Rz. 91

Die in § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB postulierte Bewertungsstetigkeit bezieht sich auf die Beibehaltung der "auf den vorhergehenden Jahresabschluss" angewendeten Bewertungsmethoden. Analoges gilt auch für Ansatzmethoden nach § 246 Abs. 3 Satz 1 HGB. Eine Bezugnahme auf einen weiter zurückliegenden Jahresabschluss enthält das Gesetz nicht.[1] Die Stetigkeit betrifft somit nur Bilanzposten bzw. Geschäftsvorfälle, die in jedem Jahr bilanziell zu erfassen und zu bewerten sind, braucht aber nicht zwingend auf Sachverhalte angewendet werden, die nicht jährlich, sondern lediglich in größeren, unregelmäßigen Zeitabständen auftreten[2]. Gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen, bei denen bestimmte Sachverhalte (z. B. Errichtung eines Produktionsgebäudes, Entwicklung aktivierungsfähiger, selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens) nicht in der Regelmäßigkeit wie bei Großunternehmen auftreten, bietet sich hier ein bilanzpolitisches Potenzial, da sie nicht in gleicher Weise wie Großunternehmen an den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit gebunden sind.

 

Rz. 92

Beispiele für Ansatz- und Bewertungsalternativen bei diskontinuierlich auftretenden Geschäftsvorfällen:

  • Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 Abs. 2 Satz 1 HGB) und Ermittlung deren Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2a HGB) sowie Feststellung, ob die voraussichtliche Nutzungsdauer dieser Vermögensgegenstände verlässlich geschätzt werden kann (§ 253 Abs. 3 Satz 3 HGB);
  • Ermittlung der Herstellungskosten für sonstige selbst erstellte Anlagen des Anlagevermögens;
  • Wahlrecht zwischen Aktivierung eines Disagios oder sofortiger Aufwandsverrechnung (§ 250 Abs. 3 HGB);
  • Bewertung langfristiger Fertigungsaufträge (vgl. Rz. 41a);
  • Abgrenzung des Vermögensgegenstands hinsichtlich des Umfangs bei Anschaffung oder Herstellung einer komplexen Produktionsanlage (einheitliches Großwirtschaftsgut vs. Aufteilung in Komponenten);
  • Bildung einer antizipativen Bewertungseinheit bei einem in Fremdwährung erfolgenden, jedoch abgesicherten künftigen Beteiligungserwerb (§ 254 HGB);
  • Ermittlung von Garantierückstellungen bei wesentlicher Differenzierung des Produktionsprozesses oder Vertrieb in neue Märkte (Ausland, beispielsweise in USA bei Produkthaftpflicht);
  • Abschreibungsdauer bei einem entgeltlich erworbenen derivativen Geschäfts- oder Firmenwert, einschließlich der Feststellung, ob die voraussichtliche Nutzungsdauer verlässlich geschätzt werden kann (§ 253 Abs. 3 Satz 4 HGB);
  • Änderung der Methode der Gemeinkostenverteilung auf die einzelnen Erzeugnisse bei grundlegender Änderung des Produktionsprogramms oder dem Erwerb umfangreicher Produktionskapazitäten;
  • Ermittlung von Drohverlustrückstellungen bei schwebenden Geschäften, insbesondere unter Berücksichtigung der künftigen Beschäftigungslage.
[1] Ebenso Kahle/Braun in Hachmeister u. a., Bilanzrecht, 3. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz. 197.
[2] Vgl. auch das Beispiel unter Rz. 64.

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