Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
2.3.2.1 Bilanzierungsverstöße bei der Aufstellung, Prüfung, Feststellung und Offenlegung des Abschlusses
Rz. 154
Werden in eine Bilanz Gegenstände aufgenommen, die der Gesellschaft überhaupt nicht zur Verfügung gestellt worden sind (z. B. Sacheinlagen) und finden diese unrichtigen Angaben Eingang in den Sachgründungsbericht (§ 5 Abs. 4 Satz 2 GmbHG), so liegt ein Verstoß gegen § 82 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG vor (so genannter Gründungsschwindel).
Rz. 155
Nach § 82 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG macht sich zudem strafbar, wer als Geschäftsführer, Liquidator, Mitglied eines Aufsichtsrats oder ähnlichen Organs in einer öffentlichen Mitteilung die Vermögenslage der Gesellschaft unwahr darstellt oder verschleiert (so genannte Geschäftslagetäuschung). Soweit dies in Bilanzen geschieht, ist seit Inkrafttreten des BiRiLiG nunmehr jedoch § 331 Nr. 1 bzw. Nr. 1a HGB einschlägig. Dies stellt § 82 Abs. 2 Nr. 2 letzter Halbsatz GmbHG ausdrücklich klar, sodass die Vorschrift formell subsidiär ist. Bedeutung kommt ihr somit nur noch bei der Erstellung von Zwischenbilanzen, monatlichen Übersichtsbilanzen sowie Abschluss- und Liquidationsbilanzen zu. Hinsichtlich des Täterkreises behält § 82 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG hingegen einen gegenüber § 331 Nr. 1 HGB eigenständigen Anwendungsbereich. § 82 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG erfasst nämlich auch die Mitglieder eines freiwilligen Aufsichtsorgans, während sich § 331 Nr. 1 HGB nur an die Mitglieder eines obligatorischen Aufsichtsrats wendet.
2.3.2.2 Zusätzliche Folgen von Aufstellungs-, Prüfungs-, Feststellungs- und Offenlegungsmängeln
Rz. 156
Schadenersatzpflicht
Zunächst kommt erneut eine Schadenersatzpflicht wegen Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 82 GmbHG in Betracht.
Rz. 157
Die Geschäftsführer der GmbH sind verpflichtet, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen (§ 41 GmbHG), den Jahresabschluss aufzustellen und diesen dann unverzüglich den Gesellschaftern zum Zwecke der Feststellung vorzulegen. Dabei haben sie die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Verletzen sie ihre Obliegenheiten, so sind sie der Gesellschaft solidarisch zum Schadenersatz verpflichtet (Geschäftsführerhaftung, § 43 Abs. 2 GmbHG).
Rz. 158
Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses
Das GmbHG enthält keine Regeln über die Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen. Es kann aber überwiegend auf § 256 AktG zurückgegriffen werden. Der nichtige Jahresabschluss ist durch den Geschäftsführer neu aufzustellen und durch die Gesellschafterversammlung neu festzustellen. Aus der Nichtigkeit des Jahresabschlusses folgt auch die Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses, sodass auch dieser erneut gefasst werden muss. Wurde durch die Gewinnausschüttung das Stammkapital der Gesellschaft angegriffen, sind die Gesellschafter nach §§ 30, 31 GmbHG zur Erstattung der Zahlungen verpflichtet. Waren die Gesellschafter bezüglich der Auszahlungen jedoch in gutem Glauben, so kann eine Erstattung nur verlangt werden, wenn diese zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist (§ 31 Abs. 2 GmbHG). Wurde das Stammkapital durch die Gewinnausschüttung nicht berührt, so findet § 31 GmbHG keine Anwendung. Die aufgrund des nichtigen Gewinnverwendungsbeschlusses den Gesellschaftern gewährten Gewinnausschüttungen sind jedoch wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) zurückzuzahlen. Allerdings entfällt die Erstattungspflicht nach § 32 GmbHG, wenn die Gesellschafter die Gewinnanteile in gutem Glauben bezogen haben. Die Rückzahlungspflicht kann zudem nach den allgemeinen Vorschriften ausgeschlossen sein.
Rz. 159
Bei weniger gravierenden Mängeln kann der Feststellungsbeschluss der Gesellschafterversammlung entsprechend §§ 257, 243 AktG durch Klage angefochten werden. Hat die Klage Erfolg, führt dies ebenfalls zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses.
Rz. 160
Versagung der Entlastung
Die Entlastung der Geschäftsführer obliegt zwingend der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG). Bei gravierenden Mängeln des Jahresabschlusses versagt diese unter Umständen die Entlastung. Bei der GmbH hat die Entlastung neben der tatsächlichen Billigung der Geschäftsführung für die Vergangenheit sowie den Ausspruch des Vertrauens auf die künftige Verwaltungsarbeit zudem eine begrenzte Verzichts- und Anerkenntniswirkung (eine solche ist hingegen bei der Aktiengesellschaft ausdrücklich durch § 120 Abs. 2 AktG ausgeschlossen). Diese beinhaltet den Verzicht der GmbH auf Schadenersatzansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG gegen die entlasteten Geschäftsführer oder das Anerkenntnis des Nichtbestehens solcher Ansprüche.