages an, der zur Aufrechterhaltung der betrieblichen Aufgaben, z. B. Beschaffung, Produktion, zur Verfügung steht. Das Working Capital ist auch ein Indikator für (unnötige) Kapitalbindung und sollte, absolut gesehen, nicht zu hoch ausfallen. Denn zu hohe Bestände an Forderungen oder Vorräten führen dazu, dass Kapital gebunden wird und nicht für Investitionen oder Produktentwicklungen zur Verfügung steht. Zudem steigen die Risiken, z. B. von Schwund, Verderb, Diebstahl und Überalterung bei den Vorräten und Zahlungsausfällen oder -verzug bei den Forderungen.
Beim Working Capital sollte bedacht werden, dass es meist ohne liquide Mittel gebildet wird, da diese frei verfügbar sind und sofort genutzt werden können, z. B. für Investitionen. Es gibt aber auch Ansätze, bei denen die flüssigen Mittel berücksichtigt werden. Hier wird die Auffassung vertreten, dass eigentlich freie Mittel nicht produktiv genutzt werden. Bei den kurzfristigen Verbindlichkeiten werden meist die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen genommen. Auch hier ist es möglich, andere kurzfristige Verbindlichkeiten, etwa Steuerrückstellungen, einzubeziehen. Auch hier gilt es, sich ggf. mit wichtigen Partnern über die Formelbildung abzustimmen.
Anlageintensität |
= |
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Anlagevermögen * 100 |
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Gesamtvermögen |
|
Umlaufvermögensintensität |
= |
|
Umlaufvermögen * 100 |
|
|
Gesamtvermögen |
|
Vermögenselastizität |
= |
|
Umlaufvermögen * 100 |
|
|
Anlagevermögen |
|
Vorratsquote |
= |
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Vorräte * 100 |
|
|
Gesamtvermögen |
|
Forderungsquote |
= |
|
Forderungen * 100 |
|
|
Gesamtvermögen |
|
Anteil flüssiger Mittel |
= |
|
Flüssige Mittel * 100 |
|
|
Gesamtvermögen |
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Deckungsgrad I |
= |
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Eigenkapital * 100 |
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Anlagevermögen |
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Deckungsgrad II |
= |
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(Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital) * 100 |
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Anlagevermögen |
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Working Capital |
= |
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Umlaufvermögen (i. W. Forderungen, Vorräte, meist ohne liquide Mittel) – kurzfristige Verbindlichkeiten (meist aus Lieferungen und Leistungen) |
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Working Capital Ratio |
= |
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Umlaufvermögen (wie zuvor) * 100 |
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|
kurzfristige Verbindlichkeiten (wie zuvor) |
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Abb. 3: Ausgewählte Vermögenskennzahlen
4.2 Analyse der Kapitalstruktur
Hier geht es in erster Linie um das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital oder um das Verhältnis von Eigen- zu Gesamtkapital. Grundsätzlich gilt ein hoher Eigenkapitalanteil als erstrebenswert. Bei der Analyse der Kapitalstruktur gibt es zwei "goldene Regeln". Die goldene Finanzierungsregel besagt, dass die dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Eigenmittel nicht kurzfristiger finanziert sein sollen als die entsprechende Mittelverwendung. Die goldene Bilanzregel verlangt, dass das Anlagevermögen möglichst vollständig durch Eigenkapital gedeckt sein sollte, im Ausnahmefall kann hierzu auch noch das langfristige Fremdkapital hinzugezogen werden.
Eigenkapitalanteil (Grad der finanziellen Unabhängigkeit) |
= |
|
Eigenkapital * 100 |
|
|
Gesamtkapital |
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Fremdkapitalanteil (Grad der Verschuldung) |
= |
|
Fremdkapital * 100 |
|
|
Gesamtkapital |
|
Anteil des langfristigen Fremdkapitals |
= |
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langfristiges Fremdkapital (meist Laufzeiten > 1-2 Jahre) * 100 |
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|
Gesamtkapital |
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Anteil kurzfristiges Fremdkapital |
= |
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kurzfristiges Fremdkapital * 100 (meist <= 1 Jahr) |
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|
Gesamtkapital |
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Grad der Selbstfinanzierung |
= |
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Rücklagen * 100 |
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Gezeichnetes Kapital |
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Bankabhängigkeit |
= |
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Bankverbindlichkeiten * 100 |
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Eigenkapital |
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Goldene Finanzierungsregel (auch Deckungsgrad II) |
= |
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langfristiges Vermögen * 100 |
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langfristiges Kapital |
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Goldene Bilanzregel (auch Deckungsgrad I) |
= |
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Eigenkapital * 100 |
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|
Anlagevermögen |
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Abb. 4: Ausgewählte Bilanzkennzahlen
4.3 Aufgaben der Liquiditätsanalyse
Unter Liquidität ist die Fähigkeit eines Unternehmens gemeint, den bestehenden Zahlungsverpflichtungen jederzeit uneingeschränkt nachkommen zu können. Um zu überprüfen, wie sich die Liquiditätssituation eines Unternehmens darstellt, wird die Liquidität in der Praxis am häufigsten mit den nachstehenden Formeln berechnet:
Liquidität 1. Grades |
= |
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flüssige Mittel * 100 |
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kurzfristige Verbindlichkeiten (meist aus Lieferungen und Leistungen) |
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Liquidität 2. Grades |
= |
|
(flüssige Mittel + kurzfristige Forderungen... |