Karl Würz, Dr. Reinhard Preusche
2.6.1 Aufgabenstellung – Koordinierung selbstständiger Funktionen
Unternehmen haben materiell sozusagen von Natur aus bereits mehr "CMS", als sie vielleicht selber annehmen. In einem gut geführten Unternehmen sind letztlich alle Mitarbeiter und Funktionen darauf bedacht, Rechtsverletzungen und unredliches Verhalten zu vermeiden. Unterstützungs- und Kontrollfunktionen wie Risikomanagement, Personalwesen, Rechtsabteilung, Rechnungswesen, Controlling, Qualitätsmanagement, Unternehmenssicherheit, Revision und die verschiedenen gesetzlich Beauftragten sind hiermit besonders beauftragt.
Idealerweise arbeiten in Ihrem Unternehmen alle diese Funktionen bereits gut zusammen. Um ein Compliance-Management-System vorweisen zu können, geht es nunmehr darum, diese Aktivitäten zu koordinieren, dort, wo notwendig zu ergänzen und in einem nach außen vorzeigbaren Format zu bündeln. Dabei soll die Verantwortung der Beteiligten für die ihnen anvertrauten Aufgaben und Prozesse nicht beeinträchtigt werden und der zusätzliche Koordinations- und Kontrollaufwand möglichst gering gehalten werden.
Ein altes Sprichwort sagt: "Drei Bauern unter einem Hut, wenn dies geschaffet ist, ist das ein Ding recht gut." Mit der Schaffung einer Risikomanagement- und Compliance-Koordinationsgruppe (oder auch Compliance Board) kann dieses Ziel erreicht werden.
2.6.2 Geschäftsordnung für die Risikomanagement- und Compliance-Koordinationsgruppe
Eine Geschäftsordnung für die Risikomanagement- und Compliance-Koordinationsgruppe oder das Compliance Board könnte etwa wie folgt aussehen: Sie beginnt mit einer Beschreibung der Compliance-Zielsetzung und des CMS im Unternehmen als Grundlage der RICKO-Tätigkeit und schließt daran die Arbeitsregeln hierfür an. Damit wird eine besondere Compliance-Richtlinie entbehrlich.
Compliance-Zielsetzung und Scoping
- Rechtskonformität und Redlichkeit; Aufgabe jedes Mitarbeiters
- Risikoorientierte Präzisierung:
straf- oder bußgeldbewehrte Regeln, große Reputations- oder Vermögensschäden
- Präventive Ausrichtung
- Compliance-Weisungswesen:
Organisationsgrundsätze, Verhaltenskodex, besondere Compliance-Richtlinien, Gesundheitsschutz- und Arbeitssicherheitsgrundsätze, Qualitätsstandards, funktionsbezogene Arbeitsanweisungen.
Compliance-Beteiligte
- Mitarbeiter und Fachabteilungen als Verantwortungsträger
- Compliance-Unterstützungs- und Kontrollfunktionen
- Themenverantwortliche und Unternehmensbeauftragte
Risikomanagement- und Compliance-Koordinationsgruppe (RICKO-Gruppe)
Aufgabenstellung
Koordination: Die üblichen Aufgaben eines Compliance-Beauftragten, wie z. B. Entwicklung von Verhaltensstandards, Compliance-Weisungswesen, Schulung und Training, werden zusammen mit Sanktionsmanagement und Vorfalluntersuchung in die RICKO-Aufgabenstellung aufgenommen.
Sitzungen
Jährlich, halbjährlich, entsprechend Berichterstattung an Geschäftsleitung,
zwischenzeitliche Arbeitstreffen mit Vertretern nach Bedarf
2.6.3 Teilnehmer und Gäste
Der Compliance-Beauftragte und die Leiter der Abteilungen mit besonderer Verantwortung für Rechtskonformität und Redlichkeit (Unterstützungs- und Kontrollfunktionen) bilden eine Arbeitsgruppe, in der alle Compliance-Themen besprochen, beschlossen oder zur Entscheidung durch die Geschäftsleitung vorbereitet werden. An dieser Arbeitsgruppe wirken die besonderen Themenverantwortlichen, Unternehmensbeauftragten oder Linienverantwortlichen je nach Bedarf mit. Die Arbeitsgruppe gibt sich eine flexible Geschäftsordnung, die eine Beschlussfassung auch außerhalb von Sitzungen, mündlich und sogar im Rahmen einer aufeinanderfolgenden Meinungsbildung ermöglicht. Mitglieder der Arbeitsgruppe können sich durch Mitarbeiter vertreten lassen. Der Compliance-Beauftragte muss nicht unbedingt Leiter der Arbeitsgruppe sein, sollte dabei aber jedenfalls eine führende Rolle spielen. In kleineren Unternehmen kann ein Mitglied der Geschäftsführung die Leitung übernehmen und dann die tatsächliche Betreuung dem Compliance-Beauftragten als eine Art Generalsekretär oder Schriftführer überlassen.
Legende:
Struktur, Mitglieder und Aufgaben der Risikomanagement- und Compliance-Koordinationsgruppe
2.6.4 Arbeitsweise: Führung durch einheitliche Arbeitsformate
Entscheidend für die Arbeit der Koordinationsgruppe ist Folgendes:
- So flexibel Zusammensetzung und Beschlussfassung der RICKO gehalten sind, so strukturiert sind ihre Arbeitsunterlagen.
- Die RICKO arbeitet mit einer Mustertagesordnung, Musterprotokollen und standardisierten Berichtsvorlagen. Diese bilden die CMS-Anforderungen ab.
- Damit können die CMS-Anforderungen an Transparenz, Dokumentation und Wirksamkeitskontrolle im Sinne der ISO 19600 im Wesentlichen ohne zusätzlichen Aufwand auf Basis der laufenden Arbeitsunterlagen erfüllt werden.
- Die einheitlichen Formate geben den berichtspflichtigen Führungskräften einerseits Hilfestellung. Gleichzeitig unterstützen sie ein vergleic...