Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung von Ehegattenarbeitsverhältnissen

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Nichtanerkennung des Arbeitsverhältnisses zwischen Ehegatten allein mit Rücksicht auf die zwischen den Vertragsteilen bestehende eheliche Gemeinschaft verletzt das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG.

 

Normenkette

GG Art. 6 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg (Urteil vom 16.12.1960; Aktenzeichen K III 27/60)

 

Gründe

I.

1. Der Beschwerdeführer betreibt einen Fisch- und Wildbrethandel. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1957 hat das Finanzamt die Vergütungen (400 DM monatlich), die der Beschwerdeführer vom 1. September 1957 an auf Grund eines mit seiner Ehefrau abgeschlossenen Arbeitsvertrages an diese gezahlt hatte, nicht als Betriebsausgabe anerkannt. Nach erfolgreichem Einspruch stellte auf Berufung des Vorstehers des Finanzamts das Finanzgericht mit Urteil vom 16. Dezember 1960 den Einkommensteuerbescheid in der ursprünglichen Fassung wieder her.

Das Finanzgericht vertritt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFHE 69, 175; 70, 422; 71, 460) die Auffassung, die Mitarbeit eines gegen Vergütung im Betrieb beschäftigten Ehegatten sei mit Rücksicht auf die zwischen den Vertragspartnern bestehende eheliche Gemeinschaft „im allgemeinen nicht als Ausfluß eines echten Arbeitsverhältnisses” anzusehen; im gegebenen Fall lägen keine Besonderheiten vor, die ausnahmsweise die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Ehegatten rechtfertigen könnten. Auch ein „mitunternehmerähnliches Verhältnis” zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau liegt nach Ansicht des Finanzgerichts nicht vor.

2. Mit der Verfassungsbeschwerde beantragt der Beschwerdeführer unter Verzicht auf mündliche Verhandlung, das Urteil des Finanzgerichts wegen Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG aufzuheben und die Erstattung der Auslagen anzuordnen. Zur Begründung trägt er vor, daß seine Ehefrau im Betrieb nicht nur beiläufig mitarbeite, sondern eine fremde Arbeitskraft voll ersetze.

Der Bundesminister der Finanzen hält die Verfassungsbeschwerde für begründet.

II.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Bei einem Streitwert von 140 DM war mit dem Urteil des Finanzgerichts der Rechtsweg erschöpft (§ 286 AO).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.

a) Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 24. Januar 1962 – 1 BvL 32/57 – (BVerfGE 13, 290) für den Bereich der Gewerbesteuer ausgesprochen, daß mit Rücksicht auf Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten wegen Besonderheiten, die nicht auf wirtschaftlichem Gebiete liegen, steuerrechtlich nicht ungünstiger behandelt werden dürfen als vergleichbare Arbeitsverhältnisse sonstiger Personen. In dieser Entscheidung wird namentlich festgestellt (aaO S. 303 ff.), daß sachgerechte Gründe, die die Nichtanerkennung nachweislich abgeschlossener, ernst gemeinter und vereinbarungsgemäß vollzogener Arbeitsverträge unter, Ehegatten rechtfertigen würden, aus dem Wesen der Ehe nicht hergeleitet werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat ferner mit Urteil vom 24. Januar 1962 – 1 BvR 232/60 – (BVerfGE 13, 318) entschieden, daß im Einkommensteuerrecht Art. 6 Abs. 1 GG die Berücksichtigung angemessener Vergütungen aus Ehegattenarbeitsverträgen gebietet (aaO S. 326 ff.).

b) Im vorliegenden Fall ist das Finanzgericht davon ausgegangen, daß der zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Ehegatten abgeschlossene Arbeitsvertrag ernst gemeint war und auch durchgeführt worden ist. Dies wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber einerseits aus der Feststellung, daß die Tätigkeit der Ehefrau „äußerlich scheinbar die gleichen Merkmale” aufweise wie die „fremder Arbeitnehmer”, andererseits daraus, daß das angefochtene Urteil auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs gestützt wird, in denen dieser die Auffassung vertreten hat, daß eine steuerliche Anerkennung nachgewiesener und durchgeführter Arbeitsverträge unter Ehegatten mit Rücksicht auf die zwischen den Vertragsparteien bestehende eheliche Gemeinschaft in der Regel ausgeschlossen sei. Demnach hat das Finanzgericht dadurch, daß es dem Arbeitsvertrag unter Berufung auf die zwischen den Vertragsparteien bestehende eheliche Gemeinschaft die Anerkennung versagt hat, das Gebot des Art. 6 Abs. 1 GG verletzt; das angefochtene Urteil muß deshalb aufgehoben werden.

Für eine Entscheidung nach § 34 Abs. 3 BVerfGG besteht keine Veranlassung.

 

Fundstellen

BVerfGE, 243

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