Leitsatz
1. Ein niedrigerer Wert als der vom Gutachterausschuss angegebene Bodenrichtwert kann der Feststellung eines Grundstückswerts jedenfalls dann nicht zugrunde gelegt werden, wenn lediglich geltend gemacht wird, die Höhe des Bodenrichtwerts an sich sei zutreffend.
2. Ein Abschlag auf den Bodenrichtwert wegen der Größe des zu bewertenden Grundstücks ist nur vorzunehmen, wenn der Gutachterausschuss Umrechnungskoeffizienten für die Grundstücksgrößen vorgegeben hat (vgl. R 161 Abs. 3 ErbStR).
Normenkette
§ 146 Abs. 6 BewG , § 145 Abs. 3 BewG
Sachverhalt
Die Klägerin erbte 1996 ein 5.790 qm großes bebautes Grundstück in einer Gemeinde, die aus einem alten Ortskern und einem größeren Neubaugebiet bestand. Das erworbene Grundstück lag im alten Ortskern. Der Gutachterausschuss hatte auf den 31.12.1995 einen einzigen Richtwert von 170 DM/qm für die ganze Gemeinde festgestellt. Das FA bewertete das Grundstück unter Anwendung dieses Richtwerts mit dem Mindestwert nach den §§ 146 Abs. 6, 145 Abs. 3 BewG. Auf den 31.12.1996 stellte der Gutachterausschuss getrennte Bodenrichtwerte fest, und zwar für das Neubaugebiet 190 DM/qm und für den Ortskern 140 DM/qm.
Das FG entsprach dem Begehren der Klägerin, einen niedrigeren Mindestwert anzusetzen, indem es den auf den 31.12.1996 ermittelten Bodenrichtwert von 140 DM/qm anwandte und nach dem gesetzlichen Abschlag von 20 % einen weiteren Abschlag von 30 % wegen Übergrüße vornahm, weil das typische Richtwertgrundstück maximal 1.000 qm aufwies.
Entscheidung
Der BFH gab der Revision des FA statt. Die von den Gutachterausschüssen ermittelten Bodenrichtwerte sind für die Beteiligten verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung im Regelfall nicht zugänglich. Die Bezugnahme auf den niedrigeren Bodenrichtwert zum 31.12.1996 stellt keinen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nach § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG dar. Die Vorschrift eröffnet nicht die Möglichkeit, statt eines niedrigeren gemeinen Werts einen niedrigeren Bodenrichtwert nachzuweisen.
Der vom FG vorgenommene Abschlag wegen der Grundstücksgröße ist nicht zulässig. Größenabweichungen werden vielmehr im Rahmen der gesetzlichen Typisierung durch den pauschalen Wertabschlag von 20 % ausgeglichen. Die einzige Ausnahme ergibt sich aus dem 2. Leitsatz.
Hinweis
Mit der Entscheidung bekräftigt der BFH seine Rechtsprechung, dass zwar die gem. den §§ 138 ff. BewG festgestellten Grundstückswerte gerichtlich überprüfbar sind, nicht aber die Bodenrichtwerte. Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 19 Abs. 4 GG hinnehmbar, weil es dem Steuerpflichtigen offen steht, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen und weil mit dem gesetzlichen Abschlag von 20 % bereits ein erheblicher Puffer vorhanden ist (vgl. BFH, Urteile vom 27.10.2004, II B 129/03, BFH/NV 2005, 507 sowie vom 10.11.2004, II R 69/01, BFH-PR 2005, 148).
Der Streitfall zeigt im Übrigen, wie problematisch es unter dem Aspekt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung wäre, statt eines lege artis geführten Nachweises des gemeinen Werts sich diesem durch Abschläge vom Bodenrichtwert – geschätzt von Laien auf dem Gebiet der Bodenbewertung – nähern zu wollen. Wie das Gericht zu dem doch sehr gewichtigen Abschlag von 30 % wegen Übergröße gekommen ist, ist nicht erkennbar.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.5.2005, II R 21/02