Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensgrenze beim Kindergeld als Jahresbetrag. juristischer Vorbereitungsdienst als Berufsausbildung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verfassungsbeschwerde betreffend die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Anwendung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a und Satz 2 EStG in der für das Veranlagungsjahr 2000 maßgeblichen Fassung wurde nicht zur Entscheidung angenommen, u. a. weil sich ihr nicht entnehmen lässt, in welcher Weise sich die Anwendung von § 33a Abs. 1 EStG finanziell für die Beschwerdeführerin auswirken konnte.
2. Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art 14 GG durch die Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a und Satz 2 EStG wurden nicht festgestellt.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a, S. 2, § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1, § 33a Abs. 1, 4; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 14
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Anwendung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a und Satz 2 EStG in der für das Veranlagungsjahr 2000 maßgeblichen Fassung.
1. Die Beschwerdeführerin ist Mutter einer 1974 geborenen Tochter. Diese bestand im Februar 2000 die Erste Juristische Staatsprüfung. Zum 1. April 2000 nahm sie ein Studium der Politikwissenschaft auf, zum 1. Mai 2000 trat sie in den juristischen Vorbereitungsdienst ein. Im Jahr 2000 hatte sie Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 20.435 DM und ein zu versteuerndes Einkommen von 16.113 DM.
2. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2000 hob das Landesbesoldungsamt die Kindergeldfestsetzung bezüglich der Tochter rückwirkend zum 1. Januar 2000 auf und entschied, dass der zuviel gezahlte Betrag von 648,24 DM in monatlichen Raten von 162,06 DM von den Bezügen einbehalten werde. Der Grenzbetrag aus § 32 Abs. 4 Satz 2 und 6 EStG in Höhe von 13.500 DM sei durch Einkünfte der Tochter aus nichtselbstständiger Arbeit überschritten worden.
3. Mit ihrem Einspruch machte die Beschwerdeführerin eine Verletzung in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG geltend. Hätte die Tochter anstelle des Referendariats eine Beschäftigung in der Wirtschaft angetreten, wäre sogar ein monatlicher Nettoverdienst von 10.000 DM unschädlich für das Kindergeld gewesen. Dies könne nicht richtig sein. Die Unterhaltspflicht der Beschwerdeführerin habe bis zum 30. April 2000 bestanden. Dies sei steuerlich zu berücksichtigen.
Das Landesbesoldungsamt wies den Einspruch mit Bescheid vom 23. April 2001 zurück. Die Tochter der Beschwerdeführerin habe sich im Jahr 2000 durchgängig in Ausbildung befunden. Das Kindergeld stehe der Beschwerdeführerin dem entsprechend für das gesamte Jahr 2000 nicht zu.
4. Mit ihrer Klage machte die Beschwerdeführerin geltend, dass mit dem Eintritt in das Referendariat und der Erlangung der Beamtenstellung auf Widerruf das Alimentationsprinzip gegolten und die Unterhaltspflicht der Beschwerdeführerin geendet habe. Eine Rückforderung des bis zum 30. April 2000 geleisteten Unterhalts sehe die Rechtsordnung nicht vor. Das Kindergeld diene dazu, die unterhaltsrechtliche Belastung der Eltern herabzumildern.
5. Das Finanzgericht wies die Klage mit Urteil vom 31. Januar 2002 ab und ließ die Revision zu: Gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 in Verbindung mit § 32 Abs. 4 EStG werde ein Kind nach Vollendung des 18. Lebensjahres nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte oder Bezüge von nicht mehr als 13.500 DM im Kalenderjahr habe, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien. Dieser Jahresgrenzbetrag werde von der Tochter der Beschwerdeführerin eindeutig überschritten. Nur in den Fällen, in denen die Berücksichtigungsvoraussetzungen nicht in allen Kalendermonaten vorgelegen hätten, sehe das Gesetz vor, dass sich der Grenzbetrag ermäßige und die Einkünfte teilweise unberücksichtigt blieben. Die Tochter der Beschwerdeführerin erfülle jedoch in allen Monaten des Jahres 2000 die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung. Der Vorbereitungsdienst sei Teil der Ausbildung zum Volljuristen und daher Berufsausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG. Die mit dem Kindergeld bezweckte Steuerfreistellung des Existenzminimums eines Kindes erfolge auch bei Überschreiten des Grenzbetrags; das Existenzminimum werde dann bei dem Kind selbst von einer Besteuerung freigestellt.
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sei auch unter Berücksichtigung von Art. 3 GG nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber stelle in Übereinstimmung mit den im Einkommensteuerrecht geltenden allgemeinen Grundsätzen auf den Veranlagungszeitraum ab. Das aus dem Gleichheitssatz folgende Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit werde nicht verletzt, da der durch die Unterhaltsverpflichtung verminderten Leistungsfähigkeit durch § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG Rechnung getragen werde. Sofern die Tochter der Beschwerdeführerin kein oder ein nur geringes Vermögen und von Januar 2000 bis April 2000 keine eigenen Einkünfte und Bezüge gehabt habe sowie ihr Unterhalt aufgrund gesetzlicher Verpflichtung geleistet worden sei, könne die Beschwerdeführerin diese Unterhaltsleistungen bis zu einem Höchstbetrag als außergewöhnliche Belastung vom Gesamtbetrag der Einkünfte absetzen. Selbst wenn die durch § 33a Abs. 1 EStG bewirkte steuerliche Entlastung geringer sein sollte als das Kindergeld, ließen sich daraus keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG herleiten. Aus dem Grundgesetz folge kein Anspruch auf eine bestimmte Art des Familienleistungsausgleichs.
6. Mit ihrer Revision rügte die Beschwerdeführerin, dass es unschädlich für den Kindergeldanspruch gewesen wäre, wenn die Tochter seit Mai 2000 eine andere bezahlte Stellung angenommen und dabei einen hohen Monatsverdienst erzielt hätte. Das sei mit dem Gleichheitsprinzip nicht zu vereinbaren. Die Unterhaltspflichten der Beschwerdeführerin hätten mit dem 30. April 2000 geendet.
7. Der Bundesfinanzhof wies die Revision mit Urteil vom 13. Juli 2004 zurück: Die Tochter der Beschwerdeführerin habe sich während des gesamten Jahres in einer Berufsausbildung befunden. Der dienstrechtliche Status eines Referendars stehe dieser Bewertung nicht entgegen. Es bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Art. 6 GG werde nicht verletzt. Die Regelung, dass Kinder mit Einkünften und Bezügen in einer bestimmten Höhe nicht mehr für das Kindergeld berücksichtigt würden, sei kein Eingriff in die Familie wegen familiärer Bindungen. Sie führe auch zu keiner Schlechterstellung gegenüber Nicht-Familienmitgliedern, für die eine Förderung durch das Kindergeld überhaupt nicht in Betracht komme. Auch das Gleichheitsgebot werde nicht verletzt. Das von der Beschwerdeführerin gebildete Vergleichspaar – ein Kind, das den Referendardienst absolviere und ein Kind, das eine Tätigkeit ohne Ausbildungscharakter aufnehme – sei nicht geeignet, einen Gleichheitsverstoß darzulegen. Eine Regelung, die die steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Familie zum Ziel habe, sei nicht willkürlich, wenn bei Kindern, die sich in einer Ausbildung befänden, widerlegbar vermutet werde, dass sie unterhaltsbedürftig seien und die Leistungsfähigkeit der Familie herabsetzten, während bei Kindern, die einer Tätigkeit ohne Ausbildungscharakter nachgingen, eine solche Vermutung nicht nahe liege. Das verfassungsrechtliche Gebot, das Existenzminimum einer Familie steuerfrei zu belassen, werde nicht verletzt. Der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 EStG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber sich für einen Jahres- und nicht für einen Monatsbetrag entschieden habe. Er habe typisierend davon ausgehen dürften, dass ein Kind, das in einem Kalenderjahr Einkünfte und Bezüge in einer bestimmten Höhe erziele, während des ganzen Jahres nicht unterhaltsbedürftig sei. Die Regelung habe typisierenden Charakter und diene der Vereinfachung der Rechtsanwendung. Ein Monatsgrenzbetrag führte zu erheblichem Verwaltungsmehraufwand.
8. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 6 GG und Art. 14 Abs. 1 GG. Die Ausführungen des Bundesfinanzhofs zu Art. 6 GG gingen gezielt am eigentlichen Problem vorbei. Art. 6 GG solle die Familie auch insoweit schützen, als sonst Kinderlose besser gestellt wären. Bis zum 30. April 2000 habe die Unterhaltsverpflichtung bestanden. Der Beschwerdeführerin stehe kein Rechtsanspruch auf Rückzahlung des geleisteten Unterhalts zu. Auch Art. 3 GG sei verletzt. Es sei faktisch so, dass ein Referendar mit der Aufnahme des Referendariats in das Berufsleben wechsle. Nur formal gesehen handele es sich um eine Ausbildung. Hätte ihre Tochter zum 1. Mai 2000 eine Beschäftigung mit einem Nettogehalt von 5.000 DM aufgenommen, hätte das Kindergeld nicht zurückgefordert werden können.
Entscheidungsgründe
II.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫). Sie ist unzulässig, da sie den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Begründungsanforderungen nicht genügt.
1. Mit der Rüge der Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG wird eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung nicht hinreichend dargelegt.
a) Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot „horizontaler Steuergleichheit” verlangt, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch zu besteuern. Eine verminderte Leistungsfähigkeit durch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber einem Kind muss bei allen Steuerpflichtigen unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz berücksichtigt werden. Dem Gesetzgeber steht es dabei grundsätzlich frei, die kindesbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit entweder im Steuerrecht zu berücksichtigen, ihr durch Gewährung von Kindergeld Rechnung zu tragen oder beide Möglichkeiten zu kombinieren (vgl. BVerfGE 82, 60 ≪84≫; 99, 246 ≪265≫; BVerfGK 3, 208 ≪211≫). Von daher ist für den Fall, dass eine verfassungswidrig zu niedrige Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit aufgrund von Unterhaltszahlungen geltend gemacht wird, das gesamte betroffene Normengeflecht in den Blick zu nehmen. Ein isolierter Blick nur auf das Steuerrecht oder nur auf den Kindergeldanspruch verbietet sich, da mit diesem die tatsächliche Berücksichtigung der verminderten Leistungsfähigkeit durch den Gesetzgeber nicht hinreichend gewürdigt werden kann.
b) Die Verfassungsbeschwerde setzt sich insbesondere mit der Bedeutung von § 33a Abs. 1 EStG und damit mit der Möglichkeit einer steuerlichen Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Unterhaltsverpflichtung von Januar bis April 2000 als außergewöhnliche Belastung nicht auseinander, obgleich das Finanzgericht ausdrücklich auf diese Norm Bezug genommen hat.
Nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG wird die Einkommensteuer eines Steuerpflichtigen, dem Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer ihm gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person erwachsen, auf dessen Antrag dadurch ermäßigt, dass Aufwendungen bis zu 13.500 DM im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Voraussetzung dafür ist nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG, dass niemand Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld für die unterhaltene Person hat und diese kein Vermögen besitzt. Der Betrag von 13.500 DM ermäßigt sich für jeden vollen Kalendermonat, in dem die in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen nicht vorliegen, um je ein Zwölftel (§ 33a Abs. 4 Satz 1 EStG).
Der Verfassungsbeschwerde lässt sich nicht entnehmen, in welcher Weise sich die Anwendung von § 33a Abs. 1 EStG finanziell für die Beschwerdeführerin auswirken konnte. Ihr hätte es oblegen darzutun, ob und gegebenenfalls welchen finanziellen Ausgleich sie über die Reduzierung des Gesamtbetrags ihrer Einkünfte erreichen konnte. Die bloße Feststellung, dass sie für die Monate Januar bis April 2000 keinen Kindergeldanspruch hatte und aufgrund ihrer Unterhaltsverpflichtung vermindert wirtschaftlich leistungsfähig war, genügt nicht, um zu überprüfen, ob die mittelbar angegriffene Regelung trotz der Möglichkeit, in derartigen Fällen eine außergewöhnliche Belastung einkunftsmindernd zu berücksichtigen, zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerin geführt hat.
2. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG rügt, hat sie keinen Aspekt aufgezeigt, der über die Rüge des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG hinausginge. Gleiches gilt für die Behauptung einer Verletzung von Art. 14 GG.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Osterloh, Mellinghoff, Gerhardt
Fundstellen
BFH/NV 2009, 2123 |
HFR 2010, 173 |
FamRZ 2009, 2068 |