Entscheidungsstichwort (Thema)
EStG § 22 Nr. 3 genügt dem Bestimmtheitsgebot
Leitsatz (redaktionell)
Ob und unter welchen Voraussetzungen Einkünfte aus Leistungen (hier: Entgelt von der auf dem Nachbargrundstück bauenden Wohnbaugesellschaft primär für die Rücknahme des Widerspruchs wegen Nichteinhaltung der Grenzabstände und den Verzicht auf weitere Rechtsmittel) i. S. von § 22 Nr. 3 EStG anzunehmen sind, läßt sich mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln hinreichend sicher erkennen. Die Verwendung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen sowie deren Auslegungsbedürftigkeit kann nur ausnahmsweise zur Feststellung mangelnder Bestimmtheit führen.
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 3; EStG § 22 Nr. 3
Gründe
1. Der Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG genügt den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit eines Steuergesetzes. Ob und unter welchen Voraussetzungen Einkünfte aus Leistungen im Sinne dieser Vorschrift anzunehmen sind, läßt sich mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln hinreichend sicher erkennen. Die Verwendung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen sowie deren Auslegungsbedürftigkeit kann nur ausnahmsweise zur Feststellung mangelnder Bestimmtheit führen.
2. Das Bundesverfassungsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die in der gerichtlichen Entscheidung verwendete Auslegungsmethode oder das Auslegungsergebnis gegen Grundrechte verstößt oder auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Tragweite dieser Grundrechte beruht. Selbst eine rechtsfehlerhafte Entscheidung unterliegt der verfassungsgerichtlichen Beanstandung erst, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Diese Voraussetzungen sind hier offensichtlich nicht erfüllt.
Die angegriffene Entscheidung ist verfassungsrechtlicht nicht zu beanstanden. Das Finanzgericht hat ohne Verkennung der Tragweite und Bedeutung der Grundrechte in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 5. 8. 1976 – VIII R 97/73, BFHE 120, 180, BStBl II 1977, 26) § 22 Nr. 3 EStG dahin ausgelegt, daß eine Leistung im Sinne dieser Vorschrift jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und um des Entgelts willen erbracht wird, darstellt, sofern es sich nicht um Veräußerungsvorgänge oder diesen gleichzustellende Vermögensumschichtungen (veräußerungsähnliche Vorgänge) im privaten Bereich handelt. Das Finanzgericht hat in Anwendung dieser Rechtsgrundsätze unter sorgfältiger Würdigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und des Ablaufs der Vergleichsverhandlungen zwischen den Beschwerdeführern und der auf dem Nachbargrundstück bauenden Wohnbaugesellschaft die Überzeugung gewonnen, daß das von der Baugesellschaft entrichtete Entgelt primär geleistet worden sei, um die Rücknahme des Widerspruchs wegen Nichteinhaltung der Grenzabstände und den Verzicht auf weitere Rechtsmittel zu erreichen und die von den Beschwerdeführern behaupteten Wertminderungen lediglich die Bemessungsgrundlage für den Wert der Leistung der Beschwerdeführer gebildet hätten (vgl. auch BFH, BFHE 120, 180, BStBl II 1977 S. 26; Urteile vom 26. 10. 1982 – VIII R 83/79, BFHE 138, 177, BStBl II 1983, S. 404; 28. 11. 1984 – I R 290/81, BFHE 143, 38, BStBl II 1985 S. 264 ≪265f.≫; 10 12.1985 – IX R 67/81, BFHE 145, 542, BStBl II 1986 S. 340).
Die Beschwerdeführer gehen zu Unrecht davon aus, das Oberverwaltungsgericht habe im Rahmen der Beschwerdeentscheidung vom 6. Oktober 1982 eine Wertminderung ihres Hauses bereits festgestellt. Tatsächlich hat es die Voraussetzungen für die Erlangung einer einstweiligen Anordnung im Rahmen eines baurechtlichen Nachbarschaftsstreites als hinreichend glaubhaft gemacht angesehen. Die Verfahrensbevollmächtigten haben den Beschwerdeführern zum Abschluß des schriftlich nicht fixierten Vergleichs im Hinblick auf den nicht sicher zu beurteilenden Ausgang des Hauptverfahrens und das immense Prozeßkostenrisiko geraten. Es ist nicht erkennbar, wieso das Finanzgericht nach den gesamten Umständen des Falles zu einer unvertretbaren, nicht mehr nachvollziehbaren einfachrechtlichen Würdigung gekommen sein soll, die den Schluß auf sachfremde Erwägungen nahelegen würde.
Fundstellen