Rz. 3

Handelsrechtlich findet der Oberbegriff der Änderung des Jahresabschlusses Verwendung. Darunter ist jede Änderung von Form und Inhalt nach Feststellung bzw. Billigung eines geprüften Jahresabschlusses zu verstehen. Im Einzelnen kann es sich sowohl um die Änderung fehlerfreier als auch fehlerhafter Bilanzierung handeln, aber auch um die Änderung des Abschlusses aus anderen Gründen. Bei Nichtigkeit des Jahresabschlusses ist eine Änderung dem Grunde nach nicht möglich. Nichtige Jahresabschlüsse müssen grundsätzlich durch wirksame ersetzt werden.[1]

 

Rz. 4

Nach Vorlage eines rechtsgültigen Abschlusses ist bezüglich der Änderungsmöglichkeiten zum einen in fehlerfreie und zum anderen in fehlerhafte Abschlüsse zu differenzieren.[2] Was unter einem "Fehler" in diesem Zusammenhang zu verstehen ist, wird in der Kommentierung und auch in der deutschen Standardsetzung nicht hinreichend beantwortet. Hier scheint nach Hoffmann/Lüdenbach[3] eine negative Abgrenzung in Anlehnung an die einschlägigen Definitionen der IAS/IFRS nachvollziehbar. Diese unterscheiden einerseits zwischen einer Neueinschätzung von Sachverhalten nach IAS 8.36 f. (changes in accounting estimates) und andererseits zwischen einer originären Fehlerkorrektur (correction of errors) in IAS 8.42.

 

Rz. 5

Nach diesen Unterscheidungskriterien liegt in der lediglichen Anpassung von vorgenommenen Einschätzungen kein "Fehleranerkenntnis", im Gegenteil: Die frühere Einschätzung über die zukünftige Entwicklung, die mit Bewertungsfolgen für einen Bilanzposten verbunden ist, macht den damaligen Wertansatz nicht falsch. Dies folgt bereits aus dem Wesen einer Schätzung, die aus der Sicht des finalen Ergebnisses nur ausnahmsweise vollständig "richtig" ist, oder anders ausgedrückt: Es kann nicht den einen richtigen Wert geben, sondern nur eine "richtige" – oft sehr weite – Bandbreite richtiger Werte. Eine Fehlerhaftigkeit – wenn überhaupt – liegt des Weiteren auch nur bei Überschreiten einer Wesentlichkeitsgrenze vor.[4]

 

Rz. 6

Die Abkehr vom steuerlich geprägten sog. subjektiven Fehlerbegriff hinsichtlich Rechtsfragen betreffend die Steuerbilanz durch den Großen Senat des BFH[5] hat indes keine reflexartige Auswirkung auf die Handelsbilanz.[6] Vom Beschluss des BFH unberührt wird somit handelsrechtlich weiter (auch) subjektiv bilanziert werden können, soweit die eingeschlagene Bilanzierung auf eine – nicht völlig abwegige – Auffassung des Schrifttums gestützt werden kann – unterstellt, dass eine gerichtliche und damit letztliche Klärung nicht vorliegt. Fehlerbehaftet i. d. S. ist die vorgenommene Bilanzierung somit erst dann, falls diese (einstimmig) von den einschlägigen Literaturauffassungen verworfen respektive kategorisch verneint wird.[7] Eine handelsrechtlich subjektive Bilanzierungsweise kann dadurch grundsätzlich als zulässig vertreten werden. In diesem Zusammenhang muss beachtet werden, dass auch strukturbedingte, dem zeitlichen Faktor geschuldete Diskrepanzen zwischen handels- und steuerrechtlicher Bilanzierung, z. B. ein lediglich prospektiv wirkendes Urteil des BGH in Abkehr vom subjektiven (handelsbilanziellen) Fehlerverständnis oder dem Auseinanderfallen einer sich hinauszögernden finalen Steuerfestsetzung und dem akuten handelsrechtlichen Bedürfnis auf eine kurzfristig zur Verfügung stehende Entscheidungsgrundlage, vorliegen können.[8]

 

Rz. 7

Die Absage an den subjektiven Fehlerbegriff im Kontext der Steuerbilanz ist somit auch Folge der besonderen Funktion, die der Steuerbilanz im Rahmen einer den rechtlichen Maßstäben genügenden Steuerfestsetzung zukommt. Während die Steuerbilanz auf ein ledigliches Hilfsmittel zur zutreffenden Steuerfestsetzung reduziert und ihr darüber hinaus keine rechtliche Bedeutung beigemessen werden kann, richtet sich die Handelsbilanz zum einen an die (potenziellen) Vertragspartner des Unternehmens und ist zum anderen für das Innenverhältnis der Gesellschafter von besonderer Relevanz, z. B. hinsichtlich eines Gewinnverteilungsbeschlusses. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus sachgerecht, einer subjektiv zutreffenden – also der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns entsprechenden – Handelsbilanz die Wirkung einer objektiven – und damit vermeintlich – richtigen Bilanz zukommen zu lassen, da im Rechtsverkehr sorgfältiges Handeln regelmäßig geschuldet und auch erwartet wird.[9]

 

Rz. 8

In Rechtsprechung und Literatur ist bezüglich der Änderungen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses eine stete Anlehnung an die steuerrechtliche Terminologie festzustellen, obwohl im Handelsrecht ausschließlich von der "Bilanzänderung" die Rede ist.[10] Auch die nur auf die Bilanz Bezug nehmenden Begrifflichkeiten der "Bilanzberichtigung" und der "Bilanzänderung" greifen jedenfalls in den Fällen zu kurz, in denen der Jahresabschluss – wie grundsätzlich bei Kapitalgesellschaften – um einen Anhang zu erweitern und durch einen Lagebericht zu ergänzen ist. Sie decken dann nur einen Teil der Rechnungslegungsinstrumente ab, für die ...

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