6.3.1 Grundsachverhalte

 

Rz. 138

Grundsätzlich ist bei einer Analyse der Finanzlage im Wesentlichen zwischen bestände- und bewegungsbezogener Analyse zu unterscheiden, wie es Abb. 12 verdeutlicht.

Abb. 12: Analyse der Finanzlage

 

Rz. 139

Im Rahmen der bestandsgrößenorientierten Analyse gibt die Vermögensanalyse als vertikale Betrachtung der Bilanzaktiva Aufschluss über die Struktur des Vermögens sowie dessen Veränderungen im Zeitablauf. Dabei sind beispielsweise die Art und Zusammensetzung des Vermögens oder die Dauer der Vermögensbindung von Interesse.[1] Im Gegensatz zur Vermögensanalyse bezieht sich die Finanzierungsanalyse auf die Passivseite der Bilanz und gibt Auskunft über die Quellen und die Zusammensetzung des Kapitals nach Art, Sicherheit und Fristigkeit.[2]

 

Rz. 140

Die Liquiditätsanalyse als horizontale Betrachtung der Bilanzstruktur informiert über die Deckungsverhältnisse von Vermögen und Kapital, wodurch ein Einblick in die Fähigkeit eines Unternehmens, zu jeder Zeit seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, gewonnen werden kann.[3] Bei Betrachtung der langfristigen Deckungsverhältnisse ergeben sich für die Analyse relevante Aussagen hinsichtlich der Fristenentsprechung der Investitionsfinanzierung und der strukturellen Liquiditätseinflüsse. Mit Hilfe einer auf die kurzfristigen Vermögens- und Kapitalpositionen bezogenen Betrachtung kann die Fähigkeit des Unternehmens untersucht werden, aus kurzfristig verfügbaren Vermögensteilen die kurzfristig abzudeckenden Verbindlichkeiten begleichen zu können.

 

Rz. 141

Während die bestandsgrößenorientierte Finanzanalyse vornehmlich das Stichtagsbild von Vermögen und Kapital untersucht, betrachtet die stromgrößenorientierte Finanzanalyse (Cashflow-Analyse), welche Finanzmittel aus der unternehmerischen Tätigkeit erwirtschaftet und wie diese verwendet worden sind.[4] Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen dabei die Kapitalflussrechnung und der ausgewiesene bzw. zu berechnende Cashflow als Kennzahl für die Finanzierungskraft des Unternehmens.

 

Rz. 142

Abgesehen von einer retrospektiven Untersuchung der Finanzlage einer Unternehmung ist eine prospektive Interpretation der Daten notwendig. Dieser kombinierte Ansatz stellt eine entscheidungsorientierte finanzwirtschaftliche Bilanzanalyse sicher.

[1] Vgl. Born, Rechnungslegung international – Deutsche und ausländische Jahresabschlüsse lesen und beurteilen, 3. Aufl. 2008, S. 275 ff.
[2] Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 26. Aufl. 2021, S. 1146 ff..
[3] Vgl. Lachnit/Müller, Bilanzanalyse, 2. Aufl. 2017, S. 286 ff.

6.3.2 Vermögensanalyse

 

Rz. 143

Untersuchungsgegenstand der Vermögensanalyse ist die Aktivseite einer Bilanz. Dabei wird neben der Vermögensstruktur und dem Vermögensumschlag auch die Investitionstätigkeit einer Unternehmung betrachtet. Ziel ist es, Erkenntnisse über die Art und Zusammensetzung des Vermögens sowie die Dauer der Vermögensbindung zu gewinnen. Erfolgt eine Analyse der Vermögenslage unter dem Gesichtspunkt der Bindungsdauer, so werden eingegangene finanzielle Bindungsrisiken offenkundig. Das Liquiditätspotenzial, die Dispositionselastizität des Managements und somit die Anpassungsflexibilität bei sich verändernden Absatzgegebenheiten einer Unternehmung werden dadurch einschätzbar.[1]

[1] Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 26. Aufl. 2021, S. 1140; Lachnit/Müller, Bilanzanalyse, 2. Aufl. 2017, S. 270 ff.

6.3.2.1 Vermögensstruktur

 

Rz. 144

Die Analyse der Vermögensstruktur liefert Informationen über die Zusammensetzung der Aktivseite einer Bilanz. Die Verwendung des Kapitals soll dabei nach Art und Zusammensetzung der konkreten investiven Nutzung untersucht werden. Daneben sollen Informationen über die in den Vermögensgegenständen gebundene Liquidität sichtbar werden. Je geringer die Dauer der Vermögensbindung, desto positiver wirkt dies auf die Liquiditätssituation des Unternehmens, die Gefahr der Illiquidität nimmt ab, die Anpassungsfähigkeit an Beschäftigungsänderungen und die Flexibilität des Unternehmens nehmen zu. Als Einstieg sind vor allem folgende Gliederungs- bzw. Intensitätskennzahlen bedeutsam:

 
Langfristvermögensintensität = langfristiges Vermögen
Gesamtvermögen
Sachanlagevermögensintensität = Sachanlagevermögen
Gesamtvermögen
Goodwill-Intensität = Goodwill
Gesamtvermögen
Lieferforderungenintensität = Lieferforderungen
Gesamtvermögen
Zahlungsmittelintensität = Zahlungsmittel und -äquivalente
Gesamtvermögen
 

Rz. 145

Diese Gliederungszahlen heben Investitionsschwerpunkte, das betriebliche Liquiditätspotenzial, Bindungsrisiken sowie die Dispositionselastizität des Managements hervor. Zur betriebswirtschaftlichen Bewertung werden diese Kennzahlen im zeitlichen Vergleich hinsichtlich ihrer Veränderung und im überbetrieblichen Vergleich z. B. mit Branchendurchschnittswerten verglichen, um Auffälligkeiten in der Vermögensbindung des Unternehmens festzustellen. Für die finanzielle Analyse sind daraus Hinweise auf Investitionsschwerpunkte, Liquid...

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