Prof. Dr. rer. pol. Hanno Kirsch
Rz. 63
Eine bestimmte bilanzpolitische Wirkung kann i. d. R. durch eine Mehrzahl von Mitteln erreicht werden. Deshalb ist eine Auswahl zu treffen. Bei der Entscheidung, welche Mittel zum Einsatz kommen, darf man nicht nur deren unmittelbare Wirkungen, z. B. die beabsichtigte Veränderung des Ergebnisausweises, berücksichtigen. Vielmehr kommt es darauf an, die zu ergreifenden Maßnahmen im Gesamtzusammenhang der bilanzpolitischen Ziele und ihrer über die Betrachtungsperiode hinausgehenden Wirkung zu sehen. Dies erfordert einerseits, dass für eine abschließende Bewertung von bilanzpolitischen Instrumenten auch solche Beurteilungskriterien herangezogen werden, welche die Gesamtauswirkungen, die von den bilanzpolitischen Mitteln ausgehen, möglichst umfassend erfassen, und andererseits, dass eine Wirkungsanalyse sämtlicher bilanzpolitischer Instrumente erfolgt.
Die Notwendigkeit eines solchen Vorgehens ist umso größer,
- je zahlreicher und unterschiedlicher die durch die Bilanzierung berührten Rechenwerke sind (Handelsbilanz, Steuerbilanz, Konzernbilanz, interne Ergebnisrechnung, Steuererklärungen der Gesellschafter),
- je heterogener der durch die Rechenwerke erreichte Empfängerkreis ist,
- je diskontinuierlicher sich das Unternehmen entwickelt,
- je schwieriger eine Unternehmensprognose ist und
- je länger der Zeitraum für die Unternehmensplanung gewählt wurde.
Rz. 64
In der konkreten Situation stellt sich die Frage eines differenzierten Mitteleinsatzes aufgrund von Auswahlkriterien immer dann, wenn die vorhandene bilanzpolitische Manövriermasse größer ist als es die Erreichung der gesetzten Ziele erfordert. Dann muss entschieden werden, welche bilanzpolitischen Mittel zum Einsatz kommen und welche ungenutzt bleiben.
Ein Unternehmen verfolgt die Absicht, ausgehend von einem intern bereits erstellten Jahresabschluss, der mit einem Ergebnis vor Steuern von 4 Mio. EUR abschließt, diesen zur Verbesserung der Ertragslage auf 6 Mio. EUR vor Steuern zu erhöhen. Hierfür bieten sich folgende Alternativen an:
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Auswirkung des Verzichts auf die außerplanmäßige Abschreibung auf Finanzanlagen wegen voraussichtlich nicht dauerhafter Wertminderung |
2 Mio. EUR |
– |
Auswirkung der Aktivierung von Fremdkapitalzinsen in den Beständen in Höhe von |
2 Mio. EUR |
– |
Aktivierung eines Disagios auf ein aufgenommenes langfristiges Darlehen in Höhe von |
2 Mio. EUR |
Sofern neben der unmittelbaren Zielerreichung (Erhöhung des Ergebnisses vor Steuern um 2 Mio. EUR) weitere Auswahlkriterien die Steuerminimierung sein sollen, hat das Unternehmen die Auswahl zwischen folgenden Instrumenten:
– |
Auswirkung des Verzichts auf die außerplanmäßige Abschreibung auf Finanzanlagen wegen voraussichtlich nicht dauerhafter Wertminderung |
2 Mio. EUR |
– |
Aktivierung eines Disagios auf ein aufgenommenes langfristiges Darlehen in Höhe von |
2 Mio. EUR |
In beiden Fällen ist mit der handelsrechtlichen Gewinnerhöhung keine Erhöhung des steuerlichen Gewinns verbunden, da zum einen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG allein die voraussichtlich dauerhaften Wertminderungen des Teilwerts den steuerlichen Gewinn mindern dürfen und zum anderen in der Steuerbilanz das Disagio aufgrund von § 5 Abs. 5 Satz 1 EStG stets zu aktivieren und über die Laufzeit des Darlehens zu verteilen ist (H 6.10 EStH Damnum).
Möchte das Unternehmen eine möglichst langfristige Wirkung seiner bilanzpolitischen Maßnahmen erreichen, so bietet sich die Aktivierung des Disagios auf das aufgenommene langfristige Darlehen an, da sich der Effekt der Aktivierung über den Zeitraum der Darlehenstilgung oder den kürzeren Zinsbindungszeitraum des Darlehens auflöst. Demgegenüber wird die Auflösung der außerplanmäßigen Abschreibung auf die Finanzanlagen wegen voraussichtlich nicht dauerhafter Wertminderung in deutlich kürzeren Zeiträumen erfolgen und eine entsprechende Zuschreibung handelsrechtlich vorzunehmen sein (§ 253 Abs. 5 Satz 1 HGB) ; zudem ist in diesem Falle die Auflösung kaum planbar, was eine bilanzpolitische Steuerung erschwert. Vor dem Hintergrund der zusätzlichen bilanzpolitischen Entscheidungskriterien (Steuerminimierung und Wirkungsdauer bzw. Planbarkeit der künftigen Wirkungen) sollte sich das Unternehmen daher für folgendes Instrument entscheiden:
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Aktivierung eines Disagios auf ein aufgenommenes langfristiges Darlehen in Höhe von |
2 Mio. EUR |
Rz. 64a
Einschränkend ist zu dieser Lösung jedoch anzumerken, dass sich die bilanzpolitische Flexibilität verringert, falls grundsätzlich in jedem Geschäftsjahr Darlehen mit einem Disagio aufgenommen werden können, wohingehend außerplanmäßige Abschreibungen auf eine Finanzanlage wegen einer voraussichtlich nicht dauernden Wertminderung nur in zeitlich unregelmäßigen Abständen auftreten. Bei Entscheidung für die Aktivierung eines Disagios auf ein Darlehen ist der Bilanzierende aufgrund der Ansatzstetigkeit (vgl. § 246 Abs. 3 HGB) in vergleichbaren Fällen nachfolgender Berichtsperioden an die einmal getroffene Ansatzentscheidung grundsätzlich gebunden. Demgegenü...