Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
2.9.1 Entsprechenserklärung
Rz. 224
Im Jahr 2002 machte die Kommission "Deutscher Corporate Governance Kodex" einen gleich lautenden Kodex bekannt, der die wesentlichen Grundsätze einer guten und verantwortungsvollen Unternehmensführung deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften beschreibt. Der Kodex stellt kein Gesetzesrecht dar. Vorstand und Aufsichtsrat können von seinen Verhaltensempfehlungen abweichen. Sie müssen dies jedoch im Rahmen einer so genannten Entsprechenserklärung offenlegen.
Rz. 225
Insofern verpflichtet § 161 AktG den Vorstand und den Aufsichtsrat börsennotierter Aktiengesellschaften jährlich zu erklären, ob den Empfehlungen des Corporate Governance Kodex entsprochen wurde (so genannte vergangenheitsbezogene Entsprechenserklärung) und entsprochen werden wird (so genannte zukunftsbezogene Entsprechenserklärung).
Rz. 226
Die unterlassene Abgabe einer derartigen Entsprechenserklärung stellt zwar selbst einen Verstoß gegen § 161 AktG dar, direkte strafrechtliche Sanktionen hat der Gesetzgeber dafür jedoch nicht vorgesehen. Die Abgabe einer falschen vergangenheitsbezogenen bzw. das Unterlassen der Berichtigung einer zukunftsbezogenen Entsprechenserklärung kann jedoch zu einer Strafbarkeit nach § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG führen. Weiterhin gelten die allgemeinen Strafrechtsnormen (vgl. unter Rz. 30 ff.), sodass sich Vorstand und Aufsichtsrat im Einzelfall wegen Betruges (§ 263 StGB), Kapitalanlagebetruges (§ 264a StGB), Kreditbetruges (§ 265b StGB) oder Untreue (§ 266 StGB) strafbar machen können.
2.9.2 "Bilanzeid" und Verstoßfolgen
2.9.2.1 Verpflichtung zum so genannten "Bilanzeid"
Rz. 227
In Umsetzung der EU-Transparenz-Richtlinie (Richtlinie 2004/109/EG) hat der deutsche Gesetzgeber mit dem am 20.1.2007 in Kraft getretenen "Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG)" die bestehenden nationalen Rechnungslegungsvorschriften um einen so genannten "Bilanzeid", d. h. eine schriftliche Erklärung hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in Abschlüssen und Lage- bzw. sonstigen Rechnungslegungsberichten, ergänzt.
Rz. 228
Zur Abgabe dieses "Bilanzeides" sind die gesetzlichen Vertreter all derjenigen Kapitalgesellschaften verpflichtet, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind (§ 2 Abs. 14 WpHG, so genannte Inlandsemittenten) und die keine Kapitalanlagegesellschaften im Sinne von § 327a HGB sind.
Rz. 229
Bei der Unterzeichnung des Jahresabschlusses nach § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB ist nunmehr die Einhaltung der für den Jahresabschluss geltenden Vorgaben im Sinne von § 264 Abs. 2 HGB schriftlich zu versichern. Im Einzelnen ist zu erklären, dass der Jahresabschluss nach bestem Wissen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft vermittelt (true-and-fair-view-Prinzip) oder, wenn dies aufgrund besonderer Umstände nicht der Fall sein sollte, dass im Anhang die erforderlichen zusätzlichen Angaben gemacht werden.
Rz. 230
Gemäß § 289 Abs. 1 Satz 5 HGB gilt die Verpflichtung zur Abgabe des "Bilanzeides" auch für den Lagebericht. Insofern ist zu versichern, dass der Lagebericht den Geschäftsverlauf, das Geschäftsergebnis und die Lage des Unternehmens nach bestem Wissen so darstellt, dass dieser ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt und die wesentlichen Chancen und Risiken der voraussichtlichen Entwicklung der Gesellschaft richtig darstellt.
Rz. 231
Auch der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht sind mit einer entsprechenden Erklärung, die alle in die Konsolidierung einbezogenen Unternehmen betrifft, zu versehen. Im Wege der Verweisung wird zudem klargestellt, dass dies sowohl für IFRS-Konzernabschlüsse als auch für HGB-Konzernabschlüsse (§ 315e Abs. 1 HGB) und für den nach § 325 Abs. 2a Satz 3 HGB freiwillig offengelegten IFRS-Einzelabschluss gilt.
Rz. 232
Schließlich müssen auch der Jahresfinanzbericht sowie der Halbjahresfinanzbericht mit einem "Bilanzeid" versehen werden.
Rz. 233
Durch den Wissensvorbehalt ("nach bestem Wissen") soll klargestellt werden, dass nur vorsätzliches und nicht auch fahrlässiges Handeln bei Abgabe der Erklärung rechtliche Folgen auslöst. Welche Anforderungen aber letztlich an die subjektive Seite zu stellen sind, ist unklar.
Rz. 234
Die Neuregelungen gelten für alle Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2006 beginnen.