Jörg Ekkenga, Dr. Andreas Kramer
Erhebung in drei Schritten
Compliance-Risiken sollten systematisch und umfassend erhoben werden. Zu einer vollständigen Compliance-Risikoanalyse gehören drei Schritte:
- das Identifizieren von Compliance-Risiken,
- das Bewerten der Auswirkungen und
- das Ableiten von Maßnahmen.
Zunächst muss die Frage beantwortet werden, ob die Risikoanalyse top-down, bottom-up oder in einer Kombination beider Ansätze durchgeführt werden soll.
3.1 Top-down, bottom-up oder kombiniert?
3.1.1 Top-down-Methode
Unter dem Top-down-Vorgehen versteht man einen Ansatz, in dem man nur die oberste Führungsebene zu Compliance-Risiken befragt. Man blickt also von den obersten Hierarchiestufen hinab auf die Organisation in der Annahme, dass die Topführungskräfte aus der Perspektive ihrer Leitungsfunktion einen vollständigen Überblick über ihren jeweiligen Bereich haben. In einer idealen Welt laufen alle relevanten Informationen, auch Informationen über Compliance-Risiken, bei den jeweiligen Bereichsleitern zusammen.
Vorteile
Vorteil des Top-down-Vorgehens ist, dass nur eine geringe Anzahl von Personen befragt werden muss. Ferner haben Führungskräfte aufgrund ihrer Erfahrung eine gute Einschätzung bezüglich der Besonderheiten ihres Geschäftsbereichs. Aus der übergeordneten Rolle können Topführungskräfte auch verschiedene Gefahrenpotenziale gegeneinander abwägen und kommen so zu einer ausgeglicheneren Einschätzung.
Nachteile
Nachteil dieser Methode ist, dass häufig nicht alle relevanten Informationen bei den Führungskräften ankommen. Durch die Filterung untergeordneter Hierarchiestufen gehen möglicherweise relevante Informationen verloren. Bei besonders großen Geschäftsbereichen ist es zudem schwierig für eine Führungsperson, den genauen Überblick über alle Details zu haben.
3.1.2 Bottom-up-Methode
Die Bottom-up-Methode stellt das Prinzip der Top-down-Methode auf den Kopf und beginnt mit der Befragung der unteren Hierarchiestufen. Natürlich muss man auch hier bei einem gewissen Führungslevel ansetzen, da es unzweckmäßig wäre, in einer rigorosen Auslegung des Bottom-up-Prinzips auf der untersten Mitarbeiterstufe zu starten.
Vorteile
Hierbei werden also die unteren Führungsbereiche nach ihrer Einschätzung von Compliance-Gefahren befragt. Dem liegt die Hypothese zugrunde, dass diese Mitarbeiter aufgrund ihrer Nähe zum Geschäft die Compliance-Gefahren besonders gut für ihren jeweiligen Bereich identifizieren und einschätzen können.
Nachteile
Nachteil dieser Methode ist zunächst der Aufwand der Erhebung. Es muss eine viel größere Anzahl von Mitarbeitern als bei der Top-down-Methode befragt werden. Häufig sind die Mitarbeiter unterer Hierarchiestufen nicht mit dem Thema Compliance vertraut, sodass die Ergebnisse im Nachgang der Erhebung einer besonderen Durchsicht und ggf. einer entsprechenden Korrektur bedürfen.
Ferner wird es zu vielen Doppelnennungen von Compliance-Risiken kommen, da gewisse Compliance-Themen für sehr viele Bereiche in gleicher Weise bestehen. Im Gegensatz zur Top-down-Analyse fehlt zunächst eine Abwägung der verschiedenen Themen gegeneinander. Eine solche Relativierung muss dann im Nachgang vorgenommen werden.
3.1.3 Kombination beider Ansätze
In der Kombination beider Ansätze versucht man, die Vorteile beider Verfahren zu nutzen und dabei deren Nachteile weitgehend auszuschließen. Wir empfehlen, mit einer Top-down-Analyse zu beginnen, um schnell ein erstes Bild von der Gesamtsituation zu bekommen. In einem zweiten Durchlauf wird dann das top-down ermittelte Ergebnis durch die Bottom-up-Erhebung ergänzt, verfeinert und verifiziert. Ein solches zweiseitiges Verfahren ist relativ aufwendig. Daher ist es durchaus sinnvoll, es nicht in einem Durchlauf durchzuführen, sondern zeitlich versetzt. Man könnte eine solche Erhebung z. B. halbjährlich im Wechsel durchführen.
3.2 Form der Erhebung
Sobald man die Richtung der Erhebung festgelegt hat, stellt sich die Frage nach der Form der Durchführung. Risiken werden immer im Dialog mit anderen Führungskräften und Mitarbeitern erhoben und bewertet. Es ist zu entscheiden, ob man die Risiken in einer Einzelbefragung oder in Gruppen erhebt.
3.2.1 Einzelbefragung
Bei der Einzelbefragung hat man die Wahl zwischen einer schriftlichen Befragung mit einem Fragebogen bzw. Risikoregister oder dem Einzelgespräch.
Schriftliche Befragung
Eine schriftliche Umfrage hat den Vorteil, dass man eine große Anzahl von Mitarbeitern in einer strukturierten Weise nach Compliance-Risiken befragen kann. Dieses Vorgehen bietet sich insbesondere bei einer Bottom-up-Befragung an. Nachteil einer schriftlichen Befragung ist, dass man Themen nicht im Dialog vertiefen oder Unklarheiten u...