Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
3.2.1 Berichtigung der Steuerbilanz
Rz. 263
Erkennt der Steuerpflichtige nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass die von ihm eingereichte Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Steuerverkürzung kommen kann oder bereits gekommen ist, so ist er nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen. § 153 AO spricht zwar von der "eingereichten Erklärung", womit ausschließlich die Steuererklärung gemeint sein könnte. Der Begriff der Erklärung ist nach dem Schutzzweck der Vorschrift jedoch weiter zu verstehen und erfasst jede steuerlich relevante Erklärung, die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde gegenüber abgegeben hat. Der Steuerpflichtige hat daher auch unrichtige oder unvollständige Bilanzen, die als Unterlage der Steuererklärung beigefügt wurden, zu berichtigen. Ein nachträgliches Erkennen liegt nicht vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit schon bei der Abgabe bekannt war.
Rz. 264
Häufiger dürfte jedoch die von der Finanzverwaltung veranlasste Bilanzberichtigung sein. Weicht die Festsetzungsstelle oder die Außenprüfung von der der Steuererklärung beigefügten Bilanz zu Recht ab, so ist der Steuerpflichtige verpflichtet, die Abweichungen durch Anpassungen in seinem Buchführungswerk und seinen Abschlüssen zu berücksichtigen. Die finanzbehördlichen Abweichungen haben dann in der Regel Nachzahlungen sowie Steuerzinsen (§ 233a AO) zur Folge. Denkbar ist jedoch auch der quasi umgekehrte Fall, in dem – unter Berücksichtigung der Verjährungsvorschriften – eine nachträgliche Korrektur der Steuerbescheide zu erfolgen hat, weil seitens des Steuerpflichtigen zu hohe Steuern gezahlt worden sind. Wurden der Erklärung z. B. nicht existente Umsätze und Gewinne zugrunde gelegt, um die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens positiver darzustellen, sind derartige Scheingeschäfte und Scheinhandlungen nach § 41 Abs. 2 S. 1 AO für die Besteuerung unerheblich.
3.2.2 Schätzung der Besteuerungsgrundlagen
Rz. 265
Legt der Steuerpflichtige seiner Steuererklärung zwar eine Bilanz bei, ist diese jedoch fehlerhaft, so kann ebenfalls eine Schätzung in Betracht kommen. Geschätzt werden darf nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO aber nur, "soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann". Damit scheidet eine Schätzung zunächst bereits wieder dann aus, wenn sich die Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeiten mit verhältnismäßigem Aufwand aus der laufenden Buchführung und dem Inventar korrigieren bzw. ermitteln lassen. Des Weiteren ergibt sich aus dem Wortlaut des § 162 Abs. 1 Satz 1 AO aber auch, dass eine Teilschätzung nicht nur zulässig ist, sondern je nach den Umständen des Einzelfalls sogar zwingend geboten sein kann. Eine Vollschätzung wird bei einzelnen Bilanzierungsverstößen in der Regel nicht in Betracht kommen. Die Finanzbehörde hat stattdessen eine Teilschätzung, d. h. eine auf einzelne Posten begrenzte Schätzung, vorzunehmen.
3.2.3 Steuerhinterziehung
Rz. 266
Nach § 370 Abs. 1 AO macht sich strafbar, wer den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Die Steuerhinterziehung ist somit eine spezielle Form des Betruges (§ 263 StGB) in Bezug auf steuerliche Ansprüche, also der "Steuerbetrug".
Rz. 267
Täter einer Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) kann grundsätzlich jeder sein ("wer … Angaben macht"). Eine besondere Rechtspflicht, die betreffenden Angaben machen zu müssen, ist nicht Voraussetzung. Neben dem Steuerpflichtigen (§ 33 AO) bzw. dem Steuerschuldner (§ 43 AO) kommen damit auch die für den Steuerpflichtigen handelnden Personen (d. h. gesetzliche Vertreter nach § 79 AO wie z. B. der Geschäfts...