Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ohne Abschluss der Telefaxübertragung bis 24 Uhr. Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn Telefaxübertragung wegen spätem Beginn nicht bis 24 Uhr beendet wurde
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird die Verfassungsbeschwerde mittels Telefax erhoben, ist mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionstüchtigen Sendegerätes und der zutreffenden Eingabe der Empfängernummer allein das zur Fristwahrung Gebotene noch nicht getan, wenn mit der Übermittlung nicht so rechtzeitig begonnen wird, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tage des Fristablaufs bis 24.00 Uhr gerechnet werden kann.
2. Wird mit der Übermittlung eines Schriftsatzes gegen 23.43 Uhr begonnen, die Übermittlung um 23.48 Uhr unterbrochen und scheitert sie sodann endgültig und gelingt es nicht mehr, eine Verbindung zum Faxgerät des BVerfG aufzubauen, weil das Telefaxempfangsgerät des BVerfG in diesem Zeitraum durch andere eingehende Sendungen belegt ist, liegt kein einer technischen Störung gleich zu erachtender Umstand vor, der dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden könnte, sondern ein gewöhnliches Ereignis, auf das sich ein Rechtsuchender einstellen muss. Gerade die Abend- und Nachtstunden werden wegen günstiger Tarife oder wegen drohenden Fristablaufs genutzt, um Schriftstücke fristwahrend per Telefax zu übermitteln. Dies ist ein Umstand, der nicht nur beim BVerfG, sondern bei Gerichten und Behörden allgemein zu beobachten ist.
Normenkette
BVerfGG § 93 Abs. 2; FGO § 56
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 11.06.2007; Aktenzeichen I-11 W 42/06) |
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 16.05.2007; Aktenzeichen I-11 W 42/06) |
LG Düsseldorf (Beschluss vom 26.03.2007; Aktenzeichen 3 O 52/06) |
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 11.12.2006; Aktenzeichen I-11 W 42/06) |
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 06.12.2006; Aktenzeichen I-11 W 42/06) |
Tenor
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist insbesondere nicht zur Durchsetzung der vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG, vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫); denn die Verfassungsbeschwerde ist wegen Versäumung der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG unzulässig.
1. Die angegriffenen Beschlüsse des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11. Juni 2007 in den Verfahren I-11 W 22/07 sowie I-11 W 42/06 sind dem Beschwerdeführer nach eigenen Angaben am 16. Juni 2007 zugestellt worden. Die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde lief demnach am Montag, dem 16. Juli 2007, ab. Am 16. Juli 2007 gingen lediglich zehn Seiten der Beschwerdeschrift beim Bundesverfassungsgericht per Telefax ein, danach bricht die Übertragung inmitten des Schriftsatzes ab. Es wurden weder eine Unterschrift noch die angekündigten Anlagen – insbesondere die Ablichtungen der angegriffenen Beschlüsse – vor Ablauf des 16. Juli 2007 übermittelt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 BVerfGG). Die vollständige, insgesamt 70 Seiten umfassende Beschwerdeschrift ging erst am 17. Juli 2007 und damit verspätet bei Gericht ein.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bleibt ohne Erfolg, weil der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten (§ 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
Zwar hat der Beschwerdeführer einen zulässigen Weg der Einreichung fristgebundener Schriftsätze gewählt, indem er die Verfassungsbeschwerde mittels Telefax erhoben hat. Mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionstüchtigen Sendegerätes und der zutreffenden Eingabe der Empfängernummer allein hat er das zur Fristwahrung Gebotene allerdings noch nicht getan. Denn er hat mit der Übermittlung nicht so rechtzeitig begonnen, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tage des Fristablaufs bis 24.00 Uhr hätte gerechnet werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 1. August 1996 – 1 BvR 121/95 –, NJW 1996, S. 2857).
Ausweislich seines Wiedereinsetzungsantrags wurde mit der Übermittlung des Schriftsatzes gegen 23.43 Uhr begonnen. Die Übermittlung an das Bundesverfassungsgericht wurde um 23.48 Uhr unterbrochen und scheiterte sodann endgültig. Danach – so der Beschwerdeführer – gelang es ihm nicht mehr, eine Verbindung zum Faxgerät des Bundesverfassungsgerichts aufzubauen. Dies beruhte – da laut Erklärung des Pfortendienstes des Bundesverfassungsgerichts in dieser Nacht keinerlei Störungen des Faxgerätes vorgelegen haben – darauf, dass das Telefaxempfangsgerät des Bundesverfassungsgerichts in diesem Zeitraum durch andere eingehende Sendungen belegt war. Eine solche Belegung ist kein einer technischen Störung gleich zu erachtender Umstand, der dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden könnte, sondern ein gewöhnliches Ereignis, auf das sich ein Rechtsuchender einstellen muss. Gerade die Abend- und Nachtstunden werden wegen günstiger Tarife oder wegen drohenden Fristablaufs genutzt, um Schriftstücke fristwahrend per Telefax zu übermitteln. Dies ist ein Umstand, der nicht nur beim Bundesverfassungsgericht, sondern bei Gerichten und Behörden allgemein zu beobachten ist und bereits Gegenstand der Rechtsprechung war (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 1999 – 2 BvR 565/98 –, NJW 2000, S. 574). Dem hätte der Beschwerdeführer durch eine Zeitreserve Rechnung tragen können und Rechnung tragen müssen.
Es kann dahingestellt bleiben, welcher genaue zeitliche Abstand vor dem Fristablauf für den erstmaligen Versuch der Übermittlung der Verfassungsbeschwerde einzuhalten war, um einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen zu können. Denn der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers hat mit dem Sendebeginn gleichsam bis zur letzten Minute zugewartet. Ausweislich der Angaben auf dem noch am 16. Juli 2007 eingehenden Telefax benötigte die Übermittlung von 9 1/2 Seiten der Beschwerdeschrift etwa vier Minuten, beim insgesamt 70seitigen Schriftsatz wäre der Übermittlungsabschluss vor Mitternacht nicht mehr möglich gewesen. Dies belegt auch der Umstand, dass die am 17. Juli 2007 ebenfalls per Telefax erfolgte Übermittlung des 70seitigen Schriftsatzes des Beschwerdeführers insgesamt 38 Minuten in Anspruch nahm. Danach hat der Beschwerdeführer die für die Übermittlung erforderliche Zeitreserve zu knapp bemessen, so dass ihn mit der Wahl eines Übermittlungsbeginns nach 23.22 Uhr der Vorwurf mangelnder Sorgfalt trifft (§ 93 Abs. 2 Satz 6 BVerfGG).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 1786209 |
BFH/NV Beilage 2008, 62 |
HFR 2007, 1155 |
BFH/NV-Beilage 2008, 62 |