Leitsatz
1. Wurden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Anlagevermögens in einem bestandskräftig veranlagten Jahr nur unvollständig aktiviert, führt der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs zu einer erfolgswirksamen Nachaktivierung im ersten verfahrensrechtlich noch offenen Jahr.
2. Im Fall der fehlerhaften Aktivierung eines Wirtschaftsguts ist die BFH-Rechtsprechung zur Korrektur überhöhter AfA-Sätze nicht einschlägig.
3. Bei einer Teilbetriebsveräußerung muss keine Schlussbilanz aufgestellt werden; der Veräußerungsgewinn ist – ggf. im Rahmen einer Schätzung – unter Berücksichtigung der Grundsätze der §§ 4 und 5 EStG zu ermitteln.
Normenkette
§ 4, § 5, § 16 Abs. 1, Abs. 2, § 34 Abs. 1, Abs. 3 EStG
Sachverhalt
Der Kläger betrieb bis zum 29.2.2000 einen aus den Teilbetrieben in A und B bestehenden Einzelhandel. Seine Einkünfte ermittelte er durch Bestandsvergleich nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 4 EStG. Die Filiale in A betrieb der Kläger in angemieteten Räumen, die er im Jahr 1998 umbaute, wobei er sich zur Ablösung von notwendigen Kfz-Stellplätzen verpflichtete. Den Ablösungsbetrag machte er als sofort abziehbaren Aufwand geltend. Die Veranlagung wurde bestandskräftig. Zum 1.3.2000 veräußerte der Kläger den Teilbetrieb in A. Den Veräußerungsgewinn ermittelte er durch Gegenüberstellung des Kaufpreises mit den Buchwerten der übertragenen Wirtschaftsgüter, einschließlich der Mietereinbauten aus dem Bauvorhaben 1998. Er beantragte die Berücksichtigung eines Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG sowie die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 EStG. Nach einer Bp vertrat das FA unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 6.5.2003, IX R 51/00 (Haufe-Index 951300, BFH/NV 2003, 1118) die Auffassung, der Ablösungsbetrag gehöre zu den Herstellungskosten der Mietereinbauten; somit sei der Bilanzansatz für das Wirtschaftsgut "Mietereinbauten" unrichtig. Da die Bilanz nicht mehr änderbar sei, müsse der Fehler im Rahmen der ersten offenen Bilanz erfolgswirksam berichtigt werden. Dies sei die Bilanz, die im Rahmen der Teilbetriebsveräußerung zum 29.2.2000 aufzustellen sei. Infolgedessen gelangte das FA zu einem um den Betrag der Mietereinbauten geminderten Veräußerungsgewinn und zu einer entsprechenden Erhöhung des laufenden Gewinns des Jahres 2000.
Einspruch und Klage blieben erfolglos (Urteil des Niedersächsischen FG vom 26.10.2010, 15 K 261/09, Haufe-Index 2648355). Die Kläger sind weiterhin der Auffassung, eine Bilanzberichtigung zum 29.2.2000 sei nicht zulässig gewesen, da der Kläger auf diesen Zeitpunkt keine letzte Schlussbilanz habe aufstellen müssen.
Entscheidung
Der BFH sah das anders; er wies die Revision aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs, der zu einer Durchbrechung der materiellen Bestandskraft führt, müssen Bilanzen für Zwecke der Veranlagung und der Gewinnfeststellung grundsätzlich im Fehlerjahr und in den Folgejahren berichtigt werden. Ist eine solche Berichtigung jedoch nicht mehr möglich, weil die Feststellungs- oder Steuerbescheide bereits formell und materiell bestandskräftig sind, ist die erfolgswirksame Korrektur in der Schlussbilanz des ersten Jahres nachzuholen, in der sie mit steuerlicher Wirkung möglich ist.
2. Wurden für ein Wirtschaftsgut Aufwendungen, die sofort abziehbare Betriebsausgaben waren, fehlerhaft als nachträgliche Anschaffungskosten aktiviert, sind die zu Unrecht aktivierten Aufwendungen in der ersten noch offenen Bilanz erfolgswirksam abzuschreiben. Konsequenterweise muss dies dann auch bei dem umgekehrten Vorgang gelten, sodass Aufwendungen auf ein Wirtschaftsgut, die nachträgliche Herstellungskosten waren, jedoch zu Unrecht als sofort abziehbare Betriebsausgaben behandelt wurden, in der ersten noch offenen Bilanz zu aktivieren sind, und zwar mit dem Betrag, der sich unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich abziehbaren AfA ergibt.
3. Da es sich in einem solchen Fall um eine fehlerhafte Aktivierung eines Wirtschaftsguts handelt, ist die BFH-Rechtsprechung zur Korrektur überhöhter AfA-Sätze nicht einschlägig. Nach dieser Rechtsprechung ist bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens die Berichtigung eines Bilanzwertes dann nicht geboten, wenn sich der Fehler in den folgenden Jahren durch den Ansatz des zutreffenden AfA-Satzes von selbst aufhebt und damit der richtige Totalgewinn gewährleistet ist. Der X. Senat sieht keine Notwendigkeit, über diese – eng begrenzte – Rechtsprechung hinaus weitere Ausnahmen vom Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs zuzulassen.
4. Die gerade dargestellten Grundsätze sind auch bei einer Teilbetriebsveräußerung zu beachten, obwohl im Gegensatz zur Veräußerung eines Gesamtbetriebes die Erstellung einer Schlussbilanz nicht erforderlich ist, da die Teilbetriebsveräußerung für den Gesamtbetrieb lediglich einen laufenden Geschäftsvorfall darstellt.
5. Materiell-rechtlich sind bei der Abgrenzung...