Leitsatz
Die Umlageverpflichtungen für Haftpflichtschädenfälle, die sich durch Realisierung von Betriebsgefahren bis zum 31.12.2007 ereignet hatten und die bis zu jenem Zeitpunkt noch nicht vollständig reguliert waren, waren zum Bilanzstichtag dem Grunde nach entstanden.
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen im öffentlichen Nahverkehr. In 2004 bis 2007 hatte sie Rückstellungen für Belastungen aus einer Umlageverpflichtung gegenüber der HDN für Haftpflichtschäden gebildet. Bei der HDN handelt es sich um eine Selbsthilfeeinrichtung für die Versicherung von Verkehrsunternehmen. Dort hatte die Klägerin ihre Fahrzeuge "haftpflichtversichert". Die notwendigen Finanzmittel werden nach § 4 der HDN-Satzung von den Mitgliedern im Umlageverfahren erhoben. Dabei wird der Schadenaufwand auf die Mitglieder für jedes Unfalljahr unter Berücksichtigung der individuellen Risiken umgelegt. Nach der Satzung wird für jedes Geschäftsjahr festgestellt, welche Umlagen das Mitglied für die in seine Mitgliedzeit fallenden Unfalljahre im Einzelnen und insgesamt zu zahlen hat. Für Schadenfälle, die im Geschäftsjahr nicht erledigt sind, werden Rückstellungen gebildet und auf die Mitglieder umgelegt. Die HDN teilte den Mitgliedern jeweils zum 31.12. die Höhe der Rückstellungen für künftige Umlageverpflichtungen mit. Die Klägerin bildete zum 31.12.2007 dementsprechend eine "Rückstellung HDN". Im Rahmen einer Außenprüfung war das Finanzamt allerdings der Meinung, künftige, in einem Umlageverfahren eingeforderte Beiträge seien nicht rückstellungsfähig.
Entscheidung
Die Klage ist begründet. Zu Unrecht hat der Beklagte eine Rückstellung für künftige Umlageverpflichtungen gegenüber der HDN für solche Haftpflichtschadenfälle nicht berücksichtigt, die sich durch Realisierung von Betriebsgefahren der Fahrzeuge der Klägerin und der anderen Mitglieder bis zum 31.12.2007 ereignet hatten und die zum 31.12.2007 noch nicht vollständig reguliert waren. Eine entsprechende Ausgleichsverpflichtung der Klägerin ergab sich aus § 4 der Satzung der HDN. Die der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit war auch in der Vergangenheit wirtschaftlich verursacht, weil sie auf Unfällen beruhte, die bis zum 31.12.2007 durch den Betrieb von Fahrzeugen der Klägerin bzw. anderer Mitglieder der HDN verursacht worden waren.
Hinweis
Der Fall verdeutlicht, dass für die Bildung von Rückstellungen das Kriterium der wirtschaftlichen Verursachung zum Zeitraum vor dem jeweiligen Bilanzstichtag von erheblicher Wichtigkeit ist. Vorliegend hat insbesondere das äußerst komplexe Vertragsgeflecht dazu geführt, dass die wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht unmittelbar ersichtlich waren.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 11.11.2015, 6 K 178/14