Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzbezeichnung. Landwirtschaftliche Buchstelle” für Fachanwalt für Steuerrecht
Leitsatz (redaktionell)
Die Vorlage der Frage, ob es verfassungsrechtlich geboten ist, Rechtsanwälten ebenso wie Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten zu gestatten, die Zusatzbezeichnung „Landwirtschaftliche Buchstelle” im geschäftlichen Verkehr zu führen, genügt nicht den Anforderungen, die nach den vom BVerfG zum Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 BVerfGG aufgestellten Grundsätzen an eine Richtervorlage zu stellen sind.
Normenkette
GG Art. 100 Abs. 1, Art. 80 Abs. 2 S. 1, Art. 3 Abs. 1; StBerG § 44 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
OLG München (Vorlegungsbeschluss vom 08.07.1992; Aktenzeichen 29 U 5362/91) |
Tatbestand
A.
Die Vorlage betrifft die Frage, ob es verfassungsrechtlich geboten ist, Rechtsanwälten ebenso wie Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten zu gestatten, die Zusatzbezeichnung „Landwirtschaftliche Buchstelle” im geschäftlichen Verkehr zu führen.
I.
Das Steuerberatungsgesetz vom 4. November 1975 (BGBl. I S. 2735) – StBerG – regelt unter anderem die Voraussetzungen für die Ausübung der steuerberatenden Berufe. Zugelassene Berufsbezeichnungen sind „Steuerberater” und „Steuerbevollmächtigter”, wobei Frauen die weibliche Form wählen können (§ 43 Abs. 1 StBerG). Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten kann auf Antrag als Zusatz die Bezeichnung „Landwirtschaftliche Buchstelle” gestattet werden, wenn sie über eine besondere, in einer mündlichen Prüfung nachzuweisende Sachkunde auf dem Gebiet der Hilfeleistung in Steuersachen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe verfügen.
II.
1. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens ist Rechtsanwalt mit der Befugnis, sich als Fachanwalt für Steuerrecht zu bezeichnen. Er ist nicht Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter. Seit April 1985 führt er neben seiner Anwaltskanzlei die Kanzlei seines Vaters, eines Steuerberaters, als dessen Nachfolger. Auf seinem Kanzleischild stehen sein Name und als Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht”. Auf einem zusätzlichen Schild findet sich der Hinweis „Landwirtschaftliche Buchstelle”.
Die klagende Steuerberaterkammer macht gegen den Beklagten einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend. Sie hält die Angabe „Landwirtschaftliche Buchstelle” für wettbewerbswidrig. Diese Zusatzbezeichnung sei nach § 44 Abs. 1 und 2 StBerG Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten vorbehalten und erfordere das Bestehen einer gesonderten Prüfung. Der Beklagte sei zur Führung dieser Bezeichnung nicht berechtigt. Demgegenüber hält dieser die Verwendung der Bezeichnung für zulässig. Eine Irreführung sei damit nicht verbunden, weil er über die entsprechenden Spezialkenntnisse verfüge und nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 StBerG zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen berechtigt sei. § 44 StBerG gelte nicht für Rechtsanwälte. Außerdem sei er bereit gewesen, den nach dem Steuerberatergesetz erforderlichen Sachkundenachweis zu erbringen; man habe ihn jedoch nicht zur Prüfung zugelassen. Die Beschränkung der Befugnis zur Führung der Zusatzbezeichnung bevorzuge Steuerberater und Steuerbevollmächtigte ohne sachlichen Grund und verletze ihn in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG.
Das Landgericht hat dem Beklagten die Verwendung der Bezeichnung „Landwirtschaftliche Buchstelle” verboten. Sie sei wettbewerbswidrig, weil sie bei dem angesprochenen Publikum den Irrtum erwecke, dem Beklagten sei die Erlaubnis zur Führung der Zusatzbezeichnung in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise verliehen worden.
2. Das Oberlandesgericht hat das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt, um die Entscheidung darüber einzuholen, ob § 44 Abs. 1 Satz 1 StBerG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Der Vorlagebeschluß hat – abgesehen von der Sachverhaltsdarstellung – folgenden Wortlaut:
§ 44 Abs. 1 StBerG behält die Bezeichnung „Landwirtschaftliche Buchstelle” Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten vor. Eine Verleihung der Berechtigung an andere natürliche Personen, auch an Rechtsanwälte, wird für nicht zulässig erachtet (vgl. Gehre, StBerG, 2. Aufl., § 44 Rdnr. 2). Der Beklagte hat dadurch, daß er auf einem Schild mit dem Hinweis „Landwirtschaftliche Buchstelle” wirbt, gegen § 44 Abs. 1 StBerG verstoßen. Der Senat hält die Entscheidung des Landgerichts jedoch für unrichtig, weil § 44 Abs. 1 StBerG nach seiner Auffassung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
Der Rechtsanwalt ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 StBerG unbeschränkt zur Hilfeleistung in Steuersachen berechtigt. Dies bedeutet, daß er auch land- und forstwirtschaftliche Betriebe unbeschränkt steuerlich beraten darf. Erklärt er sich bereit, die in § 44 Abs. 2 StBerG vorgesehene Sonderprüfung abzulegen, so muß er bei Bestehen dieser Prüfung wie ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter berechtigt sein, die Bezeichnung „Landwirtschaftliche Buchstelle” nach Verleihung zu führen und in der Werbung zu verwenden. Da ihm dieses Recht – im Vorfeld bereits die Zulassung zur Prüfung – verwehrt wird, wird ohne rechtfertigenden Grund gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.
Entscheidungsgründe
B.
Die Vorlage ist unzulässig.
I.
Um den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 2 BVerfGG zu genügen, muß das nach Art. 100 Abs. 1 GG vorlegende Gericht angeben, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar sein soll. Dazu muß die Vorlage den entscheidungserheblichen Sachverhalt und eine umfassende Darlegung der tragenden Erwägungen enthalten. Aus diesen muß sich mit hinreichender Deutlichkeit ergeben, daß das Gericht bei der Gültigkeit der Norm zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit (BVerfGE 77, 259 ≪261≫; 79, 240 ≪243≫; 81, 275 ≪277≫ m.w.N.; 83, 111 ≪116 f.≫).
In dem Vorlagebeschluß muß ferner die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm näher begründet werden. Das vorlegende Gericht darf sich dabei nicht auf die Benennung des verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabes beschränken, sondern muß auch die für seine Überzeugung maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar darlegen und sich dabei jedenfalls mit naheliegenden Gesichtspunkten auseinandersetzen (BVerfGE 86, 52 ≪57≫).
II.
Diesen Anforderungen genügt die Vorlage nicht.
1. Das vorlegende Gericht hat die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage unzureichend begründet.
Der Vorlagebeschluß ist dahin zu verstehen, daß das Gericht bei Anwendung des § 44 Abs. 1 StBerG die Berufung zurückweisen würde. Nicht beanstandet wird die Auffassung des Landgerichts, daß die Verwendung der Zusatzbezeichnung „Landwirtschaftliche Buchstelle” irreführend wirke, weil sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck erwecke, der Beklagte habe die Erlaubnis dazu wie ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Wege erlangt. Beanstandet wird lediglich, daß ihm als Rechtsanwalt dieser Weg verschlossen ist, solange er nicht als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter bestellt wurde. Die Regelung verhindere schon „im Vorfeld”, daß der Beklagte zu der erforderlichen Prüfung zugelassen werde.
Nach dieser Begründung kann die Vorlagefrage nicht entscheidungserheblich sein. Das Oberlandesgericht müßte die Berufung auch auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zurückweisen. Träfe es nämlich zu, daß § 44 Abs. 1 StBerG nur dann verfassungsgemäß wäre, wenn er auch Rechtsanwälten die Möglichkeit eröffnete, die Sachkundeprüfung abzulegen und auf diesem Wege die Befugnis zum Gebrauch der Zusatzbezeichnung zu erreichen, könnte die Berufung dennoch keinen Erfolg haben. Der Beklagte dürfte zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Zusatzbezeichnung noch nicht benutzen, weil er unstreitig eine Sachkundeprüfung nicht abgelegt hat, das ratsuchende Publikum also irregeführt werden könnte, wie das Landgericht festgestellt hat. Die Zulassung zu der nach dem Steuerberatungsgesetz vorgeschriebenen Prüfung müßte sich der Beklagte in einem anderen Verfahren vor den dafür zuständigen Finanzgerichten erstreiten.
2. Auch die Begründung der verfassungsrechtlichen Bedenken genügt nicht den zu stellenden Anforderungen.
In dem Vorlagebeschluß fehlt es an einer Erörterung der verfassungsrechtlichen Lage. Das Oberlandesgericht beschränkt sich darauf, Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab zu nennen, ohne sich mit Inhalt und Umfang der grundrechtlichen Gewährleistung auseinanderzusetzen. Insbesondere geht es nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum allgemeinen Gleichheitssatz ein und erwähnt auch nicht die Befugnis des Gesetzgebers bei der Abgrenzung von Berufsbildern. Infolgedessen prüft es nicht, welche Differenzierungskriterien dem Gesetzgeber hier zur Verfügung standen, welche Gründe für die unterschiedliche Behandlung von Rechtsanwälten einerseits und Steuerberatern sowie Steuerbevollmächtigten andererseits maßgebend waren und ob diese Unterscheidungsgründe vor dem Grundgesetz Bestand haben.
Fundstellen