Rz. 45

Bei den Bilanzierungsalternativen geht es – wie bereits dargelegt – um die Frage, ob bestimmte Vermögens- oder Schuldposten in die Bilanz aufgenommen, d. h. aktiviert oder passiviert werden sollen. Unter Berücksichtigung von Wahlrechten und Spielräumen ergeben sich in der HGB-Rechnungslegung grundsätzlich die aus Abbildung 4 ersichtlichen Gestaltungsmöglichkeiten:

 
Bilanzierungsalternativen
Wahlrechte Spielräume
Aktivierungswahlrechte Passivierungswahlrechte Aktivierungsspielräume Passivierungsspielräume
  • Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens; 248 Abs. 2 Satz 1 HGB (H)
  • Disagio (H)
    § 250 Abs. 3 HGB
  • Aktive latente Steuern; § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB (H) sowie Wahlmöglichkeit zum generellen Verzicht auf die Abgrenzung latenter Steuern für kleine Kapitalgesellschaften (H) (§ 274a Nr. 4 HGB)
  • Geringwertige Wirtschaftsgüter (H); § 6 Abs. 2 EStG[1]

    (S)

  • Sofortabschreibung digitaler Wirtschaftsgüter (S)[2]
  • Sammelposten für geringwertige Wirtschaftsgüter (H), § 6 Abs. 2a EStG[3] (S)
  • Abgrenzung Herstellungsaufwand/Erhaltungsaufwand bei Sachanlagen (H/S)
  • Abgrenzung Modifikation eines immateriellen Vermögensgegenstands mit einer wesentlichen über den Ausgangszustand hinausgehenden Verbesserung vs. Ausgaben zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des immateriellen Vermögensgegenstands[4] (H/S)
  • Abgrenzung Forschungs- und Entwicklungsphase bzw. -kosten bei Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (H); § 248 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 255 Abs. 2a HGB
  • Abgrenzung des Merkmals "entgeltlicher Erwerb" beim Zugang eines immateriellen Anlageguts im Hinblick auf § 5 Abs. 2 HGB (S)
  • Eintritt des Rückstellungsgrunds bei drohenden Einzelrisiken (H/S)
  • Auflösung von Rückstellungen bei Wegfall drohender Risiken (H/S)
  • Passivierung bedingter Verbindlichkeiten
    (H/z. T. S)
H = Gestaltungsmöglichkeit in der Handelsbilanz
S = Gestaltungsmöglichkeit in der Steuerbilanz

Abb. 4: Bilanzierungsalternativen nach HGB

 

Rz. 46

Aktivierungsalternativen ermöglichen es, eine getätigte Ausgabe entweder zunächst erfolgsneutral als Aktivposten zu bilanzieren oder sofort als Aufwand zu erfassen. Passivierungsalternativen gestatten, bestimmte künftige Ausgaben zum Bilanzstichtag noch unberücksichtigt zu lassen oder bereits aufwandserhöhend den Rückstellungen zuzuführen bzw. gegenwärtige Erträge schon als solche zu verbuchen oder in die Zukunft zu verlagern.

Soll ein niedriger Gewinn ausgewiesen werden, so wird man – sofern möglich – auf Aktivierungen verzichten, während Passivierungen vorzunehmen sind. Wird umgekehrt ein hoher Gewinnausweis angestrebt, so ist zu aktivieren, während Passivierungen unterbleiben.

 

Rz. 47

Zu den Beispielen in Abbildung 4 ist noch Folgendes anzumerken:

Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz hat die zuvor in der Handelsbilanz bestehenden Ansatzwahlrechte eingeschränkt. Gleichwohl sind die in der Handelsbilanz bestehenden, insbesondere auch aus einer Reihe von Übergangsvorschriften herrührenden Wahlrechte, zahlreicher als die Wahlrechte in der Steuerbilanz. Das Handelsrecht hatte zumindest vor Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes die Entscheidungsfreiheit des bilanzierenden Kaufmanns vergleichsweise wenig beschnitten.

Im Zuge der Umsetzung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, welches eine deutlich stärkere Anlehnung an die internationale Rechnungslegung anstrebte, wurden zahlreiche zuvor bestehende Wahlrechte in der Bilanzierung aufgehoben.[5] Darüber hinaus wurde durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz in § 246 Abs. 3 HGB die Stetigkeit der einmal angewandten Ansatzmethoden verankert.

Dagegen enthält das Steuerrecht aus fiskalischen Gründen, insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, kaum eigenständige Bilanzierungswahlrechte. Die durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz aufgehobene "Umkehrmaßgeblichkeit" der Steuer- für die Handelsbilanz führt dazu, dass die steuerlichen Wahlrechte nunmehr unabhängig von den handelsrechtlichen Wahlrechten ausgeübt werden können.[6]

 

Rz. 48

Im Bereich der Bilanzierungsalternativen sind die Wahlrechte zahlreicher als die Ermessensspielräume (insbesondere Individualspielräume). Die Frage, ob ein bilanzierungsfähiges aktives oder passives Wirtschaftsgut vorliegt, ist bei den meisten Bilanzpositionen dem Ermessen des Bilanzerstellers entzogen. Die Bilanz muss dem Gebot der Vollständigkeit entsprechen. Die Wahlrechte stellen Ausnahmen von diesem Gebot dar, die vom Ges...

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