Entscheidungsstichwort (Thema)
Begrenzung der Lohnsteuerfreibeträge bei Verlusten aus Vermietung und Verpachtung
Leitsatz (amtlich)
1. Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, daß beim Lohnsteuerabzug Verluste aus anderen Einkunftsarten grundsätzlich nicht berücksichtigt, sondern erst bei der Einkommensteuerveranlagung der Arbeitnehmer ausgeglichen werden (im Anschluß an BVerfGE 23, 1 [7]).
2. Die in § 39 a Abs. 1 Nr. 6 EStG 1975 enthaltene Durchbrechung dieses Grundsatzes ist durch den Zweck, auch Arbeitnehmern die durch §§ 7 b, 54 EStG und § 14 a BerlinFG vermittelten Finanzierungshilfen so frühzeitig wie anderen Steuerpflichtigen einzuräumen, sachlich gerechtfertigt.
Normenkette
BerlinFG § 14a; EStG §§ 7b, 10d, 19 Abs. 4, § 38a Abs. 2, § 39a Abs. 1 Nr. 6, § 40 Abs. 1 Nr. 5, §§ 42, 42b, 46, 54; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
Das Normenkontrollverfahren auf Vorlage des FG Hamburg betrifft die Frage, ob es dem Grundgesetz entspricht, daß für Verluste aus Vermietung und Verpachtung nur dann ein Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden darf, wenn sich die Verluste bei Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen nach §§ 7 b oder 54 des Einkommensteuergesetzes 1975 in der Fassung vom 5. September 1974 (BGBl I S. 2165) – EStG – oder nach § 14 a des Berlinförderungsgesetzes in der Fassung vom 18. Februar 1976 (BGBl I S. 353) – BerlinFG – (im folgenden kurz 7 b-Verluste genannt) voraussichtlich ergeben werden (§ 39 a Abs. 1 Nr. 6 EStG).
Tatbestand
A.
I.
Die Summe der Einkünfte aus den sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG ergibt den sogenannten Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG); dieser ist die Ausgangsgröße für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens. Bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte werden negative Einkünfte (Verluste) aus einzelnen Einkunftsarten – von hier unerheblichen Ausnahmen abgesehen – mit positiven in demselben Veranlagungszeitraum angefallenen Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen (Verlustausgleich).
Der Verlustausgleich wirkt sich bei der Veranlagung zur Einkommensteuer und bei der Festsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen aus, die vierteljährlich zu entrichten sind (§ 37 EStG). Hierzu bestimmt § 37 Abs. 3 EStG:
„Das Finanzamt setzt die Vorauszahlungen durch Vorauszahlungsbescheid fest. Die Vorauszahlungen bemessen sich grundsätzlich nach der Einkommensteuer, die sich nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge (§ 36 Abs. 2 Ziff. 2) bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Das Finanzamt kann bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahres die Vorauszahlungen an die Einkommensteuer anpassen, die sich für den Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergeben wird …”
Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wird Einkommensteuer in der Regel durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer – § 38 Abs. 1 EStG). Soweit Lohnsteuer einbehalten wird, unterbleibt die Festsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen. Beim Lohnsteuerabzug wird die Jahreslohnsteuer nach dem Jahresarbeitslohn so bemessen, daß sie der Einkommensteuer entspricht, die der Arbeitnehmer schuldet, wenn er ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt (§ 38 a Abs. 2 EStG). Positive Einkünfte aus anderen Einkunftsarten beeinflussen den Lohnsteuerabzug also nicht; insoweit sind erforderlichenfalls daneben Einkommensteuer-Vorauszahlungen festzusetzen. Aber auch negative Einkünfte aus anderen Einkunftsarten haben auf den Lohnsteuerabzug grundsätzlich keine Auswirkung. Erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums (Kalenderjahr) kann der Arbeitnehmer nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. b EStG eine Veranlagung zur Berücksichtigung dieser Verluste beantragen; nach Anrechnung der einbehaltenen Lohnsteuer auf die niedrigere geschuldete Einkommensteuer wird der überschießende Betrag erstattet. Nur bestimmte Verluste wirken sich schon beim Lohnsteuerabzug aus, indem für sie ein Freibetrag als (negative) Besteuerungsgrundlage festgestellt und auf der Lohnsteuerkarte eingetragen wird. § 39 a Abs. 1 Nr. 6 EStG lautet:
„Auf der Lohnsteuerkarte wird als vom Arbeitslohn abzuziehender Freibetrag die Summe folgender Beträge eingetragen:
1. bis 5. …
6. der Betrag der negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, der sich bei Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen nach § 7 b oder § 54 oder nach § 14 a des Berlinförderungsgesetzes voraussichtlich ergeben wird.”
Ein Verlust bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entsteht, wenn die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung geringer sind als die Werbungskosten, das sind die Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Unterhaltung dieser Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Zu den Werbungskosten gehören z.B. Steuern vom Grundbesitz und Versicherungsbeiträge, soweit sie sich auf Gebäude beziehen, die dem Steuerpflichtigen zur Einnahmeerzielung dienen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 EStG), Schuldzinsen, soweit sie mit den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG), und Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung (§ 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG).
§ 7 b EStG gestattet unter bestimmten Voraussetzungen bei Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen erhöhte, gegenüber den in § 7 EStG geregelten normalen Absetzungsmöglichkeiten wesentlich günstigere Absetzungen für Abnutzung in Höhe von 5 vom Hundert der auf 150 000 oder 200 000 DM limitierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Jahr der Anschaffung oder Fertigstellung und in den sieben folgenden Jahren. Damit schafft § 7 b EStG – für die Dauer seiner Inanspruchnahme – eine Steuerersparnis, die sich schon bei der Lohnsteuererhebung auswirkt. Ähnlich wirken die nach § 54 EStG zulässigen, noch darüber hinausgehenden Absetzungsmöglichkeiten bei Eigenheimen, Eigensiedlungen und eigengenutzten Eigentumswohnungen, bei denen der Antrag auf Baugenehmigung vor dem Jahr 1965 gestellt wurde, und die nach § 14 a BerlinFG zulässigen Absetzungen bei Berliner Wohngebäuden und Eigentumswohnungen.
II.
Im Ausgangsverfahren beantragte der Steuerpflichtige einen Lohnsteuerfreibetrag für 1975 unter anderem wegen eines voraussichtlichen Verlustes bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Zur Glaubhaftmachung des voraussichtlichen Verlustes legte er dar, er habe sich einer Bauherrengemeinschaft angeschlossen, die die Errichtung einer Wohnanlage mit Eigentumswohnungen vorbereite und dabei durch eine Immobiliengesellschaft betreut werde. Diese Firma habe im Januar 1975 bescheinigt, daß von den auf den Steuerpflichtigen entfallenden Gesamtkosten der Wohnung (86 500 DM) 28 199 DM im Jahr 1975 sofort abzugsfähige vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung seien, denen keine Einnahmen gegenüberstünden, weil mit der Fertigstellung der Wohnanlage 1975 und folglich mit Mieterträgen nicht mehr zu rechnen sei.
Das FA gewährte keinen Lohnsteuerfreibetrag für den – geltend gemachten Verlust aus Vermietung und Verpachtung, weil dieser nur bei gleichzeitiger – im vorliegenden Fall nicht möglicher – Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen nach § 7 b EStG berücksichtigt werden könne. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Steuerpflichtige Klage zum FG.
Das FG setzte das Verfahren gemäß Art. 100 GG, § 80 BVerfGG aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor,
ob § 39 a Abs. 1 Nr. 6 EStG 1975 mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit er die Eintragung des voraussichtlichen Betrages der negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, der sich nicht durch die Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen nach §§ 7 b, 54 EStG oder § 14 a BerlinFG ergibt, auf der Lohnsteuerkarte nicht zuläßt.
Das FG führt aus, es sei überzeugt, daß der Steuerpflichtige als Bauherr im Veranlagungszeitraum voraussichtlich negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung haben werde. Ob der Steuerpflichtige den Verlust der Höhe nach richtig umrissen habe, könne im gegenwärtigen Verfahrensstadium offenbleiben. Bei Verfassungswidrigkeit des § 39 a Abs. 1 Nr. 6 EStG könnte die Klage jedenfalls nicht in vollem Umfang abgewiesen werden.
Die Nichteintragungsfähigkeit von anderen Verlusten aus Vermietung und Verpachtung als den 7 b-Verlusten führe zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden verschiedenen Behandlung von Steuerpflichtigen einmal gegenüber Steuerpflichtigen mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und 7 b-Verlusten und zum anderen gegenüber Steuerpflichtigen, die Vorauszahlungen zu leisten hätten. Lohnsteuerzahler mit nichteintragungsfähigen Verlusten aus Vermietung und Verpachtung würden zwar im Ergebnis nicht durch höhere Steuerlasten benachteiligt; da sie aber die zunächst zuviel entrichtete Steuer erst bei einer späteren Veranlagung erstattet erhielten, entstehe ihnen für die Zwischenzeit ein – unter Umständen erheblicher – Zinsausfall oder eine Zinsmehrbelastung. Diese wirtschaftliche Mehrbelastung sei nicht damit zu rechtfertigen, daß das Lohnsteuerverfahren nicht unpraktikabel werden dürfe. Die möglichen Belastungsunterschiede, die der Gesetzgeber nicht als unerheblich habe vernachlässigen dürfen, würden durch die Regelung des Arbeitnehmerfreibetrages nach § 19 Abs. 4 EStG nicht ausgeglichen.
Entscheidungsgründe
B.
Die Zulässigkeit der Vorlage kann dahingestellt bleiben, da die vom vorlegenden Gericht geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die zur Prüfung gestellte gesetzliche Regelung offensichtlich unbegründet sind.
§ 39 a Abs. 1 Nr. 6 EStG 1975 verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), soweit für Verluste aus Vermietung und Verpachtung, die nicht bei Inanspruchnahme der dort bezeichneten Sonderabschreibungsmöglichkeiten entstehen, ein Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte nicht eingetragen werden kann.
I.
1. Es ist nicht zu verkennen, daß die Anwendung des § 39 a Abs. 1 Nr. 6 EStG zu einer verschiedenen Behandlung von solchen Steuerpflichtigen führt, die nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit haben, gegenüber den Steuerpflichtigen, die andere Einkünfte als solche aus nichtselbständiger Arbeit oder neben derartigen Einkünften noch andere Einkünfte haben und die Verluste aus Vermietung und Verpachtung geltend machen wollen. Denn während diese schon bei der Festsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen eine Berücksichtigung der Verluste erreichen können, sind jene – abgesehen von der Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen nach § 7 b EStG oder § 54 EStG oder nach § 14 a BerlinFG – auf die Geltendmachung in einem dem Lohnsteuerabzugsverfahren folgenden Veranlagungsverfahren beschränkt. Dies hat in der Regel zur Folge, daß sie, gemessen an ihren Gesamteinkünften, zunächst eine zu hohe Einkommensteuer zu entrichten haben; der überzahlte Betrag wird ihnen erst mehr oder weniger später je nach dem Zeitpunkt der Veranlagung erstattet.
2. Die Lohnsteuer stellt keine gegenüber der Einkommensteuer selbständige Steuerart, sondern nur eine Erhebungsform der Einkommensteuer dar. Deshalb sind für die Besteuerung von Einkünften veranlagte Einkommensteuerpflichtige – im folgenden: Einkommensteuerzahler – und Lohnsteuerzahler grundsätzlich als „gleich” anzusehen. Die verschiedene Behandlung von Einkommensteuerzahlern und Lohnsteuerzahlern muß sich zur Wahrung der Gleichheit vor dem Steuergesetz auf die Punkte beschränken, in denen eine abweichende Regelung durch die Besonderheiten des Veranlagungs- oder des Lohnsteuerabzugsverfahrens hinreichend sachlich gerechtfertigt ist (BVerfGE 23, 1 [7]; 33, 90 [103 f.]). Diesen Anforderungen genügt § 39 a Abs. 1 Nr. 6 EStG, wenn er die Eintragung von Verlusten aus anderen Einkunftsarten auf der Lohnsteuerkarte grundsätzlich nicht zuläßt.
a) Der Lohnsteuerabzug geht auf den Entwurf eines Reichseinkommensteuergesetzes zurück, der der Nationalversammlung am 29. November 1919 vorgelegt worden ist (Drucks. Nr. 1624), nachdem bis dahin in den Bundesstaaten auch für Lohneinkünfte die Veranlagung vorgesehen war. Dieses Verfahren hatte sich nicht bewährt (Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, Band II [1929] § 68 Anm. 1). Die im Steuerbescheid festgesetzte Steuer bezog sich auf das Einkommen des vergangenen Jahres. Die Mehrzahl der Arbeitnehmer hatte jedoch von dem laufenden Einkommen nicht die darauf später entfallende Einkommensteuer zurückgelegt so daß in erheblichem Umfang Beitreibungsverfahren und Lohnpfändungen erforderlich wurden und dennoch das Steueraufkommen erheblich hinter dem Veranlagungssoll zurückblieb. War demnach der Lohnsteuerabzug in erster Linie im Interesse des Steuerfiskus eingeführt worden, so dient er aber auch insoweit den Belangen des steuerpflichtigen Arbeitnehmers, als er ihn bei korrekter Durchführung des Lohnsteuerabzugs der Sorge für die Bereithaltung der Mittel zur Bestreitung der Steuerschulden weitgehend enthebt. In der Regel kann der Arbeitnehmer davon ausgehen, daß der an ihn ausgezahlte, um die Abzugsbeträge gekürzte Nettolohn ihm auch tatsächlich zur Verfügung steht.
Diesem Ausgangspunkt entspricht es, daß der Lohnsteuerabzug zum Ziel hat, die auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entfallende Einkommensteuer ohne Rücksicht auf andere Einkunftsarten in einem vereinfachten Verfahren nach Möglichkeit in der Höhe zu erheben, die sich im Wege der Veranlagung ergeben würde, so daß eine Veranlagung in der Regel entbehrlich wird. Seiner Natur und der historischen Entwicklung nach beschränkt er sich auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und läßt grundsätzlich keine Berücksichtigung der bei anderen Einkunftsarten auftretenden besonderen Verhältnisse zu. Das Lohnsteuerabzugsverfahren bezweckt eine vereinfachte Einkommensbesteuerung bei einem großen Teil der Steuerpflichtigen ohne erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Dieser mit dem Lohnsteuerverfahren als einem Massenverfahren verbundene Rationalisierungseffekt würde bei einer anderen Gestaltung beeinträchtigt. Abgesehen von den Verlusten aus Vermietung und Verpachtung bei Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen für Abnutzung nach § 7 b EStG und den gleichgestellten Bestimmungen wird deshalb ein Freibetrag für Vorgänge, die ihre materiell-steuerrechtliche Grundlage bei anderen Einkunftsarten haben, nicht gewährt. So gibt es z.B. keine Lohnsteuerfreibeträge für Verluste aus Vermietung und Verpachtung schlechthin, für Verluste aus Gewerbebetrieb (BFH, Betriebs-Berater 1972, S. 784 = StRK § 40 EStG [ab 1958] R. 10) oder für vorgetragene Verluste (§ 10 d EStG). Das wäre zwar verwaltungstechnisch durchführbar, würde aber das Lohnsteuerermäßigungsverfahren in einer den verfolgten Vereinfachungseffekt beeinträchtigenden Weise belasten und damit entwerten. Der Gesetzgeber könnte sich nicht damit begnügen, den voraussichtlichen negativen Betrag der Einkünfte bei anderen Einkunftsarten ermitteln zu lassen, sondern es müßte auch geprüft werden, ob nicht diesen Verlusten positive Einkünfte aus weiteren Einkunftsarten gegenüber stehen, welche die Verluste ganz oder teilweise auf wiegen. Das Finanzamt müßte also eine „Schattenveranlagung” mit dem voraussichtlich zu versteuernden Einkommen des Lohnsteuerpflichtigen durchführen, um einen mutmaßlichen negativen Gesamtbetrag der Einkünfte aus den anderen Einkunftsarten auf der Lohnsteuerkarte eintragen zu können.
b) Der Lohnsteuerabzug führt allerdings dazu, daß Lohnsteuerzahler im Durchschnitt zeitnäher als Einkommensteuerzahler zur Steuer herangezogen werden. Obwohl die Jahreslohnsteuer nach dem Jahresarbeitslohn grundsätzlich so bemessen wird, daß sie der Einkommensteuer entspricht, die der Arbeitnehmer schuldet, wenn er nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt (§ 38 a Abs. 2 EStG) und andererseits auch Einkommensteuerzahler laufende Vorauszahlungen zu entrichten haben, ergeben sich für Lohnsteuerzahler in der Regel Nachteile daraus, daß bei Einkommensteuerzahlern die Vorauszahlungen dem steigenden Einkommen schon aus tatsächlichen Gründen nicht so frühzeitig angepaßt werden können, wie es der Automatik des Lohnsteuerabzugs entspricht, und auch daraus, daß die Berücksichtigung von Verlusten aus anderen Einkunftsarten grundsätzlich nicht möglich ist. Darüber hinaus wird bei Lohnsteuerzahlern aus mannigfachen Gründen, z.B. bei nichtständiger Beschäftigung infolge von Arbeitslosigkeit, unter Zugrundelegung der Monats-, Wochen- oder Tageslohnsteuertabellen im Laufe des Jahres mehr an Lohnsteuer erhoben, als bei einer Einkommensteuerveranlagung festzusetzen wäre. Die überzahlten Beträge werden erst später im Wege eines Lohnsteuer-Jahresausgleichs (§§ 42 bis 42 b EStG) oder nach einer Veranlagung zur Einkommensteuer (§ 46 EStG) zinslos erstattet. Da somit Lohnsteuerzahler, verglichen mit Einkommensteuerzahlern, im ganzen gesehen frühzeitiger und zunächst bisweilen zu hoch zur Einkommensteuer herangezogen werden, erleiden sie Zinsnachteile. Zum Ausgleich dieser Benachteiligung erhalten die Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einen Arbeitnehmerfreibetrag von 480 DM (§ 19 Abs. 4 EStG) ohne Rücksicht darauf, wie hoch die bezeichneten Nachteile im einzelnen Fall sind. Damit stellt der Gesetzgeber in generalisierender und pauschalierender Form in einer ihm vertretbar erscheinenden Weise die Lohnsteuerzahler den Einkommensteuerzahlern gleich.
Wenn danach Verluste aus anderen Einkunftsarten im Lohnsteuerabzugsverfahren grundsätzlich außer Betracht bleiben, ist das mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren, weil gewährleistet ist, daß die Verluste bei der Veranlagung zur Einkommensteuer berücksichtigt werden und weil bei Arbeitnehmern für die mit dem Lohnsteuererhebungssystem verbundenen Zinsnachteile ein Arbeitnehmer-Freibetrag abgezogen wird. In diesem Zusammenhang ist allerdings hervorzuheben, daß es bei der Veranlagung von Arbeitnehmern, die eine beträchtliche Steuererstattung zu beanspruchen haben, Aufgabe der Finanzverwaltung ist, dafür Sorge zu tragen, daß die zu Steuererstattungen führenden Veranlagungen ohne vermeidbare Verzögerung erledigt und die zu viel entrichteten Steuern alsbald erstattet werden.
II.
Es verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, daß der Gesetzgeber in § 39 a Abs. 1 Nr. 6 EStG trotz der grundsätzlichen Nichtberücksichtigung von Verlusten aus anderen Einkunftsarten im Lohnsteuerverfahren für Verluste aus Vermietung und Verpachtung bei Inanspruchnahme der Abschreibungen nach §§ 7 b und 54 EStG und § 14 a BerlinFG eine Eintragungsmöglichkeit geschaffen hat, während er Verluste, die ausschließlich durch sonstige Werbungskosten entstehen, im Lohnsteuerverfahren nicht berücksichtigt. Diese Sonderabsetzungsmöglichkeiten bewirken gerade für die ersten Jahre nach der Fertigstellung eine vorläufige Steuerersparnis und bedeuten somit eine staatliche Finanzierungshilfe, indem sie gestatten, daß späterer Aufwand vorgezogen und die Versteuerung der gegenwärtigen Einkünfte teilweise in die Zukunft verlagert wird. Diese den Wohnungsbau und die Eigentumsbildung begünstigende Finanzierungshilfe wollte der Gesetzgeber auch Lohnsteuerzahlern – und zwar ebenso frühzeitig wie Einkommensteuerzahlern – einräumen, indem er erstmals 1958 durch Art. 1 Nr. 30 des Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958 (BGBl I S. 473) die Eintragung des Verlustes aus Vermietung und Verpachtung zuließ, der bei Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG entsteht (§ 40 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1958 in der Fassung vom 23. September 1958 – BGBl I S. 673 –).
Es stand dem Gesetzgeber frei, dem – für sich gesehen verfassungsrechtlich unbedenklichen – Grundsatz der Nichtberücksichtigung von Verlusten aus anderen Einkunftsarten in § 39 a Abs. 1 Nr. 6 EStG durch Gewährung einer – eng umgrenzten – Finanzierungshilfe zu durchbrechen und danach die Lohnsteuerzahler möglichst frühzeitig in den Genuß dieser Begünstigung kommen zu lassen. Damit war für den Gesetzgeber nicht die weitergehende Pflicht verbunden, auch Verluste, die ausschließlich durch andere Werbungskosten wie Zinsen für Fremdfinanzierung, Aufwendungen für Baubetreuung, Bereitstellungsgebühren, Versicherungsprämien und ähnliches entstehen, ebenfalls sofort zu berücksichtigen. Lohnsteuerermäßigungen bei den nach §§ 7 b, 54 EStG und § 14 a BerlinFG begünstigten Objekten erscheinen, weil sie in diesen Fällen der vom Gesetzgeber gewollten Erleichterung der Finanzierung diene, dringlicher als bei sonstigen Objekten, so daß die auf § 39 a Abs. 1 Nr. 6 EStG beruhende Vorzugsstellung jener Objekte sachlich gerechtfertigt ist. Im übrigen hält sich die bei 7 b-Verlusten eintretende Verfahrenserschwerung in Grenzen, weil die Zahl der nach § 7b Abs. 7 EStG zu fördernden Objekte beschränkt ist und Sonderabschreibungen nur von den in § 7 b Abs. 1 EStG festgesetzten Höchstbeträgen zulässig sind, die von den tatsächlich aufzuwendenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten in der Regel überschritten werden. Besonders erleichtert ist die Freibetragsermittlung, wenn Verluste aus Vermietung und Verpachtung bei eigengenutzten Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen nach § 21 a EStG zu errechnen sind.
Fundstellen
BStBl II 1977, 297 |
BVerfGE 43, 231 |
BVerfGE, 231 |
DB 1977, 615 |
DStZ/B 1977, 148 |
NJW 1977, 891 |