Leitsatz
1. Solange der Provisionsanspruch des Handelsvertreters noch unter der aufschiebenden Bedingung der Ausführung des Geschäfts steht, ist er nicht zu aktivieren. Provisionsvorschüsse sind beim Empfänger als "erhaltene Anzahlungen" zu passivieren.
2. Aufwendungen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Provisionsvorschüssen stehen, sind nicht als "unfertige Leistung" zu aktivieren, wenn kein Wirtschaftsgut entstanden ist.
Normenkette
§ 5 Abs. 1, Abs. 2, § 4 Abs. 1 EStG, § 677, § 683 BGB, § 266 Abs. 2 B.I.2., Abs. 3 C.3., § 252 Abs. 1 Nr. 4, § 84 Abs. 1, § 87a Abs. 1 Satz 1, § 87d HGB, § 118 Abs. 2, § 126 Abs. 2, § 135 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Der Kläger betrieb seit 2003 ein Reisebüro als Franchiseunternehmen und ermittelte seinen Gewinn durch Bestandsvergleich. Nach dem Agenturvertrag erhielt er für "alle zur Ausführung gelangten Buchungsgeschäfte" eine Provision. Der Franchisegeber erstellte monatliche Agenturabrechnungen und zahlte die Provisionen bis Oktober 2010 erst ca. drei Wochen vor dem Reiseantritt des Kunden. Ab November 2010 erstellte er die Abrechnungen bereits im Monat nach der Buchung und zahlte die Provisionen, sobald die Anzahlung eingegangen war. Alle bis zum 31.10.2010 getätigten Festbuchungen, die noch nicht durchgeführt worden waren, wurden auf diesen Zeitpunkt vergütet. Bei einer nachträglichen Umbuchung oder Stornierung wurden die dadurch veränderten Provisionsansprüche mit der nächsten Abrechnung verrechnet.
Der Franchisegeber aktivierte die Provisionszahlungen für Reisen, die erst nach dem Abschlussstichtag angetreten wurden, als "Vorauszahlungen auf nicht begonnene Reisen". Der Kläger erfasste die erhaltenen Provisionen zunächst als "passive Rechnungsabgrenzung" und buchte sie dann zum Reisebeginn auf das Erlöskonto um. In seiner Bilanz auf den 31.12.2010 wies er einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten für die Provisionen i.H.v. 44.807 EUR aus.
Nach einer Außenprüfung akzeptierte das FA die passive Abgrenzung der Provisionen für die erst im Folgejahr angetretenen Reisen. Es vertrat aber die Auffassung, dass die mit diesen Provisionen zusammenhängenden Betriebsausgaben als unfertige Leistungen zu aktivieren seien, weil der Kläger sämtliche Leistungen zur Vermittlung der Reise bereits im Zeitpunkt der Buchung erbracht habe. Um diese ebenso wie den Ertrag aus den Aufwendungen periodengerecht zuzuordnen, seien die Aufwendungen aktiv abzugrenzen, soweit die Gewinnrealisation erst im Folgejahr eingetreten sei. Der Prüfer erhöhte den Steuerbilanzgewinn daher um die von ihm ermittelten "unfertigen Leistungen" i.H.v. 26.974 EUR.
Die Klage gegen den entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 2010 hatte Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.1.2016, 13 K 12/15, Haufe-Index 9564946, EFG 2016, 1158).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Nach den GoB sind nur am Abschlussstichtag bereits realisierte Gewinne zu berücksichtigen. Das trifft bei einer Forderung zu, wenn diese entweder rechtlich bereits entstanden ist oder die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen Entstehung der Forderung fest rechnen kann. Die Fälligkeit am Bilanzstichtag ist dagegen nicht erforderlich.
2. Ein Anspruch auf eine Vermittlungsprovision ist realisiert, sobald dem Unternehmer nach den Vertragsgestaltungen des Einzelfalls ein prinzipiell unentziehbarer Provisionsanspruch zusteht. Provisionsansprüche eines Handelsvertreters entstehen mangels abweichender Vereinbarung erst dann, wenn der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat (§ 87a Abs. 1 Satz 1 HGB). Zuvor gezahlte Provisionen stehen als Vorschüsse unter einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB), sind mithin stornobehaftet und als "erhaltene Anzahlungen" nach § 266 Abs. 3 C.3. HGB zu passivieren. Bis zum Bedingungseintritt kommt es dann nicht zur Gewinnrealisierung.
3. Mit den Provisionsvorschüssen im Zusammenhang stehende Aufwendungen sind nach § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. den GoB auch nicht als "unfertige Leistungen" zu aktivieren. Denn die Aktivierung von Aufwendungen (außer Rechnungsabgrenzungsposten) setzt grundsätzlich ein Wirtschaftsgut bzw. Aufwendungen zum Erwerb eines Wirtschaftsguts (durch Anschaffung oder Herstellung) voraus. Das gilt auch für den Bilanzposten "unfertige Leistungen" gemäß § 266 Abs. 2 B.I.2. HGB, der weder eine Bilanzierungshilfe ist noch einem Rechnungsabgrenzungsposten ähnelt und auch nicht vorrangig der Aufwandsstornierung im Rahmen der Erstellung von Dienstleistungen dient; dies würde zudem dem Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) widersprechen.
4. Der Begriff des Wirtschaftsguts ist eine Zweckschöpfung des Steuerrechts; er entspricht dem handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstands. Darunter fallen Sachen, Rechte oder tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten oder Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt, die einer besonderen B...