Prof. Dr. rer. pol. Hanno Kirsch
3.2.1 Reine Differenzbuchungen
Rz. 25
Die erste Möglichkeit der Überleitung zwischen IFRS und Landesrecht besteht in der Überleitung mittels reiner Differenzbuchungen. Im 1. Bewertungsbereich wird die Buchführung nach den Regeln des HGB (oder IFRS) vollständig abgewickelt. In einem 2. Bewertungsbereich erfolgt die Buchung der Differenzen zwischen IFRS und HGB (bzw. zwischen HGB und IFRS). Das Auslesen der Bilanz- und GuV-Konten des 1. Bewertungsbereichs liefert den HGB-Jahresabschluss (bzw. IFRS-Jahresabschluss). Bilanz- und GuV-Konten beider Bewertungsbereiche ergeben den IFRS-Jahresabschluss (bzw. HGB-Jahresabschluss).
Rz. 26
Die Buchung von Differenzen weist insbesondere folgende Vorteile auf:
- einfache Realisierbarkeit der Überleitung und hohe Flexibilität im Vergleich zur Buchung von Originalwerten,
- im Regelfall geringere Fehlerauswirkung bei unvollständiger Erfassung der Differenzen zwischen IFRS und HGB.
Rz. 27
Die Buchung reiner Differenzen als Überleitungsform zwischen HGB und IFRS ist aus nachstehenden Gründen nicht unproblematisch:
- Die gebuchten Differenzen zwischen HGB und IFRS sind nur durch direkten Vergleich der Originalwerte von HGB und IFRS sinnvoll interpretierbar; für sich alleine betrachtet haben die Differenz(buchung)en keinen eigenständigen nachvollziehbaren Aussagegehalt;
- höheres Fehlerpotenzial aufgrund der vorgelagerten Ermittlung von Differenzen als Grundlage zur Buchung.
3.2.2 Buchung von Originalwerten
Rz. 28
Bei der Buchung von Originalwerten ist in einem 1. Schritt der Kreis der jeweils nach HGB und IFRS ausschließlich zu buchenden Konten exakt festzulegen. Der Kreis der ausschließlich zu buchenden Konten muss auch sämtliche potenzielle Gegenkonten bei Buchung auf einem dieser Konten einschließen (empfehlenswert: Abgrenzung bestimmter Kontenbereiche, z. B. immaterielles Vermögen und Sachanlagen, finanzielle Vermögenswerte, langfristige Fertigungsaufträge). Damit unterscheidet diese Vorgehensweise reine HGB-Konten, reine IFRS-Konten sowie Gemeinschaftskonten für IFRS und HGB. Der 1. Bewertungsbereich enthält immer die Gemeinschaftskonten und beispielsweise die reinen HGB-Konten. Damit wären im 2. Bewertungsbereich nur die reinen IFRS-Konten enthalten. Die nach HGB und IFRS identisch zu behandelnden Sachverhalte sind einmal auf den Gemeinschaftskonten zu erfassen. Die zwischen IFRS und HGB unterschiedlich zu buchenden Sachverhalte sind einmal auf landesrechtlichen Konten und zusätzlich auf IFRS-Konten separat zu erfassen. Die Bilanz und die GuV nach HGB sowie nach IFRS ergeben sich durch Auslesen der im jeweiligen System ausschließlich zu buchenden Konten sowie der Gemeinschaftskonten.
Abb. 2: Ableitung des HGB- und IFRS-Abschlusses durch Buchung von Originalwerten
Rz. 29
Die Vor- und Nachteile dieser Überleitungsmethode kompensieren wechselseitig die Schwächen und Stärken der Überleitung mittels Differenzbuchungen. Es handelt sich um eine komplexe und inflexible Methode der Überleitung zwischen IFRS und HGB, die in hohem Umfang Systemanpassungen notwendig macht. Für jeden neuen Geschäftsvorfall muss im Vorfeld geklärt werden, ob er den Gemeinschaftskonten zuzuordnen ist oder 2 Buchungen (einmal nach HGB und einmal nach IFRS) nach sich zieht.
3.2.3 Modifizierte Differenzbuchungen
Rz. 30
Die Differenzen zwischen den Konteninhalten des 1. Rechnungslegungssystems (z. B. HGB) und denjenigen des 2. Rechnungslegungssystems (z. B. IFRS) werden über die Konten des 2. Bewertungsbereichs abgebildet. Auf diesen Konten finden zunächst die Stornierungen der – im 2. Rechnungslegungssystem – abweichenden Buchungen des 1. Rechnungslegungssystems sowie anschließend die Neueinbuchungen der abweichend zu behandelnden Sachverhalte nach den Regeln des 2. Rechnungslegungssystems statt. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, bestimmte Konten im 2. Bewertungsbereich nicht (direkt) zu buchen. Es dürfte sich um Konten handeln, über die eine Vielzahl von Anpassungen (zumeist als Gegenkonten) laufen. Hier empfiehlt sich die Einrichtung von Abgrenzungskonten, insbesondere für Bank, Kasse, Forderungen und Verbindlichkeiten. Die Konteninhalte für das 2. Rechnungslegungssystem leiten sich durch Addition der Konteninhalte des 1. Bewertungsbereichs und des Saldos der entsprechenden Konten im 2. Bewertungsbereich ab.
Rz. 31
Im Vergleich zur Überleitung mittels Buchung von (reinen) Differenzen weist diese Form der Überleitung folgende Vorzüge auf:
- gute Nachvollziehbarkeit und Interpretierbarkeit der Buchungen im 2. Bewertungsbereich,
- geringere Fehleranfälligkeit, da Originalwerte statt Differenzen eingebucht werden. Zwecks Sicherstellung der Funktionsfähigkeit dieses Systems sollte mit jeder Stornierungsbuchung eine 2. Buchung (Neueinbuchung) durch das EDV-System zumindest vorgeschlagen werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass einzelne Sachverhalte nur in einem einzigen Bewertungsbereich zu erfassen sind, sodass möglicherweise im 2. Bewertungsbereich nur eine Stornierung durchzuführen ist und eine N...