Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unvollständigem Telefax
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Absenden eines Telefax ist eine einfache, keine juristische Schulungen erfordernde Tätigkeit und kann von einem Rechtsanwalt seinem geschulten und zuverlässigen Büropersonal zur selbstständigen Erledigung übertragen werden; dabei erfordert die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze eine wirksame Ausgangskontrolle, so dass Fristen aus dem Fristenkalender erst gelöscht werden, wenn durch Überprüfung des Sendeprotokolls feststeht, dass der Schriftsatz vollständig gesendet worden ist.
2. Bleibt ein fristwahrender Schriftsatz von 150 Seiten, der per Telefax in mehreren Schritten übermittelt werden soll, letztlich unvollständig, ist eine Wiedereinsetzung nicht gerechtfertigt.
Normenkette
BVerfGG § 93 Abs. 2
Verfahrensgang
BGH (Beschluss vom 30.01.2007; Aktenzeichen XI ZR 98/06) |
Tenor
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht gemäß § 93a BVerfGG zur Entscheidung angenommen werden, weil der Beschwerdeführer die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde versäumt hat. Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 93 Abs. 2 BVerfGG ist nicht zu gewähren, weil der Beschwerdeführer weder ausreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs trägt der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers lediglich vor, er habe am Tag des Fristablaufs die Beschwerdeschrift unterschrieben und seiner zuverlässigen Büroangestellten mit dem Hinweis überlassen, der Schriftsatz müsse noch am gleichen Tag per Telefax übersandt werden. Zusätzlich habe die allgemeine Anweisung bestanden, fristwahrende Schriftsätze stets mitsamt den Anlagen per Telefax zu übersenden. Da der Schriftsatz mit Anlagen 150 Seiten umfasst habe, habe seine zuverlässige Bürokraft den Schriftsatz in mehreren Schritten übersenden wollen. In einem ersten Schritt habe sie sodann nur die Beschwerdeschrift abgesandt, sei danach aber mehrmals abgelenkt worden und habe schließlich das Büro verlassen, ohne die noch fehlenden Anlagen zu übersenden.
Dieser Vortrag ist nicht geeignet, die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu rechtfertigen. Zwar darf ein Rechtsanwalt einfache Tätigkeiten, die keine juristischen Schulungen verlangen, seinem geschulten und zuverlässigen Büropersonal zur selbständigen Erledigung übertragen (BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 14. Dezember 2001 – 1 BvR 1009/01 –, zitiert nach Juris, Ziff. 19), wobei es sich beim Absenden eines Telefaxes um eine solche einfache Tätigkeit handelt (BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 6. Februar 2002 – 2 BvR 1249/01 –, zitiert nach Juris, Ziff. 16). Allerdings muss im Fall der Übertragung durch eine wirksame Ausgangskontrolle sichergestellt werden, dass Fehler beim Versenden der fristwahrenden Schriftstücke möglichst vermieden werden (BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 21. Februar 2001 – 2 BvR 1469/00 –, zitiert nach Juris, Ziff. 5; BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 – XI ZB 5/06 –; zitiert nach Juris, Ziff. 6). Für die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax erfordert eine wirksame Ausgangskontrolle, dafür Sorge zu tragen, dass Fristen aus dem Fristenkalender erst gelöscht werden, wenn durch Überprüfung des Sendeprotokolls feststeht, dass der Schriftsatz vollständig gesendet worden ist (vgl. BFH, Beschluss 20. Dezember 2006 – I B 70/06 –; zitiert nach Juris Ziff. 8; BGH, Urteil vom 29. April 1994 – V ZR 62/93 –, zitiert nach Juris). Zu der Einrichtung einer wirksamen Ausgangskontrolle hat der Bevollmächtigte nichts vorgetragen. Damit lässt das Vorbringen die naheliegende Möglichkeit offen, dass die unvollständige Übersendung auf einer mangelhaften Ausgangskontrolle und damit auf einem dem Beschwerdeführer zuzurechnenden Verschulden seines Bevollmächtigten beruht (§ 93 Abs. 2 Satz 6 BVerfGG; vgl. Heusch/Sennekamp, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl., § 93 Rdn. 77).
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Bryde, Eichberger, Schluckebier
Fundstellen
BFH/NV Beilage 2008, 160 |
HFR 2008, 500 |
NJW 2007, 2839 |
NVwZ 2007, 1421 |
BFH/NV-Beilage 2008, 160 |