Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
Rz. 51
Unter einer Urkunde versteht man im Strafrecht eine verkörperte (menschliche) Gedankenerklärung, die geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen und ihren Aussteller erkennen lässt.
Neben Einzelurkunden sind dabei auch sog. Gesamturkunden erfasst. Dies sind auf Rechtssatz, Geschäftsgebrauch oder Vereinbarung beruhende feste und dauerhafte Zusammenfassungen mehrerer Einzelurkunden zu einem übergeordneten Ganzen, das einen über die Einzelurkunden hinausgehenden Gedankeninhalt beweisen kann. Die Handelsbücher eines Kaufmannes stellen derartige Gesamturkunden dar. Sie erbringen Beweis über die Vollständigkeit und Chronologie der darin enthaltenen Einzelurkunden.
2.4.1 Urkundenfälschung
Rz. 52
Wegen Urkundenfälschung macht sich nach § 267 Abs. 1 StGB strafbar, wer
- vorsätzlich (bedingter Vorsatz genügt)
- zur Täuschung im Rechtsverkehr (der Täter muss die Herbeiführung eines Irrtums des zu Täuschenden und dessen Veranlassung zu einem rechtlich erheblichen Verhalten zumindest als sichere Folge seines Verhaltens voraussehen; Absicht ist nicht erforderlich)
- eine unechte Urkunde herstellt, d. h. eine Urkunde hervorbringt, die den unrichtigen Anschein erweckt, von dem aus ihr erkennbaren Aussteller herzurühren (Identitätstäuschung), z. B. durch die Herstellung fingierter Rechnungen; nicht erfasst ist hingegen die inhaltlich unrichtige Urkunde, die sog. schriftliche Lüge,
- eine echte Urkunde verfälscht (die Verfälschung einer echten Urkunde erfordert die nachträgliche Veränderung des gedanklichen Inhalts einer Erklärung, sodass der Anschein erweckt wird, als habe der Aussteller die Erklärung von Anfang an so abgegeben; auch der Aussteller der Urkunde selbst kann diese verfälschen, sobald er unbefugt handelt. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn der Kaufmann seine Handelsbücher ändert, obwohl er sie zuvor bereits in den Rechtsverkehr eingeführt hat oder ein anderer bereits ein rechtliches Interesse (z. B. nach § 810 BGB) daran hat, das Handelsbuch unverändert einzusehen) oder
- eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, d. h. der sinnlichen Wahrnehmung eines anderen zugänglich macht, z. B. durch die Vorlage gefälschter Rechnungen im Rahmen von Umsatzsteuersonderprüfungen nach Geltendmachung ungerechtfertigter Vorsteuererstattungen.
Rz. 53
Als Sanktion sieht § 267 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder eine Geldstrafe, in besonders schweren Fällen eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren vor.
2.4.2 Fälschung beweiserheblicher Daten
Rz. 54
Da der Urkundenbegriff nur Gedankenerklärungen erfasst, die in schriftlicher oder sonst verkörperter Form vorliegen, hat der Gesetzgeber für unsichtbar gespeicherte Daten ohne Ausdruck einen eigenen Straftatbestand geschaffen. Bei Manipulationen in der DV-gestützten Buchführung kommt somit anstelle des § 267 StGB eine Strafbarkeit nach § 269 StGB in Betracht. Die Vorschrift erfasst in enger Anlehnung an § 267 StGB die Besonderheiten computerspezifischer Fälschungsvorgänge.
Rz. 55
Danach macht sich strafbar, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so speichert oder verändert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde, oder derart gespeicherte oder veränderte Daten gebraucht (§ 269 Abs. 1 StGB).
Maßgebend ist, ob der Täter durch seine Tat eine unechte oder verfälschte Urkunde produziert hätte, wenn die Daten, auf die er eingewirkt hat, wahrnehmbar, also sichtbar wären. Die bloße "schriftliche Lüge" ist auch hier nicht erfasst. Als Tathandlungen kommen die Korrektur einzelner Datensätze, Manipulationen im Programm selbst, das Löschen einzelner Datensätze oder das Hinzufügen weiterer Daten in Betracht.
Rz. 56
Dem Vorgehen zur Täuschung im Rechtsverkehr wird durch § 270 StGB die fälschliche Beeinflussung einer Datenverarbeitung gleichgestellt, um klarzustellen, dass beim Einsatz von DV-Anlagen, bei welchem eine menschliche Kontrolle der eingegebenen Daten nicht stattfindet, der täuschungsgleiche Effekt durch die fälschliche Beeinflussung der Datenverarbeitung geschieht.
Rz. 57
Die Tat wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder einer Geldstrafe bestraft.
2.4.3 Fälschung technischer Aufzeichnungen
Rz. 57a
Ebenfalls im Urkundenstrafrecht untergebracht ist der Tatbestand der Fälschung technischer Aufzeichnungen. Nach § 268 Abs. 1 StGB liegt eine Fälschung technischer Aufzeichnungen vor, wenn:
- eine unechte technische Aufzeichnung hergestellt oder eine technische Aufzeichnung verfälscht oder
- eine unechte oder verfälschte Aufzeichnung gebraucht wird.
Eine Strafbarkeit kann dementsprechend auch dann schon vorliegen, wenn der Tatbestand der Steuerhinterziehung noch nicht erfüllt wurd...