Dr. Florian Müller, Dr. Daniel Licht
Rz. 92
Eine Bilanzänderung ist nach Einreichen der Steuerbilanz beim zuständigen Finanzamt nur dann als zulässig anzusehen, wenn gemäß den Ausführungen in § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG gesichert ist, dass
- ein enger zeitlicher Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung besteht,
- ein enger sachlicher Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung vorliegen muss und
- darüber hinaus die Bilanzänderung nur zulässig ist, soweit sich die Bilanzberichtigung auf den Gewinn auswirkt.
Diese gesetzliche Kodifikation eröffnet dem Steuerpflichtigen somit innerhalb der angeführten Grenzen die Möglichkeit, Mehrgewinne aus der Berichtigung von Bilanzierungs- und Bewertungsfehlern, die z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgedeckt werden, durch die Neuausübung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten (in Betracht kommen z. B. § 6b, 7b, 7g EStG oder auch R 6.6 EStR), wieder kompensieren zu können.
Rz. 93
Ein enger zeitlicher Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung ist für den Fall gegeben, in dem der Steuerpflichtige die Bilanzänderung unverzüglich nach der Durchführung der Bilanzberichtigung vornimmt. Eine Festlegung des exakten Zeitraums hat die Finanzverwaltung jedoch nicht vorgenommen. Wird ein Antrag auf Bilanzänderung alsbald nach dem Zeitpunkt, zu dem die Fehlerhaftigkeit der Bilanz festgestellt wird, dem zuständigen Finanzamt mitgeteilt, werden die Voraussetzungen für das Vorliegen eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Bilanzberichtigung und dem Antrag auf Bilanzänderung erfüllt sein. So wird auch ein Antrag im Rahmen der Schlussbesprechung einer Außenprüfung immer (noch) rechtzeitig sein. Auch wenn der Antrag auf Bilanzänderung innerhalb der Frist gestellt wird, die dem Steuerpflichtigen mit der Übersendung des Prüfberichts über das Ergebnis der Außenprüfung zur Stellungnahme bzw. zum Einspruch eingeräumt wurde, dürfte nichts anderes gelten.
Rz. 94
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Finanzamt nicht dazu berechtigt ist, die Bilanz des Steuerpflichtigen zu berichtigen; dies kann nur durch den Steuerpflichtigen selbst erfolgen. Daher kann die durch den Betriebsprüfer aufgestellte Bilanz keine berichtigte Bilanz i. S. des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG darstellen. Nur für den Fall, dass der Steuerpflichtige diese sog. Prüferbilanz als seine eigene Bilanz übernimmt, liegt eine Bilanzberichtigung vor; auf dieser Grundlage kann dann eine Bilanzänderung vorgenommen werden. Werden die Prüfungsfeststellungen dagegen angefochten und daraufhin von einem Finanzgericht doch bestätigt, ist der Steuerpflichtige dazu verpflichtet, seine Bilanz entsprechend zu berichtigen. Auf dieser Grundlage kann der Steuerpflichtige sodann eine Bilanzänderung vornehmen.
Rz. 95
Bezüglich des zeitlichen Zusammenhangs im Rechtsbehelfsverfahren ist auf den Zeitpunkt der Bilanzberichtigung abzustellen. Sofern der Streitgegenstand die Veränderung des steuerlichen Gewinns in Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung umfasst, ist der Tatbestand des zeitlichen Zusammenhangs als gewahrt anzusehen, wenn die Bilanzänderung zwar erst im Laufe des außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens – verfahrensrechtlich aber dennoch rechtzeitig – begehrt wird. Steht der streitbefangene Gegenstand nicht in Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung, ist der enge zeitliche Zusammenhang auch dann gewahrt, wenn der Antrag auf Bilanzänderung bis zum Ablauf der Einspruchsfrist gestellt wird.
Rz. 96
Ist die Zulässigkeit einer Bilanzänderung strittig, so muss der Steuerpflichtige nicht bereits gleichzeitig mit dem Bilanzänderungsantrag eine berichtigte und geänderte Bilanz einreichen, falls er den Sachverhalt gerichtlich geklärt wissen will. Dem Steuerpflichtigen wird vielmehr eingeräumt, dass er zunächst die Klärung der Streitfrage betreiben und erst dann (unverzüglich) eine entsprechend geänderte Bilanz aufstellt, wenn die Bilanzänderung rechtskräftig als zulässig erachtet wird. Dies gilt auch für den Fall, dass der Streitpunkt Gegenstand eines außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens ist.
Rz. 97
War im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung der entsprechend gewählte Bilanzansatz zwar rechtlich vertretbar, erweist sich dieser aber im Zeitablauf als unrichtig, so kann eine Bilanzänderung unter Erfüllung der erweiterten Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG durchgeführt werden.