Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Eine steuerfreie Ausfuhrlieferung kann auch dann vorliegen, wenn in den Ausfuhrpapieren widersprüchliche Angaben enthalten sind, wenn ansonsten nachgewiesen ist, dass die Voraussetzungen des § 6 UStG vorliegen.
Sachverhalt
Die Klägerin exportierte Waren an einen Kunden aus Estland und erfasste diese Lieferungen als steuerfreie Ausfuhrlieferungen (vor Beitritt Estlands zur EU) bzw. als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen (nach Beitritt Estlands zur EU). In den Zollpapieren wurde als Empfänger der Waren eine Firma in den USA angegeben; tatsächlich gelangten die Waren aber nach den Feststellungen des Finanzamts nach Estland. Darüber hinaus wurde vom Finanzamt festgestellt, dass die Ausfuhrbelege nicht ordnungsgemäß seien. So fehle es z. B. in den Rechnungen an der zutreffenden Angabe des Bestimmungsorts im Drittland und in den Frachtbriefen an der "handelsüblichen Bezeichnung" der gelieferten Ware. Die Ausfuhrbestätigungen - die formell nicht zu beanstanden seien - kämen nicht als Nachweis in Betracht, da die Angaben darin inhaltlich nicht zuträfen. Aufgrund der Feststellungen des Finanzamts wurden die Lieferungen als steuerpflichtige Lieferungen erfasst.
Die Klägerin vertrat dagegen die Auffassung, dass der Buch- und Belegnachweis ordnungsgemäß geführt wurde. Aber selbst wenn dies nicht der Fall sei, könne die Steuerbefreiung nicht versagt werden. Buch- und Belegnachweis seien nach der Rechtsprechung keine materielle Voraussetzung für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen bzw. von Ausfuhrlieferung. Stehe das Vorliegen solcher Lieferungen zweifelsfrei fest, unterlägen diese nicht der Umsatzsteuer.
Entscheidung
Das FG hat der Klage teilweise stattgegeben. Erfüllt der Unternehmer die nach § 6 Abs. 4 UStG i. V.m. §§ 8 bis 17 UStDV bestehenden Nachweispflichten für Ausfuhrlieferungen, ist er berechtigt, die Lieferung als steuerfrei zu behandeln. Die durch den Unternehmer beigebrachten Nachweise unterliegen aber der Nachprüfung durch die Finanzverwaltung, da es für die Steuerfreiheit auf die Richtigkeit der Nachweisangaben ankommt. Die Nachweispflichten nach § 6 Abs. 4 UStG i. V. m. §§ 8 ff UStDV sind aber keine materiell-rechtliche Voraussetzung der Steuerfreiheit, sodass die Ausfuhrlieferungen trotz Nichterfüllung der Nachweispflichten steuerfrei sind, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen der Ausfuhrlieferung vorliegen.
Damit die Lieferung aufgrund des Beleg- und Buchnachweises steuerfrei ist, muss allerdings der Buchnachweis grundsätzlich bis zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Unternehmer die Voranmeldung für den Voranmeldungszeitraum der Ausfuhrlieferung abzugeben hat. Denn der Unternehmer, der eine Ausfuhrlieferung als steuerfrei erklärt, muss sich unter Berücksichtigung des Ziels, die genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, sowie unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Neutralität und der Rechtssicherheit durch seine buchmäßigen Aufzeichnungen zumindest dem Grunde nach vergewissern, ob er die Voraussetzungen der Steuerfreiheit als gegeben ansehen kann. Demgegenüber kann der Unternehmer den Belegnachweis bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG erbringen. Die Differenzierung zwischen Buch- und Belegnachweis rechtfertigt sich daraus, dass dem Unternehmer die Ausfuhrbelege u. U. erst nach dem Abgabezeitpunkt für die Voranmeldung vorliegen und sich aus einer erst nachträglichen Beibringung des Belegnachweises, anders als bei einem vollständigen Fehlen buchmäßiger Aufzeichnungen, keine Gefährdung des Steueraufkommens ergibt. Nach dem Abgabezeitpunkt für die Umsatzsteuer-Voranmeldung kann der Unternehmer die buchmäßigen Aufzeichnungen nicht mehr erstmals führen, sondern nur noch berichtigen oder ergänzen.
Trotz der inhaltlichen Fehler und Mängel an den buch- und belegmäßigen Nachweisen steht aber zur Überzeugung des FG fest, dass die materiellen Voraussetzungen von Ausfuhrlieferungen gegeben sind. Nach den Feststellungen sind die Gegenstände tatsächlich in das Drittlandsgebiet gelangt - zwar nicht in die USA, aber nach Estland (vor Beitritt zur EU). Wer tatsächlicher Abnehmer der Ware ist, ergibt sich nach Auffassung des Senates nicht zweifelsfrei, kann aber auch dahinstehen. Denn dies ist für die steuerliche Beurteilung der Lieferung als Ausfuhrlieferung unerheblich.
Anders sah es das Gericht für die nach dem Beitritt Estlands ausgeführten Lieferungen. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist. Da dies von der Klägerin nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, wurde der Klage insoweit nicht stattgegeben.
Hinweis
Das FG arbeitet die buch- und belegmäßigen Voraussetzungen für die Ausfuhrlieferungen intensiv ab. Von Bedeutung ist dabei, dass der Belegnach...