Leitsatz
1. Die Verwendungsreihenfolge für eine Gewinnausschüttung wird auch dann gem. § 28 Abs. 4 KStG 1996 festgeschrieben, wenn nur einem Gesellschafter eine Steuerbescheinigung erteilt wurde.
2. Unter Geltung des körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens oblag es allein dem Mitgliedstaat des Dividendenempfängers, eine steuerliche Doppelbelastung des ausgeschütteten Gewinns einer Kapitalgesellschaft zu beseitigen (Anschluss an EuGH-Urteil vom 26.06.2008, C-284/06"Burda", IStR 2008, 515).
Normenkette
Art. 43 EG, Art. 5 Abs. 1 RL 90/435/EWG; § 28 Abs. 4 KStG 1996
Sachverhalt
Anteilseigner der Klägerin, einer GmbH, waren in den Streitjahren 1996 und 1997 zu gleichen Teilen eine niederländische sowie eine deutsche Kapitalgesellschaft, die in den Niederlanden ansässige BV und die in der Bundesrepublik ansässige Holding GmbH.
Nach Durchführung einer Außenprüfung setzte das FA die zum 31.12.1997 gegen die Klägerin festgestellten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (vEK), die ungemildert der KSt unterlegen haben, das sog. EK 45, von rd. 6 Mio. DM auf rd. 5 Mio. DM herab.
Da das ursprüngliche EK 45 in voller Höhe für Gewinnausschüttungen der Streitjahre verwendet worden war, verrechnete das FA gem. § 28 Abs. 4 KStG 1996 die nach Herabsetzung nicht mehr durch tariflich belastetes vEK gedeckten Ausschüttungen mit Eigenkapital i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1996 (EK 02), wodurch sich für beide Streitjahre Erhöhungen der KSt ergaben. Gegen die geänderten KSt-Bescheide und die Bescheide über die Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG 1996 erhob die Klägerin Klage, mit der sie sich insoweit gegen die Anwendung des § 28 Abs. 4 KStG 1996 wandte, als die Gewinnausschüttungen an die BV mit dem EK 02 verrechnet worden waren. Die Verrechnung entspreche nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
Mit dagegen gerichtete Klage war erfolgreich (FG Hamburg, Urteil vom 29.04.2005, III 371/02, Haufe-Index 1386434, EFG 2005, 1470).
Entscheidung
Nachdem die Rechtssache vom BFH dem EuGH vorgelegt worden war und nachdem dieser entschieden hatte, war letzten Endes nur noch zu "vollziehen", was gewissermaßen schon "auf Kiel" gelegt worden war. Und danach war die Klage abzuweisen. Alles Nähere ergibt sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
Es handelt sich um das "Schlussurteil" des BFH in der Rechtssache "Burda", zu welcher der EuGH kürzlich – durch Urteil vom 26.06.2008, C-284/06 (BFH/NV Beilage 2008, 270, BFH/PR 2008, 389) – über das Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 22.02.2006, I R 56/05 (BFH/NV 2006, 1591, BFH/PR 2006, 359) entschieden hatte. Es betrifft das "alte" KSt-Anrechnungsverfahren und ist insofern nur noch von begrenzter (s. dazu unten unter 4.) aktueller Aussagekraft.
1. Es geht um eine Besonderheit des KSt-Gliederungsrechts:
a) Bei Ausschüttungen aus dem sog. EK 01 und EK 03 war hiernach im Grundsatz die Ausschüttungsbelastung herzustellen, was für die ausschüttende Kapitalgesellschaft gemeinhin eine KSt-Belastung von 3/7 ausmachte.
b)In welcher Reihenfolge das Eigenkapital für Ausschüttungen als verwendet galt, unterlag nicht dem Belieben der Kapitalgesellschaft, sondern war in § 28 Abs. 3 i.V.m. § 30 KStG 1996 vorgeschrieben: Zuerst galt das mit KSt belastete, danach das unbelastete vEK als für die Ausschüttung verwendet. Innerhalb des unbelasteten vEK galt zunächst das EK 01, sodann EK 02, EK 03 und schließlich EK 04 als verwendet.
c) Eine Ausnahme von dieser regelmäßigen Verwendungsreihenfolge schrieb § 28 Abs. 4 KStG 1996 für die Fälle vor, in denen zunächst Teilbeträge des vEK i.S.v. § 30 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 oder 2 KStG 1996, also Teilbeträge, die der KSt unterlegen haben, als verwendet galten, später aber für die Verrechnung der Gewinnausschüttung nicht mehr ausreichten. In dieser Situation war die Ausschüttung insoweit, als sie nicht durch die belasteten vEK-Beträge abgedeckt wurde, mit dem EK 02 zu verrechnen.
§ 28 Abs. 4 KStG 1996 diente dem Ziel, Systembrüche im Zusammenhang mit der Weiterausschüttung ausländischer Einkünfte zu verhindern.
Solche Systembrüche hätten sich ergeben, wenn eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft steuerfreie ausländische Einkünfte erzielte, die in das EK 01 eingingen, deren Ausschüttung aber nicht zur Herstellung der Ausschüttungsbelastung führte (§ 40 S. 1 Nr. 1 KStG 1996). In Fällen dieser Art hätte es bei Einhaltung der Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 3 KStG 1996 dazu kommen können, dass zunächst mit belastetem vEK verrechnete Ausschüttungen später mit EK 01 verrechnet worden wären, ohne dass die den Gesellschaftern als Voraussetzung für die Steueranrechnung erteilten Steuerbescheinigungen (§ 44 KStG 1996) hätten rückgängig gemacht und zurückgefordert werden können. Die Folge wäre gewesen, dass den Gesellschaftern eine KSt angerechnet worden wäre, die die Gesellschaft letztlich nicht gezahlt hat (BFH, Urteil vom 25.04.2001, I R 43/00, BFH/NV 2001, 1607, m.w.N.). Dies verhinderte § 28 Abs. 4 KStG 1996, indem er eine Verrechnung mit EK 02 anordnete, dessen Ausschüttung bei de...