Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschiedliche Besteuerung von Spielgeräten je nach Aufstellungsort
Leitsatz (redaktionell)
Die unterschiedliche Besteuerung von Spielgeräten (Spielapparaten), die in einer Spielbank und solchen, die an anderen Plätzen aufgestellt sind, ist durch unterschiedliche und im Ergebnis nicht vergleichbare Sachverhalte gerechtfertigt. Art. 3 Abs. 1 GG ist daher nicht verletzt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2, Art. 105 Abs. 2a; KAG SH § 2 Abs. 2; GewO § 33h; VwGO § 132 Abs. 2 Nrn. 1-3
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Beschluss vom 13.02.2008; Aktenzeichen 2 KN 2/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberwaltungsgerichts vom 13. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen entscheidungserheblicher Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind nicht erfüllt. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sich das Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat; die Beschwerdebegründung muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, stRspr; vgl. z.B. Beschlüsse vom 21. Juli 1988 – BVerwG 1 B 44.88 – Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 und vom 12. Dezember 1991 – BVerwG 5 B 68.91 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302). Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde rügt, der angefochtene Beschluss weiche mit der Auffassung, die Möglichkeit der Überwälzung auf die Spieler als Endverbraucher sei als gegeben anzusehen, vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 – 1 BvR 1748/99, 915/00 – (BVerfGE 110, 274 ff.) ab, wonach die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt sein müsse. Diese Rüge genügt schon deshalb nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil mit ihr kein divergierender abstrakter Rechtssatz aus der angefochtenen Entscheidung bezeichnet wird. Dass die Beschwerde der Auffassung ist, das Oberverwaltungsgericht habe den dem genannten Urteil zu entnehmenden Maßstab hier unrichtig angewandt, reicht zur Darlegung einer Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht aus.
2. Auch den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat die Beschwerde in Bezug auf die Rüge, die Vergnügungssteuer sei keine Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG, nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Eine solche Darlegung setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Dem hat die Beschwerde nicht genügt.
Sie wendet sich nach Art einer Revisionsbegründung dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht die Vergnügungssteuer in der Form der Spielautomatensteuer als eine indirekte örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuer qualifiziert hat und davon ausgegangen ist, dass das Vergnügen des einzelnen Spielgastes besteuert werde; es handele sich um eine indirekte Aufwandsteuer, die auf Abwälzbarkeit angelegt sei. Dies greift die Antragstellerin im Wesentlichen mit der Begründung an, dass der Vergnügungssteuer (Spielgerätesteuer) tatsächlich in Bezug auf Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit keinerlei Abwälzungsmöglichkeit inne wohne. Der Preis für die Leistung sei in diesen Fällen rechtlich bindend in der Spielverordnung geregelt, ohne dass der Automatenunternehmer hieran irgendetwas ändern könne. Damit ist eine Klärungsbedürftigkeit von Bundes(verfassungs-)recht nicht dargelegt. Der Inhalt von Art. 105 Abs. 2a GG ist unter diesem Aspekt nicht klärungsbedürftig.
3. Auch die weiteren Grundsatzrügen der Antragstellerin können ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage dann, wenn für die Entscheidung des vorinstanzlichen Gerichts eine konkrete fallübergreifende Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫, vom 23. April 1996 – BVerwG 11 B 96.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 10 S. 15, vom 30. März 2005 – BVerwG 1 B 11.05 – NVwZ 2005, 709 und vom 2. August 2006 – BVerwG 9 B 9.06 – NVwZ 2006, 1290). An einer Klärungsbedürftigkeit in diesem Sinne fehlt es, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem Gesetz oder aufgrund in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannter Rechtsgrundsätze ergibt. So liegen die Dinge hier.
a) Die Beschwerdeführerin hält für grundsätzlich bedeutsam,
“ob das rückwirkende Inkrafttreten einer Steuersatzung verfassungsgemäß ist”.
Zum einen habe das Oberverwaltungsgericht darauf abgestellt, dass im Streitfall eine unechte Rückwirkung bzw. eine tatbestandliche Rückanknüpfung deshalb vorliege, weil diese auf in der Vergangenheit begründete, aber noch nicht abgeschlossene Sachverhalte einwirke. Die steuerlichen Sachverhalte seien hier jedoch abgeschlossen gewesen, weil die konkreten Geldspielgeräte, für die die Vergnügungssteuer erhoben werde, zum Zeitpunkt der Neufassung der Vergnügungssteuersatzung nicht mehr aufgestellt gewesen seien. Zudem enthalte das Kommunalabgabengesetz Schleswig-Holstein weder eine zeitliche noch eine zahlenmäßige Beschränkung der rückwirkenden Änderung von Satzungen. Dieses erscheine im Hinblick auf das Gebot der Waffengleichheit rechtswidrig.
Damit ist eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des Bundesrechts jedoch nicht aufgeworfen. Die Rüge, Landesrecht sei unter Verstoß gegen Verfassungsrecht des Bundes angewandt worden, vermag für sich genommen noch nicht eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts aufzuzeigen. In einem derartigen Fall muss vielmehr zusätzlich dargelegt werden, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des Bundes(verfassungs-)rechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben (Beschlüsse vom 21. September 2001 – BVerwG 9 B 51.01 – Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 44 und vom 9. März 1984 – BVerwG 7 B 238.81 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 49). Entsprechende Darlegungen sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
Im Übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Heilung kommunaler Satzungen – gegebenenfalls unter Anordnung der Rückwirkung – in erster Linie Fragen aufwirft, die sich im kommunalen Abgabenrecht an das Recht der Länder richten (Beschluss vom 7. Februar 1996 – BVerwG 8 B 13.96 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36). Der Rückwirkung von Rechtssätzen sind durch das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verankerte Gebot des Vertrauensschutzes Grenzen gezogen, die sich nicht mit Hilfe nur eines einzigen Merkmals bestimmen lassen, sondern von Fallgruppe zu Fallgruppe festgelegt werden müssen (Urteil vom 15. April 1983 – BVerwG 8 C 170.81 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 21 m.w.N.). Bei der Würdigung des Schutzes eines etwaigen Vertrauens der Betroffenen ist der Umstand von besonderer Bedeutung, dass der nach der Auslegung des irrevisiblen Landesrechts gültigen Satzungsregelung in der Vergangenheit gleichartige Regelungsversuche vorangegangen sind und deshalb dem etwaigen Vertrauen der Betroffenen, eine Steuer nicht zahlen zu müssen, die Schutzwürdigkeit fehlt (zu Beiträgen vgl. Beschluss vom 7. Februar 1996 a.a.O.). Hier erhebt die Beklagte mit der Spielgerätesteuersatzung 2006 nicht eine neue Steuer, sondern ändert lediglich den rechtswidrigen Steuermaßstab.
b) Soweit die Beschwerde grundsätzlich geklärt wissen will,
“ob sich der anzufechtende Beschluss über den Willen des Verordnungsgebers hinwegsetzen darf”,
formuliert die Beschwerde keine Rechtsfrage, die in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig und klärungsfähig wäre. Denn das Oberverwaltungsgericht hat sich nicht über den Willen des Verordnungsgebers hinweggesetzt, sondern vielmehr versucht, ihn im Wege einer zur Rechtmäßigkeit der Satzung führenden Auslegung zu respektieren. Sollte die Beschwerde die Frage, nach welchen Regeln Normtexte ausgelegt werden dürfen, aufwerfen wollen, bedürfte auch diese keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der Grenzen zulässiger Auslegung des irrevisiblen Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht. Auslegungsregeln und allgemeine Grundsätze über die Auslegung von Rechtsvorschriften sind dem Bundesrecht nur zuzuordnen, wenn und soweit sie der Anwendung von Bundesrecht dienen. Sie sind dagegen Teil des revisionsgerichtlicher Prüfung grundsätzlich nicht unterliegenden Landesrechts (§ 137 Abs. 1 VwGO), wenn und soweit es sich – wie hier – um ihre Anwendung im Rahmen von Landesrecht handelt. Eine generelle Zuordnung der Auslegungsregeln zum Bundesrecht, namentlich als allgemeine rechtsstaatliche Vorgabe für die richterliche Tätigkeit, würde dazu führen, dass jede Fehlauslegung irrevisiblen Rechts, die letztlich immer auf der Verletzung von Auslegungsgrundsätzen beruhen muss, eben wegen dieser Verletzung als ein Verstoß gegen Bundesrecht deklariert und damit revisibel gemacht werden könnte (Beschlüsse vom 7. Januar 2008 – BVerwG 9 B 81.07 – NVwZ 2008, 337 ≪338≫ und vom 30. August 1972 – BVerwG 7 B 43.71 – Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 53 S. 19; Eichberger, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 137 Rn. 69 m.w.N.).
c) Des Weiteren hält die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob
“die Aufstellung von Glücksspielautomaten in Spielstätten einerseits und Automatenspielbanken andererseits derart unterschiedliche Sachverhalte seien, dass sich die Antragstellerin auf einen Verstoß gegen Art. 3 GG nicht berufen könne”.
Es mag dahinstehen, ob die Antragstellerin insoweit die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) in Bezug auf die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 GG in der erforderlichen Weise dargelegt hat (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Denn jedenfalls kommt der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage grundsätzliche Bedeutung nicht zu.
Die Beschwerde wendet sich dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht keinen Verstoß gegen Art. 3 GG darin gesehen hat, dass das Halten von Spiel- und Geschicklichkeitsgeräten in Einrichtungen, die der Spielbankabgabe unterliegen, nach § 2 der Spielgerätesteuersatzung steuerfrei ist. Der Besteuerungsgegenstand, nämlich die besondere Leistungsfähigkeit des Spielgastes, sei bei Nutzung der Spielgeräte in Spielbanken und anderen Aufstellungsorten gleich. Der Inhalt des Gleichheitssatzes ist unter diesem Aspekt nicht klärungsbedürftig.
Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass insoweit unterschiedliche und im Ergebnis nicht vergleichbare Sachverhalte vorliegen, die einen sachlichen Grund für eine unterschiedliche Behandlung bieten (Beschluss vom 28. August 2007 – BVerwG 9 B 14.07 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 41 Rn. 12). Der Bundesgesetzgeber hat einen Unterschied gesehen zwischen Spielapparaten, die in einer Spielbank (§ 33h GewO) und solchen, die an anderen Plätzen aufgestellt sind. Die hier besteuerten Spielgeräte unterliegen für ihre technische Zulassung bestimmten Einschränkungen, die die Gefahr unangemessen hoher Verluste in kurzer Zeit ausschließen sollen (§ 33e GewO). Das gewerbsmäßige Aufstellen solcher Spielgeräte ist zwar erlaubnispflichtig (§ 33c GewO), bei Vorliegen der Voraussetzungen besteht jedoch auf die Erteilung der Erlaubnis ein Rechtsanspruch. Die Spielgeräte in einer Spielbank demgegenüber sind uneingeschränkt zum Glücksspiel geeignet. Für sie gelten die Einschränkungen der Gewerbeordnung nicht (§ 33h GewO). Das Glücksspiel ist aber nur aufgrund eigens erteilter staatlicher Konzession erlaubt. Schon diese Unterschiede rechtfertigen eine unterschiedliche Besteuerung (so auch BFH, Beschluss vom 21. Februar 1990 – II B 98/89 – BFHE 160, 61). Es bedeutet auch für den Aufwand eines jeden Spielers einen Unterschied, ob er an einem Spielgerät mit Verlustbegrenzung nach der Gewerbeordnung spielt oder an einem solchen in einer Spielbank ohne jegliche Verlustgrenze.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Prof. Dr. Rubel, Buchberger
Fundstellen
BFH/NV Beilage 2008, 324 |
BFH/NV-Beilage 2008, 324 |